Mehr als 30 Ehrenamtliche engagieren sich bei der Ökumenischen Krankenhaus- und Altenheim-Hilfe (ÖKAH). Sie besuchen auch Patienten im Klinikum Lippe-Detmold.
Detmold. Petra Berger-Böhm (52) streicht den beigen Kittel glatt, holt kurz Luft und klopft an. Nachdem sie sich im Drei-Bett-Zimmer auf der urologischen Station vorgestellt hat, flüchtet einer der Patienten sogleich: "Ich will keinen Besuch, ich will meine Ruhe". Die beiden anderen sind offener.
"Ich freue mich, wenn Besuch kommt, der mal nicht über Krankheiten redet", sagt Franz Paus mit verschmitztem Lächeln. Die Frage, ob er Besuch bekommt, bejaht er. Für Petra Berger-Böhm ein weiterer Anknüpfungspunkt für ein Gespräch. Paus erkennt den Besuchdienst als "mentale Aufbauhilfe", wie er es nennt. Die könnte sein Nachbar gut gebrauchen. Der Pensionär erzählt sogleich von seinem Nierentumor, der ihm entnommen wurde - letztlich darüber immer noch geschockt. Und das, obwohl er vorher keine Beschwerden gehabt habe.
Einmal in der Woche besucht die 52-Jährige die Patienten auf ein oder zwei Stationen, bietet Hilfe und ein Gespräch an. Fast überall werden die Ehrenamtlichen - darunter auch zwei Männer - überall gut aufgenommen.
"Manche Leute machen auch die Augen zu, wenn ich komme und tun so, als ob sie schlafen", erzählt Petra Berger-Böhm beim Gespräch mit Leiterin Annelen Dutzmann im Büro des Besuchsdienstes. Das zusammengewürfelte Mobiliar wird hier beherrscht von mehreren deckenhohen Buchregalen. Denn einige der Frauen kümmern sich um den Verleih der krankenhauseigenen Bücher und fahren mit einem schwer beladenen "Bücherwagen" durch alle Flure.
"Gestern habe ich erlebt, dass jemand gesagt hat: ,Mir geht es schlecht, ich würde gern allein bleiben.' Das ist völlig in Ordnung, wir sind die einzigen, die sie wegschicken können", zeigt Annelen Dutzmann Verständnis. Ärzte, Pfleger und Reinigungspersonal muss eben jeder hinnehmen. "Viele nutzen aber die Gelegenheit zum Reden", weiß die 50-Jährige aus vierjähriger Erfahrung. Auch weil die neutralen Gesprächspartner keinem schwierigen Thema aus dem Weg gehen.
Die Mitarbeiter haben absolute Schweigepflicht. "Viele Patienten sind froh, dass sie etwas losgeworden sind. Das tut ihnen gut", meint die Leiterin und nimmt sich Zeit für jedes Gespräch, solange es gewünscht ist.
Zuhören können ist die wichtigste Eigenschaft, die jeder Ehrenamtliche mitbringen muss - und eine gewisse Sensibilität. Denn es gibt auch Patienten, die sich beschweren - das gilt es richtig einzuschätzen.
Aus pflegerischen Belangen müssen sich die Frauen sowieso heraushalten, dürfen beispielsweise nicht das Bett hochstellen. Dennoch sei das Krankenhaus dankbar für die Entlastung durch den Besuchsdienst, wissen die Frauen. Denn für Gespräche haben Schwestern und Pfleger eigentlich keine Zeit. Doch die Frauen machen noch mehr: Besorgen auch mal etwas in der Stadt, wenn Angehörige dies nicht tun können. Das kommt dann und wann vor. Am Tag zuvor hatte ein Obdachloser zur Entlassung keine Bekleidung - also suchten die Frauen etwas aus dem Fundus heraus oder gehen zur DRK-Kleiderkammer.
Spurlos geht ein solcher Vormittag nicht an ihnen vorüber, wenn sie Trauriges hören, geben die Frauen zu. "Man muss es einfach aushalten. Auch das Schweigen auszuhalten, kann schwer sein", findet Annelen Dutzmann. "Manches geben wir an die Klinikseelsorge weiter." "Man tröstet am meisten, wenn man nur da ist und zuhört", sagt Petra Berger-Böhm. Das kann sie und klopft an der nächsten Tür.