„Musik ist extrem gesund“: Jürgen Becker kommt mit politischem Sound nach Bad Meinberg

Horn-Bad Meinberg. Jürgen Becker ist seit Jahrzehnten eine feste Größe im deutschen Kabarett. Bekannt aus &bdquo;Mitternachtsspitzen“ und für seine scharfsinnigen Analysen von Politik und Gesellschaft, verbindet er Humor mit Tiefgang. Am Samstag, 15. März, steht er ab 19.30 Uhr mit seinem Programm &bdquo;Deine Disco – Geschichte in Scheiben – Wie Musik Politik macht“ auf der Bühne des Bad Meinberger Kurtheaters. Im Interview spricht der 65-Jährige über politische Musik, die Kraft von Songs und warum sich jede Bewegung ihren eigenen Soundtrack verdient.

Herr Becker, stellen Sie sich vor: Ein Alien landet auf der Erde und Sie sollen ihm nur mit einem Song erklären, was Politik ist. Welchen Song wählen Sie?

Jürgen Becker: &bdquo;Star-Spangled Banner“ von Jimi Hendrix. Der Song ist sehr politisch, weil man die Auswirkungen des Vietnamkriegs spüren kann und Hendrix die amerikanische Nationalhymne in diesem Lied interpretiert hat. Ich finde, das zeigt auch, welche Power die Musik auf der Erde hat.

In Ihrem Programm geht es um Musik, Politik und Protestbewegungen - war Musik früher wirklich politischer als heute?

Jürgen Becker: Das würde ich so gar nicht sagen, aber die Verbindung war damals stärker. Die politischen Bewegungen hatten alle einen sehr guten Soundtrack und das ist heute leider nicht mehr so - das ist das Problem. Ich bin mal bei &bdquo;Fridays for Future“ aufgetreten und habe den Veranstalter gefragt: &bdquo;Sag mal, spielt denn hier keine Band?“ Und er sagte: &bdquo;Nö, aber darum geht es hier auch nicht.“ Die hielten mich für ziemlich bekloppt, aber ich habe gesagt: &bdquo;Wenn ihr ein Thema nach vorne bringen wollt, dann müsst ihr die Emotionen bedienen - und das kann die Musik.“ Alle politischen Bewegungen, die erfolgreich waren, hatten auch einen großartigen Soundtrack. Die 68er hatten Jimi Hendrix, die Flower-Power-Bewegung Janis Joplin, die Frauenbewegung Ina Deter - da war immer richtig gute Musik. Das fehlt heute.

Was meinen Sie, warum fehlt der Klimabewegung der eigene Sound?

Jürgen Becker: Das ist natürlich auch immer ein bisschen Zufall. Als die 68er-Bewegung und die Bewegungen davor stattfanden, hatten wir zufällig die Erfindung der E-Gitarre, die dem vorausging. Der Sound der E-Gitarre hat natürlich ein revolutionäres Potenzial entfacht, das mit anderen Instrumenten nicht möglich gewesen wäre – wie mit einer Bratsche zum Beispiel. Das ist auch ein gutes Instrument, aber sanfte Töne bewegen nun mal nicht die Welt. Die Bewegungen, die unsere verknöcherte Gesellschaft mit einem Tritt in den Arsch in die Moderne befördert haben, gäbe es ohne die E-Gitarre wahrscheinlich nicht.

Wie könnte denn ein Soundtrack zu einer Bewegung wie &bdquo;Fridays for Future“ aussehen?

Jürgen Becker: Das kann ich jetzt noch nicht verraten, aber das zeige ich dann in Bad Meinberg auf der Bühne.

Was wissen Sie denn schon über den Ort, in dem Sie auftreten?

Jürgen Becker: Ich war schon oft in Bad Meinberg. Das ist ein Kurort, in dem man sich erholen kann und was für seine Gesundheit tun kann. Deswegen passt Musik eigentlich wunderbar dahin - Musik ist ja extrem gesund.

In Ihrer Ankündigung heißt es, Ihr Programm ist wie eine Radioshow auf der Bühne - wie kann man sich das vorstellen?

Jürgen Becker: Ich habe 90 Soundfiles, mit denen ich meine Worte unterlege. Das ist ein neues Format, das ich selbst entwickelt habe und es funktioniert wirklich gut. Man kann die Menschen so emotional viel stärker mitnehmen und das spiegelt sich auch in den Rückmeldungen wider.

Was für Songs bekommt das Publikum in Ihrer Disco zu hören?

Jürgen Becker: Das geht quer durch. Ich mache zum Beispiel den Kontrast deutlich, dass es Pink Floyd und Heino gleichzeitig gab. Das war schon eine tolle Zeit, in der auch Extreme nebeneinander existierten.

Gibt es denn eine Musikrichtung, mit der Sie absolut gar nichts anfangen können?

Jürgen Becker: Nein, eigentlich nicht. Ich bin da sehr offen und höre mir auch heute alles an. Das Problem ist eher, dass es heutzutage keine Soundtracks mehr gibt, die große Gruppen vereinen. Das war früher anders. Heute ist die Musik stark aufgesplittet – die einen hören House, die anderen Acid und so weiter.

Wie sieht es bei Ihren Witzen aus? Sie treten jetzt seit den 1990er-Jahren solo als Kabarettist auf - haben sich auch ihre Witze im Laufe der Zeit stark verändert?

Jürgen Becker: Auf jeden Fall. Die Haltung hat sich verändert. Früher war man auf der Bühne eher oppositionell, aber heute ist das anders. Ich muss mich von der Attitüde verabschieden, gegen die Gesellschaft zu sein – heute geht es darum, sie zu verteidigen. Die Demokratie ist in Gefahr, und deshalb muss ich aufpassen, nicht alles nur zu kritisieren und runterzumachen. Gerade in einer Zeit, in der die Demokratie insgesamt infrage gestellt wird und ständig alles schlecht geredet wird, möchte ich Hoffnung geben.

Sie haben also nicht nur Ihren Blick auf die Gesellschaft verändert, sondern sich auch als Kabarettist im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Wenn Ihr Leben eine Schallplatte wäre – welchen Titel würde sie tragen?

Jürgen Becker: Das ist eine gute Frage. Also meine erste Platte war &bdquo;Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ von den Beatles. Die vereinte ganz viele verschiedene Musikstile. Ich glaube, das passt auch sehr gut zu meinem Leben. Vielfalt ist das, was wir schätzen sollten. Was wir wieder mehr brauchen, ist die Freude an der Unterschiedlichkeit.

Persönlich Jürgen Becker ist 65 Jahre alt und deutscher Kabarettist, Autor sowie ehemaliger Gastgeber der WDR-Sendung &bdquo;Mitternachtsspitzen“. Er wurde 1959 in Köln geboren, wo er auch heute noch lebt. Nach dem Realschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung als grafischer Zeichner bei 4711 und später ein Fachhochschulstudium der Sozialarbeit. Seine Laufbahn als Kabarettist begann 1984, als er die Kölner Stunksitzung mitbegründete und deren Präsident wurde.

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