Interview: Das ist der Klimawandel und so können wir ihn aufhalten

Extertal-Bösingfeld . Das Thema Klimawandel ist omnipräsent. Wie sich der Klimawandel zeigt und was jeder einzelne tun kann, um ihn zu stoppen, erklärt Klimaforscher Dr. Peter Lemke am Donnerstag, 7. November, in Extertal. Zu dem Vortrag &bdquo;Der Klimawandel ist unsere größte Herausforderung" laden der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz der Gemeinde, die Sekundarschule Nordlippe und Marketing Extertal ein. Der frühere Leiter des Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven referiert ab 19 Uhr im Bürgersaal des Rathauses, Mittelstraße 36. Die LZ hat vorab mit ihm gesprochen.

Herr Professor Lemke, der Titel Ihres Vortrages ist "Der Klimawandel ist unsere größte Herausforderung". Warum ist das so?

Dr. Peter Lemke: Wenn Sie in der Lüneburger Heide wohnen und von April bis Oktober wie im vergangenen Jahr keinen Regen hatten, dann ist das außergewöhnlich und bedenklich. Und der Klimawandel betrifft alle, insbesondere Landwirte, aber auch den kleinen Mann, dessen Rasen vertrocknet ist. Der Klimawandel spiegelt sich nicht nur in Trockenheit und anderen Extremereignissen wider, sondern auch im Schmelzen der Gletscher, im Meeresspiegelanstieg und in Hitzewellen. Das wird sich in der ganzen Welt bemerkbar machen. Deshalb ist es höchste Zeit und gleichzeitig eine große Herausforderung auf den CO2-Ausstoß durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen zu verzichten.

Wie werden Klimaveränderungen überhaupt gemessen?

Lemke: Das Thermometer ist das offensichtlichste Messgerät. Wir haben fast 3000 Wetterstationen auf den Kontinenten und ebenso viele Bojen, die den oberen Ozean messen. Es gibt genug Messungen, die deutlich zeigen, dass der Meeresspiegel steigt und die Temperaturen im Meer und in der Luft wärmer werden. Satelliten zeigen uns die Meereisausdehnung in der Arktis und Antarktis. Die Gebirgsgletscher und die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis verlieren kontinuierlich an Masse, und durch das Schmelzwasser steigt der Meeresspiegel. Es gibt viele Bereiche, in denen man mit validen Messungen den Klimawandel beobachten kann.

Gibt es für Sie ein einschneidendes Erlebnis, das Sie als Wissenschaftler geprägt haben?

Lemke: Ich beschäftige mich schon seit 40 Jahren mit der Klima- und Polarforschung. Meine erste Polarexpedition in die Arktis 1991 war etwas Besonderes. 2005, als ich das letzte Mal dort war, konnte ich die Veränderungen des Eises beobachten. Das war erschreckend.

Warum?

Lemke: Weil in der Zwischenzeit die Ausdehnung des Meereises deutlich zurückgegangen und seine Dicke geringer geworden ist. Seit 40 Jahren zieht sich das Meereis zurück, und in der Mitte dieses Jahrhunderts wird es im Sommer kein Eis am Nordpol mehr geben, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Ist es für einen Klimaforscher nicht frustrierend, dass eindeutige Warnsignale in der Gesellschaft und der Politik nur bedingt Veränderungen hervorrufen?

Lemke: Das geht schon ganz lange so. Mit dem ersten Bericht des Weltklimarates 1990 haben wir schon vor der Entwicklung und den Folgen des Klimawandels gewarnt. Die Politik hat lange nichts getan. Das Problem ist, dass man den schleichenden Klimawandel nicht persönlich spürt, sondern nur die Extremereignisse wie Dürren und Starkniederschläge. Jetzt ist die Politik mit dem neuen Klimapakt zwar tätig geworden, aber das ist lange nicht ausreichend.

Wo müsste nachgebessert werden?

Lemke: Das Wichtigste ist, dass der Preis für eine Tonne emittiertes CO2 deutlich teurer wird als eine Maß Bier auf dem Oktoberfest, denn das ist geplant: der Einstiegspreis soll 10 Euro betragen. Das ist lächerlich wenig. Außerdem sollte die CO2-Abgabe wieder an die Bürger zurückgegeben werden, und zwar mit dem gleichen Betrag für jeden Bürger. Das führt dazu, dass Personen mit einem großen CO2-Fußabdruck netto einzahlen und diejenigen mit einer kleinen CO2-Emission (im Allgemeinen der ärmere Teil der Bevölkerung) netto Geld gewinnen. Das reicht natürlich nicht, die Regierung muss u.a. auch Anreize für alternative Energietechnologien, Heizungs- und Verkehrssysteme liefern.

Was erwartet die Bürger am 7. November in Extertal?

Lemke: Der Vortrag wird zeigen, warum wir ein Klimaproblem haben, worin sich dieses Problem zeigt und was wir dagegen tun können. Denn das können wir: es ist noch nicht zu spät.

Wie kann jeder einzelne CO2-Emissionen einsparen?

Lemke: Für Städter wie für Menschen auf dem Land gilt zunächst, mit Energie sorgsam umzugehen. Unser größter Anteil am CO2-Fußabdruck ist unser Konsum. Von unserer Kleidung, über Computer zu Lebensmitteln. Alles muss hergestellt werden und das verbraucht Energie. Wir müssen lernen, nachhaltiger zu konsumieren. Dazu muss die Regierung dringend Anreize bieten, das nachhaltige Konsumieren zu fördern und innovative Technologien entwickeln, die weniger Ressourcen verschwenden.

Persönlich Dr. Peter Lemke war bis zur Pensionierung 2016 Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (Alfred-Wegener-Institut) in Bremerhaven und Professor für Physik von Atmosphäre und Ozean an der Uni Bremen. Heute wohnt er in der Lüneburger Heide und hält monatlich mehrere Vorträge zum Thema Klimawandel.

Seit mehr als 30 Jahren ist er in internationalen Gremien im Bereich der Klima- und Polarforschung tätig und war von 2013 bis 2016 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen. Außerdem hat Dr. Peter Lemke bereits an elf "Polarstern"-Expeditionen in die Arktis, Antarktis und über den Äquator teilgenommen. Sechs dieser Expeditionen hat er als Fahrleiter durchgeführt.

Das Forschungsschiff machte jüngst wieder Schlagzeilen, weil es in der Arktis einfrieren soll, um Klimadaten zu sammeln. Lemke arbeitete am Bericht des Weltklimarats IPCC mit, dessen Arbeit 2007 zusammen mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde.

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