Schandfleck oder Kunst? Skulptur an Realschule in Horn sorgt für Diskussionen

Horn-Bad Meinberg . Seit 55 Jahren steht an der Sekundarschule in Horn, vormals Realschule, eine Architekturplastik des Paderborner Künstlers Josef Rikus. Und wie es bei Kunst oft ist, spaltet die Skulptur die Gemüter: Für die einen ist es Kunst, mit der man sich auseinandersetzen muss, für die anderen ist es ein potthässlicher Trumm, der abgerissen gehört.

Für Letzteres fand sich nach kurzer Diskussion im Ausschuss für Stadtentwicklung und Liegenschaften Anfang November und nach längerer Diskussion im Schulausschuss am Mittwoch eine Mehrheit – wenn auch jeweils knapp, gemessen an der Zahl der Ja-Stimmen und Enthaltungen. Kommenden Donnerstag steht das Thema auf der Agenda des Rates.

Die Plastik – ein Ensemble horizontal und vertikal miteinander verschränkter Betonplatten unterschiedlicher Form – war 1966 von der Stadt Horn für den Neubau der Realschule in Auftrag gegeben worden. Rikus’ Interpretation des U-förmigen Gebäudes am Hang, das in der acht Meter hohen verschachtelten Betonkonstruktion mündete, wurde zwar das Wahrzeichen der Realschule, erfuhr aber wie viele abstrakte Kunstwerke jener Zeit nie wirkliche Wertschätzung, heißt es in der Beschlussvorlage der Verwaltung. Als &bdquo;Lehrergalgen" verspottet, wurde es nicht gepflegt, wucherte zu und zeigt inzwischen Schäden durch vom rostenden Baustahl abplatzende Betonstücke.

Schon mehrfach über Abriss nachgedacht Bereits 2001 wurde erstmals über einen Abriss nachgedacht Rikus’ Witwe war dagegen, die Plastik blieb. 2017 machte der Förderverein der Sekundarschule einen erneuten Vorstoß, dem sich die Schule 2020 anschloss. Ob man das Werk eines renommierten Künstlers einfach so abreißen darf oder nicht, hat die Verwaltung in ihrer Vorlage abgewogen. Einerseits ist es das einzige Werk dieser Stilrichtung in der Stadt, andererseits gibt es woanders ähnliche.

Deswegen, und weil das Umfeld sich seit 1966 stark verändert und die Aussagekraft der Plastik geschmälert hat, hätte der Denkmalschutz nichts gegen einen Abriss einzuwenden, was in der Kunstwelt wohl anders gesehen würde. Würde man die Plastik woanders aufstellen, ging die künstlerische Aussage verloren. Somit bleiben aus städtischer Sicht nur die Optionen Abriss für 5000 Euro oder Sanierung für 10.000 Euro.

Als die Angelegenheit im Schulausschuss zur Debatte anstand, lag bereits ein Einwohnerantrag vor, die Plastik als Zeugnis des Zeitgeistes der damaligen Architektur- und Baukultur zu erhalten. Andreas Mickel (FDP) sprach sich gegen einen Abriss aus und wollte das Thema am liebsten gar nicht diskutieren: &bdquo;Es ist nicht unsere Aufgabe, zu sagen, was gefällt und was nicht."

Lena Gerke (Grüne) sah das ähnlich. &bdquo;Es ist Kunst, auch wenn es mir persönlich vielleicht nicht gefällt." Eine Kunsthistorikerin habe ihr gesagt, die Rikus-Plastik wolle nicht gefallen – eine &bdquo;Brutalismus" genannte Kunstrichtung. Man solle die Skulptur mit Augenmaß sanieren und die Schüler sollten sich mit ihr auseinandersetzen, schlug sie vor.

Sekundarschulleiterin Dr. Heike Delker bezweifelte, dass sich die Schüler jemals mit der Plastik würden identifizieren können. So, wie sie jetzt da stehe, sei sie jedenfalls ein Schandfleck und stehe einer sinnvolleren Nutzung der Fläche im Weg.

Dr. Alexander Martin (CDU) gestand, dass seine Fraktion sich sehr schwer getan habe mit der Frage, ob man ein Kunstwerk abreißen oder es doch besser sanieren solle. Kunst fordere zur Auseinandersetzung mit ihr auf, und es sei auch im Sinne der Bildungsteilhabe wichtig, Kinder an Kunst heranzuführen. Andererseits sei der CDU der Wunsch der Schulgemeinschaft wichtig. &bdquo;Wenn die Mehrheit der Bürger das weghaben will, dann stimmen wir dafür", sagte Martin – auch wenn er persönlich anderer Meinung sei. Die gerade geführte Diskussion um die Plastik sei genau das, was Kunst auslösen soll, fand Miriam Stolcis (Grüne). Sie sprach sich dafür aus, dass die Schülerschaft das Kunstwerk neu gestalten solle.

Ein Stück Geschichte Ein Kommentar von Dieter Asbrock

Das Bonmot &bdquo;Ist das Kunst oder kann das weg?", das der Humorist Mike Krüger 2010 in die Welt gesetzt hat, war am Mittwoch auch in der Sitzung des Schulausschusses zu hören. Natürlich, möchte man sagen, fordert doch der Betonbrocken vor der Sekundarschule geradezu dazu auf, sich diese Frage zu stellen – und mit &bdquo;Kann weg!" zu beantworten.

Aber darf man sich das so einfach machen? Darf man ein Kunstwerk einfach so platt machen, weil es einer Mehrheit nicht gefällt? Das hätte etwas von Bilderstürmerei an sich. Kunst möchte, dass man sich mit ihr auseinandersetzt, sich an ihr reibt, zu unterschiedlichen Bewertungen kommt. Kunst, die jedem gefällt, ist keine.

Was Josef Rikus 1966 vor der Realschule aufgestellt hat, ist das Zeugnis einer Betonseligkeit, mit der vor 50, 60 Jahren begeistert gebaut wurde. Nichts schien unmöglich mit diesem Werkstoff, und so bescherte uns der Betonboom Bauwerke, die aus heutiger Sicht oft als ästhetisch misslungen gelten und der Abrissbirne zum Opfer fielen oder hinter schickeren Verkleidungen versteckt wurden.

Man kann gute Gründe für oder gegen einen Abriss finden. Bevor der Rat den Bagger los- schickt, sollte er Schüler- und Bürgerschaft aber noch Gelegenheit geben, sich mit Rikus’ Werk auseinanderzusetzen. Hässlich oder nicht – es ist ein Stück Stadtgeschichte, das verloren ginge.

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