Verdis „Messa da Requiem“ lässt Detmolder Publikum sprachlos zurück

Detmold. Es gibt Konzerterlebnisse, die mehr sind als Musik. Sie reißen das Publikum mit, lassen es erzittern und staunen. Die Aufführung von Giuseppe Verdis &bdquo;Messa da Requiem“ durch den Oratorienchor Detmold mit der Nordwestdeutschen Philharmonie (NWD) unter Leitung von Florian Ludwig war ein solches Erlebnis.

Im ausverkauften Konzerthaus erlebten rund 600 Gäste eine klanglich und emotional hochkarätige Interpretation eines wahren Meisterwerks. Die Vertonung des Textes der lateinischen Totenmesse durch Verdi hatte Vorläufer, bis sie 1874 zum ersten Todestag des Dichters Alessandro Manzoni (1785-1873) in Mailand zur Uraufführung kam. In Deutschland wurde das Werk aufgrund seiner Widmung als &bdquo;Manzoni-Requiem“ bekannt.

Heimliche Nationalhymne Italiens Verdi schrieb ab 1840 eine Oper nach der anderen und sein Requiem wurde oft als &bdquo;Oper im liturgischen Gewand“ bezeichnet. Unter seinen 28 Opern befinden sich Juwelen wie Rigoletto, Otello, Falstaff, Aida oder La Traviata. Der Gefangenenchor aus Nabucco gilt gar als heimliche Nationalhymne Italiens. Verdis Opern und sein Requiem fangen in schönster Musik menschlich-emotionale Wahrhaftigkeit ein.

Text und Ablauf des Werkes entsprechen fast durchgehend der römisch-katholischen Liturgie des Totengottesdienstes. Verdi verzichtet auf die Vertonung von Graduale und Tractus, fügt jedoch das Responsorium &bdquo;Libera me“ am Schluss hinzu, das er bereits für die Totenmesse Rossinis komponiert hatte. Die Besetzung entspricht einem großen Opernorchester. Der vierstimmige Chor ist oft mehrfach geteilt bis hin zur Doppelchörigkeit im Sanctus.

Verdis Totenmesse in ihrer ganzen Dimension Florian Ludwig bewies mit seiner Interpretation, dass er nicht nur ein exzellenter Gestalter großer sinfonischer Chormusik ist, sondern auch ein tiefes Gespür für die emotionalen Facetten und die Textur des Werkes besitzt. Er ließ Verdis Musik atmen, ohne je ins Pathetische abzudriften, und schuf ein klangliches Erlebnis, das den Zuhörer nachhaltig beeindruckte.

Schon mit den ersten Takten wurde klar: Diese Aufführung würde die gewaltige Spannbreite von Verdis Totenmesse in ihrer ganzen Dimension ausloten. Die Nordwestdeutsche Philharmonie entfaltete unter Ludwigs präziser, aber nie erdrückender Führung eine klangliche Wucht, die von rauschhafter Dramatik bis hin zu zarter Intimität reichte.

Zarte Streicherklänge eröffneten im ergreifenden Pianissimo das Requiem Aeternam, in dem der Chor in deutlichster Artikulation den Text deklamierte. Dynamisch schwangen sich die rund 90 Choristen empor, bis sich das Solistenquartett im kraftvollen Ton dazugesellte. Choristen und Solisten standen mit dem Orchester in schönster Klangbalance.

Fanfaren blasen zum jüngsten Gericht Das berüchtigte &bdquo;Dies irae“ versetzte das Publikum in atemloses Staunen. Donnerndes Schlagwerk und Furcht einflößende Blechbläser setzten ein akustisches Erdbeben in Gang, das sich unauslöschlich in die Ohren der Zuhörer brannte. Ludwig entlockte dem Chor einen prägnanten durchsetzungsfähigen Klang, während das Orchester die sinfonischen Funken sprühen ließ.

Blechbläserfanfaren bliesen zum Jüngsten Gericht und die Solisten fügten sich mit stimmlicher Ausdrucksstärke in das beeindruckende Klanggeschehen ein. Genauso beeindruckend waren die leisen, fast zerbrechlichen Momente, in denen der Chor mit feinsinnigem Pianissimo und außergewöhnlicher dynamischer Bandbreite glänzte.

Sprachloses Publikum Die Solisten harmonierten in schönster Balance. Mit sonorer Stimme beherrschte Bassist Ilkka Vihavainen seine Partien, die gelegentlich leichte Intonationstrübungen aufwiesen. Im goldenen Timbre, brillant in der Höhe und ergreifend in der Tiefe, reüssierte Mezzosopranistin Sofia Pavone. Ihr schwelgender Gesang im berühmten &bdquo;Lacrimosa“ wurde zum lyrischen Höhepunkt des Abends, voller melancholischer Schönheit und ergreifender Tiefe. Im Lux Aeterna brachte sie das &bdquo;ewige Licht“ musikalisch zum Leuchten. Tenor Xavier Moreno meisterte seine Partien ausdrucksstark und mit brillanter Leichtigkeit.

Mit engelsgleicher Stimme krönte Sopranistin Sarah-Jane Brandon das Solistenensemble. Zart ließ sie ihre Stimme im Offertorium schweben. Im Agnus Dei harmonierte sie beeindruckend mit dem Mezzosopran. Das abschließende &bdquo;Libera me“, in dem die Sopranistin mit herzzerreißender Dringlichkeit um Erlösung fleht, berührte die Hörer. Die Sopranistin steht hier für das Individuum, das um Gnade fleht, während der Chor die intime Bitte kollektiviert. Das Publikum verharrte nach dem letzten verklingenden Ton einen Moment in ehrfürchtiger Stille, bevor begeisterter Applaus ausbrach.

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