Lesung in Detmold: Mithu Sanyal fasziniert mit „Antichristie“

Detmold. Rund 40 Literaturbegeisterte haben im Haus Münsterberg der Lesung mit der indischen Autorin Mithu Sanyal beigewohnt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe &bdquo;Wörterleuchten“, organisiert vom Literaturbüro OWL, präsentierte Sanyal ihren neuen Roman &bdquo;Antichristie“ (2024) – ein ebenso tiefgründiges wie unterhaltsames Werk, das postkoloniale Fragen, Popkultur und Krimi-Elemente vereint.

Die 1971 in Düsseldorf geborene Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und Schriftstellerin thematisiert Feminismus, Rassismus und Postkolonialismus. Sie freute sich, nach Detmold zurückzukommen, weil ihr erstes Hörspiel an den Externsteinen spielte. Nach ihrem Erfolgsdebüt &bdquo;Identitti“ (2021) fragt ihr neuer Roman &bdquo;Antichristie“ nach Kolonialismus und der Gewaltbereitschaft in jedem Menschen.

Vielschichtige Erzählweise Die Autorin wählt eine vielschichtige Erzählweise und verbindet historische und politische Themen. Die Handlung bewegt sich zwischen den Zeiten und Welten und entführt auf eine literarische Zeitreise von der Gegenwart Londons ins koloniale Indien des Jahres 1906 – und das alles durch die Augen der deutsch-indischen Drehbuchautorin Durga, benannt nach der vielarmigen kämpferischen Gottheit Indiens.

Durga wechselt ihr Geschlecht, entdeckt verdutzt ihren Penis und trifft auf indische Revolutionäre, die keineswegs gewaltfrei wie Gandhi kämpfen. Sanyal verbindet den indischen Unabhängigkeitskampf und die Kolonialgeschichte mit einer zeitgenössischen feministischen Perspektive, wobei sie auch humorvolle Dialoge einfließen lässt.

In der gut einstündigen Lesung, gefolgt vom lebendigen Gespräch mit Marlen Dettmer vom Literaturbüro, offenbarte Sanyal, wie sie historische Fakten, persönliche Erfahrungen und satirische Spitzen miteinander verwebt. Dabei wurden kaleidoskopartig zahlreiche Aspekte angesprochen wie Indien, Kolonialgeschichte, Gewalt und Widerstand, Antirassismus, Gender oder Gandhi. Die fiktive Handlung fußt immer auf historischen Fakten. Das &bdquo;India House“ in London war von 1905 bis 1910 ein Studentenwohnheim und Treffpunkt für indische Revolutionäre, die für Indiens Unabhängigkeit kämpften.

Fesselnde Perspektive &bdquo;Geister sind unerledigte Dinge, die einen immer wieder einholen“, meint die Autorin. Es gebe viele Antichristen in ihrem Roman wie Savarkar, den Vater des Hindunationalismus, der Islam und Christentum bekämpft. Durga, innerlich zerrissen zwischen Faszination für britische Kultur und familiärer Erinnerung an koloniales Leid, wird durch eine wundersame Wendung selbst Teil der indischen Unabhängigkeitsbewegung – im Körper eines Mannes. Eine fesselnde Perspektive, die die Gäste im Haus Münsterberg sichtlich bewegte.

Mit Witz und scharfsinnigen Beobachtungen thematisiert Sanyal die Auswirkungen des Kolonialismus bis in die Gegenwart und stellt unbequeme Fragen zur Rolle des Westens, zur Legitimität von Gewalt und zur Repräsentation kultureller Narrative – alles verpackt in einem sympathischen Erzählton, der gleichermaßen zum Lachen wie zum Nachdenken anregt. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit Kafka & Co. statt und wurde von den Stadtwerken Detmold gefördert.

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