Darum sollen 60 Millionen in einen Neubau am Landestheater Detmold fließen

Detmold. Das Landestheater gehörte einst dem Fürsten, dann dem Land Lippe - und am Ende schließlich dem Landesverband Lippe. Dessen Vorsteher ist Jörg Düning-Gast, und der weiß: Für die Zukunft muss sehr viel Geld in das Gebäude gepumpt werden - etwas mehr als für den Neubau am Freilichtmuseum übrigens. Aktuell ist die Rede von mindestens 60 Millionen Euro. Und wie wird das Theater dann aussehen?

Erklären Sie doch mal, was der Landesverband überhaupt mit dem Landestheater zu tun hat.

Jörg Düning-Gast: 1948 wurde die Gründung des Landesverbandes per Gesetz beschlossen. Zuvor, schon 1947, wurde in den sogenannten &bdquo;Lippischen Punktationen“ festgeschrieben: Das Vermögen des ehemaligen Freistaates Lippe soll zusammenbleiben. Dazu zählte auch das Theater, das damit eine Bestandsgarantie erhielt und dauerhaft vom Land gefördert wird. Es gehörte ursprünglich als Hoftheater dem Fürstenhaus, ging danach aber in den Besitz des Landes Lippe über. Bis auf die beiden Staatsbäder Bad Salzuflen und Bad Meinberg, von denen man sich hat trennen müssen, sind alle Institutionen wie das Landesmuseum, die Lippische Landesbibliothek und das Landestheater, die Schlösser, der Wald und die Äcker nach wie vor im Besitz des Landesverbandes. Die Theater GmbH, vorher war sie ein Verein, ist Mieter des Gebäudes.

Es kommt in Landestheater das Wort &bdquo;Land“ vor, dessen gesetzliche Aufgabe es ist, darstellende Künste und Musik sowie kulturelle Bildung zu fördern und überall den Zugang dazu zu ermöglichen. Erfüllt das Land den Job gut?

Jörg Düning-Gast: Die Landestheater GmbH erfüllt ihren Job sehr gut, und das Land sichert mit seiner erheblichen finanziellen Unterstützung, dass alle Sparten erhalten bleiben. In den &bdquo;Lippischen Punktationen“, die das Land Nordrhein-Westfalen immer wieder bestätigt, heißt es ausdrücklich: Die lippischen Institutionen bleiben erhalten. Umgesetzt wird das zwischen dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft und dem Theater über jährliche Bewilligungsbescheide auf der Grundlage einer Zielvereinbarung. Im Klartext heißt das, wenn nicht alle Sparten mit guter Qualität weitergeführt würden, gäbe es auch weniger Geld vom Land. Das Land NRW hat für seine vier Landestheater übrigens einen Haushaltsposten von jährlich 20 Millionen Euro. 12 Millionen Euro davon bekommt Detmold – ich finde, das geht schon sehr in Ordnung. 8,3 Millionen Euro erhält das Landestheater von den Gesellschaftern Landesverband, Kreis Lippe und der Stadt Detmold.

Das Landestheater ist reichlich in die Jahre gekommen und ziemlich verbaut. Wie hoch ist der Investitionsstau?

Jörg Düning-Gast: Wir sind anders an das Thema herangegangen. Wir haben uns gefragt, was getan werden muss, um die Zukunft des Theaters abzusichern. Man kann aber nicht sofort ans Investieren gehen, sondern muss sich überlegen, wie sich die Welt verändert und was in der Zukunft nötig ist, damit das Theater interessant und relevant bleibt. Das Land NRW hat uns dazu gesagt: Ihr habt unsere volle Unterstützung, und es hat als Zeichen der Unterstützung die Kosten für die Machbarkeitsstudie in voller Höhe übernommen. Umgesetzt wurde sie von den Unternehmen &bdquo;actori“ und &bdquo;theapro“, die Experten in Bezug auf kulturelle Einrichtungen wie Theater sind. Mit den Ergebnissen der Studie gehen der Kreis, die Stadt und wir konform. Es wurde untersucht, welches Raumprogramm in der Zukunft erforderlich wäre und ob neu gebaut werden muss. Das Gute ist, dass wir nun ein Plan in der Schublade haben und sofort beginnen könnten.

Schon vor Jahren hieß es: Das geht so nicht weiter, es muss sich etwas tun – aber keiner kann es aktuell bezahlen. Die Rede war von 50 Millionen Euro für das Projekt, jetzt hört man 60 Millionen Euro. Wie teuer wird das?

Jörg Düning-Gast: Zunächst haben wir dieses Jahr eine Bewilligung für Fördergelder aus Denkmalmitteln erhalten – 1,5 Millionen Euro. Das ist ein Anfang. Dafür sollen im kommenden Jahr zunächst die Außenhülle und das Dach saniert werden. Was das große Ganze angeht: Was es kosten wird, kommt darauf an, in welchen Dimensionen ein Neubau erfolgt, was von unseren Zielen umgesetzt werden kann und wofür wie viele Fördergelder zur Verfügung stehen. Es gibt verschiedene Optionen. Klar ist aber, dass das Projekt nur mit der Hilfe von Bund und Land umgesetzt werden kann, und auch die Gesellschafter werden etwas einbringen müssen. 2023 und 2024 haben wir Mittel beantragt, aber keine bekommen. Für 2025 ist der Bundeshaushalt gerade erst beschlossen, da passiert also nichts mehr. Nun hoffen wir auf 2026, es ist alles im Prozess. Fest steht jedoch für mich: Innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, was gemacht werden kann. Vor fünf Jahren wären die öffentlichen Haushalte sicherlich stärker gewesen. Aber wenn sich das - hoffentlich bald – wieder ändert, stehen wir bereit und haben einen Plan in der Schublade.

Was besagt dieser Plan?

Jörg Düning-Gast: Es wurde über die Jahrzehnte verschiedentlich an den denkmalgeschützten Hauptbau angebaut. Und wenn Sie mal in die Werkstätten schauen, stellen Sie fest, wie eng es dort zum Teil ist. Die Zugänge zur Kasse sind nicht barrierefrei, die Logistik ist nicht optimal, die Wärmedämmung nicht, Brandschutz, Arbeitsschutz – und vieles mehr. Daher haben wir zunächst ein nötiges Raumprogramm geklärt und überlegt: Können wir im Bestand sanieren oder müssen wir alles neu bauen? Den Status Quo zu verbessern, wäre eine Option, aber viel lieber würden wir neu bauen – was bedeutet: Der denkmalgeschützte Eingangsbereich, das Zuschauerhaus und die Bühne bleiben erhalten, der gesamte hintere Bereich mit den Probenräumen, den Werkstätten und der Kasse würde erneuert werden. Der Plan wäre außerdem, eine zweite Spielstätte am Theaterplatz einzurichten. Dort könnte das Junge Theater, das jetzt am Bahnhof residiert, integriert werden. Es könnte bedeuten, dass das auch mit der Studiobühne geschieht, die aktuell im Grabbe-Haus spielt. Hinter dem Theater und am Lustgarten hat derzeit alles aktuell einen fragwürdigen Hinterhofcharme. Die Stadt Detmold will im Rahmen ihrer Stadtentwicklung dankenswerterweise aber das Parkhaus Lustgarten neu bauen und das Areal dort neu gestalten – auch mit Pavillons. Das würde den gesamten Bereich riesig aufwerten.

Sicherlich müsste das Theater dann künftig mehr Miete bezahlen. Das Projekt klingt sehr groß, und die Unterhaltungskosten sind jetzt schon hoch. Muss man in der Folge langfristig zu einer neuen Organisationsform für die Eigentümerschaft kommen?

Jörg Düning-Gast: Nun, Heinrich Drake hat sicherlich mit Bedacht verhandelt, welche Rolle der Landesverband ausfüllen soll - auch als Eigentümer des Theaters. Wir verfolgen den Plan, den Haushalt des Landesverbandes bis 2031 so zu konsolidieren, dass wir in der Zukunft auch unsere kulturellen Aufgaben solide erfüllen können. Wir möchten das Theater auch in den nächsten 200 Jahren seiner Geschichte begleiten. Aktuell liegen die wesentlich von Landesverband, Stadt und Kreis getragenen jährlichen Unterhaltungskosten bei rund 1 Millionen Euro. Das Landestheater zahlt etwa 250.000 Euro. Natürlich müssten Kosten angepasst werden. Auf der anderen Seite sinken die laufenden Energiekosten nach einer umfangreichen technischen Sanierung.

Wie wichtig ist es, das Projekt umzusetzen?

Jörg Düning-Gast: Es ist für die Zukunft des Theaters immens wichtig. Sehen Sie, natürlich kostet Kultur immer Geld, und man muss sich einerseits fragen: Wie viel gebe ich dafür aus? Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehr gute Angebote haben, um Erlöse zu erzielen. Kultur ist darüber hinaus ein wichtiger weicher Standortfaktor in Lippe und die Dichte der Kulturwirtschaft in Detmold sehr groß. In Deutschland haben wir keine Rohstoffe – außer der Kreativität, die sich stetsin technischen Entwicklungen, in Ingenieurskunst, Wissenschaft, Kultur und mehr niedergeschlagen hat. Blicken wir auf die Zukunft und die Künstliche Intelligenz, dann lernt diese KI nicht nach vorn, sondern stets rückwärtsgewandt von den Ergebnissen unserer Kreativität. Und Kreativität erwächst aus Einrichtungen wie dem Landestheater Detmold.

Sie haben drei Wünsche für das Theater frei – welche?

Jörg Düning-Gast: Ich wünsche mir, dass das Theater weiterhin einen so großen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Wir haben beim Open-Air zur Spielzeiteröffnung wieder einmal gesehen, wie das Theater wirkt. Außerdem wünsche ich dem Theater weiter viel Mut, neue Wahrnehmungen zu ermöglichen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen auszulösen – wie Bertolt Brecht einmal sagte: Vorhang zu, alle Fragen offen.

Mein dritter Wunsch wäre, dass die Menschen, die in unserer Region Theater machen, auch weiterhin im Stadtbild sichtbar und für ihr Publikum so nahbar sind wie bisher. Dass sie mitten unter uns sind, man sie auf dem Markt oder im Café trifft und man dann und wann mit ihnen ins Gespräch kommen kann. Das senkt die Schwellen für einen Theaterbesuch, inspiriert andere Menschen und öffnet sie letztlich für kulturelle Bildung.

Weitere Teile aus der Serie &bdquo;Vorhang auf!“ zum 200-jährigen Bestehen des Landestheaters gibt es hier .

Persönlich

Jörg Düning-Gast ist Diplom-Verwaltungswirt. Seine Verwaltungslaufbahn begann er nach dem dualen Studium bei der Stadt Herford im Jahr 1987. Bis 2007 leitete er diverse Fachabteilungen und war Geschäftsführer kommunaler Gesellschaften der Stadt Herford. Von 2007 bis 2016 war Düning-Gast Beigeordneter und Allgemeiner Vertreter der Bürgermeisterin der Stadt Oerlinghausen. Dort verantwortete er diverse Aufgabenbereiche, darunter Schulen, Kultur, Soziales und Jugend, Tourismus, Stadtmarketing, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt. 2016 wechselte er als Verwaltungsvorstand und Allgemeiner Vertreter des Landrates zum Kreis Lippe, wo er für die Aufgabenbereiche Personal, IT, Kreisarchiv, Bevölkerungsschutz, Hochbau, Kreisplanung, Vermessung und Kataster, Bauordnung, Wohnungsbauförderung, Tiefbau und Wirtschaftsförderung verantwortlich war. Am 19. Februar 2020 wurde er zum Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe (LVL) gewählt, dessen Amt er am 15. April 2020 antrat.

Darum geht es bei der Machbarkeitsstudie für das Theater Vor dem Hintergrund der erforderlichen Sanierung haben die Unternehmen &bdquo;actori“ und &bdquo;theapro“ das Theater untersucht und eine Bedarfsplanung erstellt. Beide haben eine besondere Expertise im Bereich von Kulturbauten. Es ging zum Beispiel um die Frage, wie sich angesichts gesellschaftlicher Trends und Entwicklungen das künftige künstlerische Profil gestalten soll, um neue und breitere Zielgruppen anzusprechen. Es wurde ermittelt, welche Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind und welche baulich-infrastrukturellen Anforderungen der Theater- und Gastspielbetrieb generell hat. Es ging auch darum, wie strukturelle und wirtschaftlich nachhaltige Rahmenbedingungen aussehen müssen. Es erfolgte eine Bedarfsplanung in Form eines Raumprogrammes sowie eine Studie darüber, wie sich alles städtebaulich umsetzen ließe. Bei allem wurde deutlich, dass in jedem Fall eine zweite Spielstätte mit Proberäumen in einen Neubau als Anbau an das Theater erfolgen sollte sowie der Neubau eines Werkstattgebäudes zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Sanierung des denkmalgeschützten Zuschauer- und Bühnenhauses ist nötig sowie die Optimierung und funktionsorientierte Anordnung der Räume für eine bessere Logistik – das betrifft auch und vor allem das Theater als Reisebühne.

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