Betrugsvorwürfe gegen Detmolder Umzugsunternehmen

Detmold. Wer im Internet nach günstigen Angeboten für Umzüge sucht, stolpert schnell über eine Detmolder Firma. Sie hat sich deutschlandweit einen Namen gemacht mit günstigen Angeboten - aber auch mit vermeintlichen Praktiken, die viele als betrügerisch ansehen. Bei der Polizei ist die Umzugsfirma bekannt, bei Staatsanwaltschaft liegen Anzeigen gegen sie vor und auch die Verbraucherzentrale kennt sie von Hilferufen Betroffener. Die Firma selbst sagt, dass mit ihren eigenen Kolonnen alles gut laufe. Probleme machten nur die Aufträge mit Subunternehmern.

Julia Xavier (Name von der Redaktion geändert) hat die Detmolder Firma für ihren Umzug innerhalb von Freiburg engagiert. Das Angebot sei günstig gewesen und der Erstkontakt am Telefon sehr freundlich verlaufen, schildert sie der LZ. Als künftige Kundin sei sie nach allen Regeln der Kunst des Telefonmarketings umgarnt worden. "Man wird am Telefon regelrecht vollgelabert", erinnert Xavier sich. Doch am Ende wurden die Kosten immer höher und höher – aus dem Vertrag kam sie schließlich nur, als sie einen Anwalt einschaltete, der ihr auch half, ihre vierstellige Anzahlung zurück zu bekommen.

Eigene Umzugskolonnen im Aufbau Die Firma vermittelt im Internet den Eindruck, ein großes Betriebsgelände, viele Mitarbeiter und einen eigenen Fuhrpark sowie Zweigstellen in ganz Deutschland zu haben. Die LZ fand am Firmenstandort jedoch nur ein kleines Verwaltungsgebäude in einem Detmolder Ortsteil mit zwei davor geparkten Lkw vor.

Der Bruder des Geschäftsführers der Detmolder Umzugsfirma gesteht gegenüber der LZ: "So gut läuft das nicht mit den Subunternehmen.“ Das habe man selbst erkannt. "Ende letzten Jahres haben wir uns entschlossen, mehr Aufträge selbst zu machen. Und mit unseren Kolonnen läuft alles gut." Das erkläre auch die wechselhaften Bewertungen im Internet. In Ulm und in Stendal baue man gerade eigene Standorte auf. In Detmold habe man derzeit drei eigene Lastwagen, bald sechs. Die Umstellung auf eigene Kolonnen gehe wegen des derzeitigen Fachkräftemangels nicht so schnell.Enttäuschte Kunden schildern ihre Erfahrungen: In einem Vorgespräch per Telefon werde eine Liste der vorgesehenen Umzugsgüter erstellt. Nach dem Telefongespräch werde dann schnell ein sehr günstiges Angebot erstellt und der potenzielle Kunde gedrängt, dieses sofort anzunehmen, weil das Angebot "nur heute" gültig sei oder man angeblich extra das Okay des Chefs für den günstigen Preis einholen musste.

Beim Blick über die Liste des Umzugsguts stelle der Kunde dann fest, dass einige der besprochenen Umzugsgüter auf ihr fehlten. Aber leider erst nach der Vertragsannahme. Dass die besprochen worden seien, daran könne sich bei seiner Rückfrage bei der Umzugsfirma dann niemand mehr erinnern. Folge: Gegenstände, die später auf der Liste landen, erhöhen den Preis.

Im Gespräch widerspricht die Detmolder Firma dieser Darstellung. "Unsere Listen sind zu 99 Prozent korrekt." Durch mehrere Instanzen stelle man sicher, dass die Liste stimme. "Erst wenn alles passt, wird der Preis kalkuliert und der Kunde entscheidet, ob er den Auftrag mit uns macht."

Hohe Anzahlung für Umzugskartons "Bei mir haben zwar keine Umzugsgüter auf der Liste gefehlt, es wurden aber viele Gegenstände wie Stehlampen, Bilder und Gemälde, Büromaterial, Spielsachen oder Kisten, die man auf dem Dachboden oder im Keller hat, gar nicht abgefragt", erinnert sich Julia Xavier. "Wenn man dann noch was zur Liste dazu geben will, wird es natürlich teurer." Xavier wurde stutzig, als die Firma von ihr die Hälfte des vereinbarten Gesamtpreises als Anzahlung haben wollte, damit sie die nötigen Umzugskartons lieferte. Doch da hatte sie schon knapp 1000 Euro überwiesen.

Und ihre Vorahnung trügte sie nicht: Denn plötzlich hätten die Umzugshelfer durchblicken lassen, dass es schwierig werden könne, Fahrzeuge mit der für Freiburg nötigen Feinstaubplakette nach Süddeutschland zu schicken - und habe dafür nochmal 300 Euro extra haben wollen. "Dabei liegt es eindeutig in deren Risikosphäre, ob die Fahrzeuge eine Feinstaubplakette haben", sagt Xaviers Anwalt Andre Brüggemann.

Forderung von 1200 Euro ohne Umzugsleistung Einen Widerruf vom Vertrag verweigerte die Detmolder Firma der Kundin mit Hinweis auf Paragraph 312g Absatz 2 Nummer 9 BGB und wollte nun 1200 von insgesamt 1800 Euro von ihr bezahlt haben - obwohl für die Detmolder Firma gar kein Umzugsaufwand mehr angefallen war, weil sich Xavier inzwischen ein anderes Umzugsunternehmen gesucht hatte.

"Das ist tatsächlich ein Ausnahmefall im BGB", sagt Brigitte Dörhöfer von der Detmolder Verbraucherzentrale. Viele Kunden rechneten nicht damit, einen Umzugsvertrag nicht widerrufen zu können, weil das in der Regel bei im Internet oder über das Telefon abgeschlossenen Verträgen möglich sei. "Deshalb muss die Firma speziell darauf hinweisen." "Und zwar nicht irgendwo im Kleingedruckten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen", präzisiert Anwalt Brüggemann. "Weisen sie nicht darauf hin, hat man nach Artikel 246a Paragraph 1 Absatz 3 EGBGB einen Schadenersatzanspruch und der ist die Vertragsauflösung." Ein Hoffnungsschimmer für Betroffene.

Oder auch nicht, denn laut der Detmolder Firma werde über das fehlende Widerrufsrecht bestmöglich aufgeklärt. "Was die vertraglichen Sachen angeht und unsere Vorgehensweise, da sind wir sehr kundenfreundlich", sagt der Bruder des Geschäftsführers. "Wir kommen unserer Fürsorgepflicht nach."

Firma für Beschwerden plötzlich nicht mehr erreichbar Xavier kam aber letztendlich nur mit Hilfe ihres Anwalts aus dem Vertrag heraus und ihre Anzahlung von fast 1000 Euro zurück, nachdem dieser zivilrechtlich gegen die Detmolder Firma vorgegangen war. Vor Gericht erging ein Versäumnisurteil, weil sich der Anwalt der Detmolder Firma plötzlich nicht mehr zum Fall äußerte. Xaviers Anwalt vermutet, dass so eine Rechtssprechung als Präzedenzfall vermieden werden sollte. Xavier selbst hatte vorher Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Für Beschwerden waren die Detmolder Umzugshelfer für sie plötzlich nicht mehr erreichbar gewesen. Mahnbescheide waren als unzustellbar zurückgekommen.Andere, die sich nicht wie Xavier ein anderes Umzugsunternehmen gesucht hatten, berichten in Internetforen, dass am Umzugstag - oder oft auch erst bis zu vier Tage nach dem vereinbarten Termin - ein Subunternehmer mit einem viel zu kleinen Fahrzeug erschienen sei. In zahlreichen Berichten wird ein kleiner Sprinter statt des versprochenen Lkw erwähnt. Für ein größeres Fahrzeug sollten die Kunden dann zahlen. Zudem hätten die Subunternehmer oft auch Bargeld direkt vom Kunden haben wollen und gedroht, die Umzugsgüter andernfalls einzubehalten. In manchen Fällen seien auch gar keine Umzugshelfer erschienen - trotz geleisteter Anzahlung, heißt es in den Bewertungsportalen.

Neun Fälle enden vor Gericht mit Freispruch "Gegen den Inhaber des Umzugsunternehmens wurden hier in den Jahren 2020 und 2021 mehrere Anklagen wegen gewerbsmäßigen Betruges erhoben", schreibt Ralf Vetter, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Detmold, auf LZ-Anfrage. Insgesamt seien es neun Fälle gewesen, die im August 2021 gemeinsam vor dem Schöffengericht verhandelt worden seien. "Ein betrügerisches Handeln war in der Hauptverhandlung trotzdem nicht nachzuweisen. Der Angeklagte wurde daraufhin rechtskräftig freigesprochen." Wegen der Subunternehmer sei es problematisch nachzuweisen, für welches Verhalten die Detmolder Firma und für welches die Subunternehmer verantwortlich seien. "Deshalb ist es in weiteren Fällen bislang auch noch nicht zu Anklagen gekommen."

Das wissen offenbar auch die Detmolder Umzugshelfer. Der Bruder des Geschäftsführers betont im Gespräch mit der LZ, dass man den Subunternehmern alle Infos zum jeweiligen Kunden von A bis Z zur Verfügung stelle. Die würden wohl teilweise nicht an die Fahrer und Arbeiter weitergegeben. Trotz der unklaren Rechtslage: Strittige Fälle scheint es weiterhin zu geben. Xaviers Anwalt hat aktuell wieder einen auf dem Schreibtisch.

Besichtigung vor Ort empfohlen Die Verbraucherzentrale empfiehlt, bei einem anstehenden Umzug immer mehrere Angebote von verschiedenen Anbietern - möglichst nicht nur telefonisch, sondern auch mit Besichtigung der Wohnung vor Ort - einzuholen und diese genau zu vergleichen. "Wird die Arbeitsleistung des Umzugsunternehmens nach Stunden berechnet, ist nicht nur der Stundenpreis wichtig", schreibt die Verbraucherzentrale. "Entscheidend für die Kosten ist auch, ob die aufzuwendenden Stunden für die einzelnen Leistungen, zum Beispiel die Anzahl der Packer, richtig angesetzt sind. Wird der angesetzte Zeitrahmen überschritten, drohen Nachforderungen. Mehrkosten im Vergleich zum Kostenvoranschlag zwischen 15 und 20 Prozent sind jedoch noch akzeptabel."

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