Horn-Bad Meinberg. Die Rettung eines Hundes in Horn-Bad Meinberg wird ein juristisches Nachspiel haben. Ein 43-Jähriger hat am 22. Juni einen großen Mischling festgesetzt, der taumelnd und ohne Begleitung über die Straße lief. Der Hund hatte einen Hitzschlag erlitten und konnte nur dank einer intensiv-medizinischen Betreuung gerettet werden. Streit gibt es, weil das Veterinäramt des Kreises Lippe den Hund an den Besitzer zurück gegeben hat, der mit diesem nach Bulgarien zurückgereist ist – obwohl eine Strafanzeige gestellt worden war.
Der Horn-Bad Meinberger möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, denn er fürchtet Repressalien. An dem Donnerstagmorgen hatte er auf dem Weg zur Arbeit den Hund, der einem Cane Corso sehr ähnelt, angebunden an einem Pfahl gesehen. „Der lag an einer kurzen Leine und war der Sonne voll ausgesetzt. Es waren an die 30 Grad, und etwas entfernt vom ihm saß eine Frau im Schatten", schildert er die erste Begegnung. Als er um 16.45 Uhr zum Einkaufen fuhr, sah er den Hund erneut. „Er taumelte und lief mir fast vor das Auto. Also bin ich ausgestiegen", sagt der 43-Jährige, der selber seit 30 Jahren Hunde hält.
Rechtslage
Amtstierärzte sind laut Tierschutzgesetz „Beschützergaranten" für das Wohl der Tiere. Sie sind verpflichtet, gegen tierschutzrechtswidrige Handlungen und Zustände vorzugehen. Es gibt kein Entschließungsermessen. Amtsveterinäre müssen immer handeln, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich Verstöße gegen das Tierschutzrecht begangen werden. Tierquälerei wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Tierschutzvergehen, die als Ordnungswidrigkeiten einstuft werden, können Bußgelder bis zu 25.000 Euro nach sich ziehen.Anwohner hätten ihm geraten, doch lieber Abstand zu nehmen, doch das sei für ihn nicht in Frage gekommen. „Es war zu sehen, dass der um sein Leben lief." Er habe dann gemeinsam mit anderen den Hund in ein Hochhaus lotsen können, dort brach dieser zusammen. Die Polizei traf ein und nahm eine Anzeige gegen den Halter auf wegen Tierquälerei.
Dr. Juliana Henkemeyer ließ in ihrer Praxis alles stehen und liegen und holte den Mischling. „Er war dem Tode nahe", sagt sie. Mit Infusionen und feuchten Handtüchern kämpfte das Team um das Leben des Hundes. Eine Tierarzthelferin legte sich auf eine Matratze neben die Box in der Praxis und wechselte während der Nacht die feuchten Handtücher, mit denen die Läufe und der Körper bedeckt waren. Und der Hund berappelte sich, am Morgen wurde er durch eine Mitarbeiterin des Kreisveterinäramtes begutachtet und anschließend ins Tierheim Detmold gebracht. Und dort holte ihn der Besitzer ab – mit dem Einverständnis des Kreisveterinäramtes.
Der Vorsitzende des Vereins Tierschutz der Tat, Christopher Imig, ist darüber empört. „Der Hund hätte im Tierheim bleiben müssen, bis genau geklärt gewesen wäre, ob ein Fall von Tierquälerei vorliegt", sagt der Jurist. Hinweise darauf habe es schließlich gegeben und sehr wohl sei es der Kreisbehörde möglich, dem Halter eine Absage zu erteilen.
„Es gab eine Strafanzeige und keine Entscheidung darüber. Darüber hat man sich hinweg gesetzt, und für die Tierschützer ist das ein Schlag ins Gesicht", sagt Imig, der gegen den verantwortlichen Veterinär eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hat.
Aus Sicht der Kreisveterinäre stellt sich der Fall allerdings anders dar. Der Halter des Tieres habe seinen Hund gesucht und sei kurz nach dem Vorfall mit einem Dolmetscher beim Kreis vorstellig geworden, weil er mit seinem Hund wieder nach Bulgarien zurückreisen wollte. „Wir hatten zu dem Zeitpunkt keine schriftliche Anzeige vorliegen und auch keine Hinweise darauf, dass der Hund gequält worden war. Er war nicht verwahrlost und hatte keine Narben", sagt der Fachgebietsleiter des Veterinäramtes, Dr. Ulrich Kros.
Auch habe man Rücksprache mit dem Tierheim gehalten. „Der Besitzer hat seinen Hund mehrfach dort besucht und uns gegenüber angegeben, dass das Tier sich beim Spielen losgerissen hat. Die Mitarbeiterin des Tierheims hat uns geschildert, dass der Hund keinesfalls ängstlich auf seinen Besitzer reagiert hat", sagt Kros.
Die Kosten für die Behandlung und den Aufenthalt im Tierheim habe der Bulgare auch anstandslos beglichen. Eine rechtliche Handhabe, das Tier einzubehalten, habe es aus Sicht des Veterinäramtes nicht gegeben. Ausdrücklich lobt der Kreisveterinär das engagierte Verhalten der Tierretter. „Sie haben alles richtig gemacht, und es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich jemand so verantwortungsvoll verhält", sagt Kros.
Kommentar: "Der Tierschutz braucht Helfer"
von Astrid Sewing
Dass der Horn-Bad Meinberger einen solch großen Hund, den er nicht kannte, eingefangen hat, verdient den höchsten Respekt. Schließlich hat er damit zwei Dinge verhindert: dass andere Menschen oder der Hund selber zu Schaden kommen.Und weil so etwas eben nicht selbstverständlich ist, wäre es gut gewesen, wenn das Kreisveterinäramt vor der Freigabe noch einmal Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Vereins „Tierschutz der Tat", Christopher Imig, gehalten hätte.
Schließlich ist dieser als Oberstaatsanwalt durchaus mit allen juristischen Möglichkeiten vertraut, und der sachliche Austausch hätte dazu beigetragen, dass der Streit nicht eskaliert. So driften zwei Dinge auseinander, die zusammen mehr für den Tierschutz erreichen können. Die Veterinäre des Kreises Lippe können nicht überall sein und sind auch ein Stück weit darauf angewiesen, dass die Tierschützer auf Missstände hinweisen.
Das mag viel Schreibkram nach sich ziehen, und es ist auch sicher nicht immer einfach, das Sachliche von dem Emotionalen zu trennen, aber letztendlich ist das keine Goodwill-Geschichte. Der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert, und die Tiere können nun einmal nicht für sich sprechen. Sie brauchen Menschen, die sich für ihre Rechte einsetzen. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.