Horn-Bad Meinberg. Deutschland gehört zu den Gründungsländern des Eurovision Song Contest (ESC). Seit der Premiere im Jahr 1956 hat es zweimal den ersten Platz belegt. Was Lena im Alter von 19 Jahren in Oslo im Jahr 2010 mit dem Song „Satellite“ gelang, schaffte im Jah 1982 die damals erst 17-jährige Gymnasiastin Nicole im englischen Harrogate mit der Ballade „Ein bisschen Frieden“, die sie über Nacht berühmt machte.
Nun hat die Grande Dame des ESC im Kurtheater Bad Meinberg vor rund 300 Gästen ein Stelldichein gegeben. Eigentlich sollte ihr Comeback-Konzert Open-Air in der Konzertmuschel stattfinden. Wegen schlechter Wetterprognosen wurde es ins Kurtheater verlegt. Während draußen die Welt im Regen versank, entführte Nicole mit Hits aus 42 Jahren in die Schlagerwelt und brachte ihr Publikum zum Träumen.
Seit der Kindheit auf der Bühne
Die Saarländerin Nicole Seibert (59) steht seit ihrer Kindheit auf der Bühne. Bei Auftritten auf Schul- und Betriebsfesten wurde sie im Jahr 1980 entdeckt. Den Echo Pop erhielt sie im JAhr 1992 in der Kategorie „erfolgreichste Sängerin/Deutscher Schlager“. Nachdem sich die Künstlerin für einige Zeit zurückgezogen hatte, um den Brustkrebs zu bekämpfen, meldete sie sich im vergangenen Jahr mit ihrer großen Tournee zurück. Im gleichen Jahr erhielt sie den Hans Rosenthal Preis für ihr soziales Engagement.
Hits wie „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“ aus dem Jahr 1981, „Papillon“ (1982), oder „Ein leises Lied“ (1991) konnten viele Gäste mitsingen. „Ein bisschen Frieden“ durfte als Zugabe nicht fehlen. Der Eurovision Song bescherte ihr Millionenverkäufe und Top-Platzierungen in ganz Europa. Was zur Zeit der Friedensbewegung bestens ankam, funktioniert auch noch heute, wo kein Frieden in Sicht ist.
Unter dem Titel „Ich bin zurück“ setzte sie in einer ansprechenden Mischung aktuelle Titel und neu arrangierte Oldies mit ihrer hochkarätigen Band in Szene. Mit Jens Carstens, Schlagzeuger bei Heinz Rudolf Kunze und Helene Fischer, Tastengott Achim Meier aus Gütersloh am Keyboard, dem versierten Gitarristen Mickey Meinert, der in Lemgo aufwuchs sowie Bassist Zoran Grujovski, der Kunze und Udo Lindenberg begleitet, standen der Sängerin herausragende Musiker zur Verfügung, die es verstanden, ihre ausdrucksstarke Stimme beeindruckend klanglich einzubetten.
Auftauchen aus Nebelschwaden
Aus Nebelschwaden tauchte sie wie aus einer mystischen Versenkung auf mit dem Titelsong „Ich bin zurück“, den sie couragiert interpretierte und mit dem sie die Herzen der Gäste eroberte. Für eine Mitklatsch-Orgie sorgte der Hit „Die zweite Liebe“. „In Bad-Meinberg war ich noch nie, aber ich hab den Weg gefunden“, brachte sie die Gäste zum Lachen.
Dass es in Sache Liebe keine Garantie gibt, verdeutlichte die Botschaft des Liedes „Wirst du mich lieben?“. „So viele Lieder sind in mir“ sang sie mehrsprachig und offenbarte ihr Talent fürs Chanson. Der klassisch heilen Schlager-Welt setzt sie immer wieder kritische Impulse entgegen. So thematisierte der Song „Soley Soley“, der mit Klängen des Xylophons nach Südafrika führte, ein Land, das sie sehr liebt, das Schicksal eines kleinen schwarzen Jungen während der Zeit der Apartheid. In schnellen Tempoliedern wie „Traumfänger“ drohte ihre Stimme zu verzerren und von der Band überschattet zu werden, während sie in ruhigen Balladen wie „Melodie“ brillant hervorstach.
Anekdoten aus 40 Jahren
In der Moderation gab sie so manche Anekdoten ihrer Karriere zum Besten. So ereilte sie im Jahr 1986 eine Einladung der ehemaligen DDR, im Hygienemuseum in Dresden aufzutreten. Ein sächselnder Funktionär wollte ihr den Titel „Papillon“ verbieten. Der Text handle ja von Freiheit und dem Überfliegen von Grenzen. Nicole setzte sich über das Verbot hinweg und beobachtete den Funktionär, der in der vordersten Reihe am lautesten mitsang. Der Udo-Jürgens-Hit „Griechischer Wein“ habe ursprünglich „Sonja komm heim“ geheißen und sei erst nach einigen Flaschen Rezina zu dem geworden, was er heute ist.
Zu ihrem ersten Erfolgssong „Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund“ ließ Mickey Meinert die Mundharmonika erklingen. Zur Begleitmusik von „We Shall Overcome“ berichtete sie, wie die israelische Regierung sie einst einlud, „Ein bisschen Frieden“ vor israelischen Soldaten zu singen. Das wäre damals eine Sensation gewesen: Ein deutsches Mädchen singt vor israelischen Soldaten. Wie im Jahr 1982 saß sie bei der Zugabe ganz schlicht auf dem Hocker und begleitete sich auf ihrer Original-Gitarre in Weiß, die den Frieden symbolisiert.