Großer Autobetrug im Netz: Weshalb ein Angeklagter in Detmold zur tragischen Figur wird

Detmold. Immer wieder muss sich der 39-Jährige die Tränen wegwischen, während sich drei Verteidiger in ihren Plädoyers nacheinander für ihn stark machen. Dass der Mann ins Gefängnis muss, ist da allen längst klar. Der angeklagte Rumäne ist Teil einer Bande gewesen, so viel ist unstrittig, die sich mit falschen Online-Inseraten von Autos, Wohnmobilen und Traktoren eine goldene Nase verdient hat. Ein ausgegucktes Opfer stammt aus Horn-Bad Meinberg. Der Landwirt fiel aber nicht auf die Masche rein. Vielen ging es anders.

Der hier angeklagte Schaden liegt bei etwa 320.000 Euro. Es geht um Taten aus den Jahren 2017 und 2018. Seine Schuld räumt der Mann auf der Anklagebank vor Gericht vollumfänglich ein, dennoch sieht er sich selbst wahrscheinlich eher als tragische Figur. Denn einige seiner Mittäter sind diesen Sommer erst von einem Gericht in Rumänien freigesprochen worden, weil die Taten dort nach diversen Verzögerungen seitens der Justiz als verjährt galten.

Versäumnisse der Justiz Für Staatsanwalt Björn Heidberg und die hiesigen Ermittler ist das nach jahrelanger intensiver und länderübergreifender Ermittlungsarbeit wie ein Schlag ins Gesicht. Der Frust ist den Beteiligten im Saal anzumerken. &bdquo;Ungerecht ist nicht, dass Sie eine Strafe bekommen, denn Sie haben ja Straftaten begangen“, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. &bdquo;Ungerecht ist, dass die anderen davon gekommen sind.“

Ob sich die Staatsanwaltschaft Detmold noch einmal Mühe machen wird, die freigesprochenen Mittäter anhand weiterer, bisher nicht aufgegriffener Fälle noch einmal vor ein deutsches Gericht zu zerren, lässt Heidberg offen. Vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts kommt an diesem Mittwochvormittag aber zumindest durch das Geständnis des hier angeklagten Hintermanns ein Deal und damit ein Urteil zustande.

Weil der 39-Jährige alle Vorwürfe einräumt, lässt sich die Beweisaufnahme erheblich abkürzen. 20,30, vielleicht 40 Verhandlungstage hätten die Prozessbeteiligten sonst wahrscheinlich durch die große Anzahl an Fällen gebraucht, schätzt Verteidiger Dr. Carsten Ernst in seinem Schlusswort. Sein Kollege Dr. Holger Rostek appelliert an das Gericht, die individuelle Schuld des Mandanten genau zu betrachten. Er habe seiner Familie schon genug angetan, die U-Haft in Deutschland sei dazu eine enorme Belastung. &bdquo;Jeder Tag weniger zählt“, meint Rostek.

Angeklagter muss mehrere Jahre in Haft Am Ende verurteilt die Kammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski den Rumänen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 66 Fällen, davon 24 Versuche, zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren, das berichtet Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth nach der Urteilsverkündung. Damit stimmt die Kammer mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft überein. Die Prozessbeteiligten hatten sich zuvor im Rechtsgespräch geeinigt, bei einem Geständnis einen Strafrahmen von drei Jahren bis zu drei Jahren und neun Monaten in Betracht zu ziehen. Da im Gerichtssaal nichts Unvorhergesehenes mehr passiert, bleibt es dabei. Dazu wird der Angeklagte wohl knapp 20 Prozent des Schadens, also etwa 64.000 Euro, zurückzahlen müssen.

Der 39-Jährige hatte als &bdquo;untergeordnetes Rädchen im Gesamtsystem“, so beschreibt Verteidiger Dr. Werner Semmler die Rolle seines Mandanten, die Aufgabe, potenzielle Käuferinnen und Käufer von der Seriosität einer fiktiven Spedition zu überzeugen. Teile des Kaufpreises der angebotenen Fahrzeuge sollten dorthin überwiesen werden, um den Käufer in Sicherheit zu wiegen. &bdquo;Dafür hatte sich der Angeklagte Textbausteine auf Deutsch zurechtgelegt“, erklärt Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth. Wenn der Mann eine Frage nicht verstanden habe, habe er einfach aufgelegt.

Durch Fingerabdrücke und Stimme überführt 42 Mal hatte die Masche Erfolg und es flossen teils große Summen für Autos, die nie geliefert wurden. In 24 Fällen rückten die Käuferinnen und Käufer vom Online-Geschäft wieder ab. So handelte auch ein Landwirt aus Horn-Bad Meinberg. Letztendlich entschied er sich dagegen, die 12.800 Euro für einen inserierten Traktor an die mutmaßliche Spedition zu überweisen. &bdquo;Der Geschädigte hat es in diesem Fall nicht angezeigt, weil er kein Geld überwiesen hatte“, sagt Staatsanwalt Björn Heidberg am Rande der Verhandlung. Die Polizei deckte den versuchten Betrug nur auf, weil sie entsprechende Kaufverträge bei einer Durchsuchung sicherstellte.

Laut Staatsanwalt kamen die Ermittler auf die Spur des Angeklagten, weil sie seine Fingerabdrücke an einem entsprechenden USB-Stick mit diversen Verträgen feststellten und seine Stimme beim Abhören von Telefonaten identifizieren konnten. Der Angeklagte entschied sich zum Ende des Verfahrens, den Ermittlern zu helfen, mögliche Hintermänner ausfindig zu machen. Genauso hatte auch ein 36-jähriger Täter gehandelt, als er im Juni wegen der gleichen Masche in Detmold zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde.

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