Musik als Gesellschaftsutopie: Verdis Requiem wird in Detmold aufgeführt

Detmold. Er scheint ein Faible für die ganz große Nummer in der Musik zu haben: Florian Ludwig, Dirigent, zugleich Professor für Dirigieren an der Hochschule für Musik Detmold und seit 2017 auch Künstlerischer Leiter des Detmolder Oratorienchors. Nachdem er im vergangenen Jahr das barocke Großoratorium Messiah von Händel leitete, wird er in Kürze den Oratorienchor inklusive Solistenquartett und umfangreich besetztem Orchester durch ein weiteres Monumentalwerk führen: Die Messa da Requiem von Giuseppe Verdi.

Die Totenmesse wurde vor mehr als 150 Jahren vom Opernkomponisten anlässlich des Todes des italienischen Literaten Alessandro Manzoni komponiert. Damit sind Florian Ludwig und der Oratorienchor zum wiederholten Mal mit einem Werk beschäftigt, bei dem die große sinfonische und chorische Geste gefragt ist. So viele Menschen zu inspirieren, musikalisch in eine gemeinsame Richtung zu gehen und zusammen musikalische Energie freizusetzen, fasziniere Ludwig persönlich und auch als Dirigent immer wieder aufs Neue: &bdquo;Es macht meinen Beruf zu etwas Einzigartigem.“

Große Fußstapfen Fast alle namhaften Dirigenten haben dieses Werk in Konzerten dirigiert und auf Tonaufnahmen dokumentiert, von Arturo Toscanini über Herbert von Karajan bis hin zu Vertretern der historisch-informierten Aufführungspraxis. Florian Ludwig sieht sich als Teil einer langjährigen Rezeptionsgeschichte und habe zu kalkulieren, dass sein Publikum, auch seine Musiker, &bdquo;eine gewisse Hörgeschichte zu dem Stück haben“.

Mit dem Oratorienchor hat Ludwig in den vergangenen Jahren die Trias der bekanntesten Requiem-Vertonungen realisiert: Mozart, Fauré und nun also noch Verdi. &bdquo;Der Chor kann den lateinischen Text mittlerweile richtig gut“, sagt Ludwig. Er schmunzelt mit Blick auf den an der katholischen Liturgie ausgerichteten lateinischen Gesangstext.

Derartig viel Morbidität im Repertoire eines Chores mag erstaunen. &bdquo;Es gibt heutzutage wenige Themen, die so aus der der Gesellschaft verbannt sind, wie der Tod“, meint Ludwig. &bdquo;Umso mehr gehört die Beschäftigung mit dem Unvermeidlichen auf die Bühne.“ Die Vielfalt an Requiem-Werken sei ebenso groß, wie die Sicht auf den Tod und das Sterben individuell ist.

Der Tod in seinen Facetten Da gibt es das elegisch-sanfte Requiem des Franzosen Gabriel Fauré, welches das Lebensende als Erlösung begreift. Eine andere Vorstellung vermittelt der Schweizer Komponist Frank Martin, dessen Requiem den Tod als Teil des Lebens akzeptiert. Nicht zu vergessen, Mozarts bedeutender Beitrag zum Genre geprägt durch Zweifel, Angst und Zuversicht. Verdis Version hingegen durchschreitet sämtliche Höhen und Tiefen, die das Thema Tod eröffnet und dringt zum emotionalen Kern durch.

Florian Ludwig wolle bei der reichhaltigen Auswahl nicht werten. Ihm persönlich lägen die Varianten von Verdi und auch Brahms am nächsten. Beide Werke seien emotional extrem ergreifend.

&bdquo;Verdi verstand den liturgischen Text der Totenmesse weit weniger kirchlich als ein Priester, sondern vielmehr als fühlender Mensch, der ohnehin nicht besonders von der Institution Kirche überzeugt war“, sagt Ludwig. So sei Requiem nicht weit von Verdis Opern entfernt.

Den Tod erfahrbar machen In jüngerer Zeit kommen sogar Versuche szenischer Umsetzung auf die Opernbühnen. &bdquo;Religiöse Gefühle sind ja nicht nur an den institutionellen Ort Kirche gebunden. Emotionen, die mit dem Leben zu tun haben, müssen überall Platz haben“, so Ludwig.

Wie aber ermöglicht es Verdis Musik, den Tod heutzutage emotional erfahrbar zu machen? &bdquo;Die Form des Konzertes und das damit verbundene gesellschaftliche Ereignis bietet hierfür die nötige Konzentration, um die Musik wahrzunehmen“, da ist sich Dirigent Florian Ludwig zweifelsfrei sicher. Es drehe sich um das kollektive emotionale Erleben während eines Konzertes. &bdquo;Jene unmittelbare emotionale Ergriffenheit ist bei Verdis Requiem bis heute ungebrochen.“.

Just vor der Folie der derzeitigen Weltgeschehnisse sei es ihm ein persönliches Anliegen, den Gedanken des kollektiven Erlebens weiterzutragen. Ein Orchester oder auch einen Chor will er als einen utopischen Entwurf für eine funktionierende Gesellschaft begreifen. &bdquo;Weil es unterschiedliche Stimmen gibt, die aufeinander hören müssen, trotzdem miteinander harmonieren sollen und am Ende eine gemeinsame Idee verfolgen, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen“, so der Dirigent Ludwig.

Ein schöner und vielversprechender Gedanke für den enormen Wert Klassischer Musik in der heutigen Zeit, wenn sich diese musikalischen Prozesse auf die gesellschaftlichen übertragen ließen. Mit seiner Aufführung von Verdis Requiem trägt Dirigent Florian Ludwig wieder einmal einen entscheidenden Teil dazu bei.

Aufführung Florian Ludwig wird mit dem Oratorienchor Detmold, vier Vokalsolisten und der Nordwestdeutschen Philharmonie Verdis Requiem am Sonntag, 9. März, ab 18Uhr im Konzerthaus der HfM Detmold aufführen. Tickets gibt es unter hochschule-detmold.reservix.de und an der Tourist-Info am Markt in Detmold.

Musik als Gesellschaftsutopie: Verdis Requiem wird in Detmold aufgeführt

Verdis „Messa da Requiem“ lässt Detmolder Publikum sprachlos zurück

Oratorienchor Detmold singt Verdi-Requiem

Die Philharmonie bietet in Detmold und Bad Salzuflen wieder viel

Sprache der Musik verbindet die Orchester aus Detmold und Polen für Mahlers 3. Sinfonie

Die Orchester läuten in Lippe den Frühling ein

Dieser Komponist hat die Hochschule für Musik in Detmold wie kaum einer geprägt

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €