Detmold. Ihren wahren Namen will sie nicht preisgeben. „Schatten über Hiraizumi“ heißt ein Roman, den eine Detmolderin unter dem Pseudonym Amber Grey veröffentlicht hat. Die Handlung spielt - eher ungewöhnlich - im historischen Japan des 12. Jahrhunderts. Hauptprotagonistin im Buch ist die junge Yuki, eine Magd, die in Hiraizumi einen Neuanfang wagen will. Doch ihre dunkle Vergangenheit lässt sich nicht abschütteln. Durch Verrat und tödliche Intrigen gerät sie in einen gefährlichen Machtkampf, der auch über das Schicksal des Landes entscheiden wird. Yuki entflammt in einer gefährlichen Leidenschaft zum Krieger Jiro, der den Attentätern, darunter auch ihr Bruder, den Tod geschworen hat. Eine letzte Schlacht bahnt sich an. Heikle Themen Autorin des Romans, der im Selbstverlag erschienen ist, ist eine Lehrerin, die anonym bleiben möchte. Sie kann so heikle Themen wie beispielsweise Gewalt und Sexualität entsprechend des mittelalterlichen Settings aufgreifen, ohne in irgendwelche berufliche Konflikte zu kommen. Die alleinerziehende Mutter kümmert sich außerdem um ihre betagten Eltern und schrieb den Roman in langen Nächten. Das Schreiben ist für sie kreatives Ventil und zugleich Ausgleich zu ihren anderen Verpflichtungen. „Als Jugendliche habe ich, nach einem sexuellen Übergriff während eines Urlaubs, mit Selbstverteidigung und mit Kampfsportarten angefangen. Besonders intensiv habe ich Ju-Jutsu trainiert und war Vize-Deutsche Meisterin in meiner Gewichtsklasse“, erzählt die Detmolderin. „Diese Erfahrungen haben mich auch in meiner späteren Auseinandersetzung mit japanischer Kultur und Geschichte beeinflusst.“ In ihrer Jugend hat sie historische Romane, darunter Shogun, mit Begeisterung verschlungen. Ihr Faible für Japan habe auch die Grundlage für „Schatten über Hiraizumi“ gebildet. Komplexe Handlungsstruktur Der Roman ist eine Erweiterung einer Idee, die die Autorin als Jugendliche entwickelt hatte. „Ursprünglich hatte ich eine romantische Liebesgeschichte im Kopf, doch mit mehr Lebenserfahrung und dem Bemühen um Authentizität wurde die Geschichte später düsterer und komplexer, als ich es mir zu Beginn vorgestellt hatte“, schildert sie. Die zentrale Frage im Roman dreht sich um den Konflikt zwischen „Giri“ (Pflicht) und „Ninjo“ (persönliche Neigung) - ein Thema, das sie auch während ihrer Recherche intensiv beschäftigt hat. Unter welchen Umständen würde ein Samurai wohl seinem Herrn die Loyalität entziehen? Sie hat die Geschichte der jungen Magd Yuki mit historischen Ereignissen aus der späten Heian-Zeit verwoben, insbesondere mit der Verfolgung von Minamoto no Yoshitsune durch seinen Halbbruder Minamoto no Yoritomo am Ende der Gempei-Kriege. Dabei war es ihr wichtig, die brutalen und dunklen Seiten des Krieges nicht zu romantisieren, sondern authentisch darzustellen. Zentrum des Handels und der Künste „Hiraizumi hat mich besonders fasziniert, da es einst ein florierendes Zentrum des Handels und der Künste war, bis es durch Yoritomos Armee zerstört wurde. In meiner Recherche bin ich auf Parallelen zu den Berichten aus meiner eigenen Familie gestoßen, die Augenzeugenberichte des Feuersturms in Dresden enthalten“, verrät Amber Grey. Diese Erfahrungen flossen in die Atmosphäre und die Themen des Romans ein. Das berühmte Haiku „Sommergräser nur bleiben von den Träumen junger Krieger“ von Matsuo Bashō könnte möglicherweise auf Hiraizumi anspielen, denkt sie und unterstreiche den Gedanken der Vergänglichkeit, der im Roman eine zentrale Rolle spiele. Liebe und Machtkämpfe Liebe, Macht und Gefahr verpackt in einer packenden Handlung - der Roman ist spannend zu lesen. Dabei bringt er auch eine gewisse authentische Unbarmherzigkeit herüber, wie man sie sich von der Zeit vorstellt. Der Leser fiebert mit der mutigen Protagonistin mit. Gleichzeitig spielt die Handlung in einem weit entfernten Land und in einer vergangenen Zeit, in die man eintauchen kann und die die Gegenwart beim Lesen vergessen lässt. Dabei gelingt es der Autorin, Orte und Handlungen mit einer hohen Authentizität zu vermitteln. Die Arbeit am Buch hat der Detmolderin große Freude bereitet, sodass sie es sich vorstellen kann, in Zukunft weitere Romane zu schreiben. „Die intensive Recherche und das Eintauchen in die japanische Kultur haben meinen Horizont erweitert, und ich habe viel über historische Genauigkeit und die Feinheiten der Darstellung gelernt“, resümiert Amber Grey. Rund ein dreiviertel Jahr benötigte sie nach der noch längeren Vorarbeit, bis das Buch fertig war. Es sind harte Prüfungen, die die Autorin ihrer Protagonistin Yuki auferlegt hat. Sie selbst ist dankbar für ihr Leben in der Moderne, mit all den Errungenschaften, die für viele Menschen alltäglich sind und die sie wertschätzen können. Anders als im Roman müssen Misserfolge nicht sofort mit dem Leben bezahlt werden. Das Taschenbuch (ISBN 978-3-695-17722-6) hat 330 Seiten und gibt es auch als E-Book. Infos unter www.ambergrey.de