Horn-Bad Meinberg. Karin M. leidet seit vielen Jahren an der schweren Umwelt­erkrankung MCS, die immer mehr Menschen betrifft. Hervorgerufen wird sie durch verschiedenste Schadstoffe - auch in niedriger Konzentration.<br /><br />Erst seit einigen Jahren ist die Multiple Chemical Sensitivity (Vielfache Chemikalienunverträglichkeit) bekannt, ausgelöst durch Gifte in Lebensmitteln, Bekleidung und Räumen. Äußerlich sieht man Karin M. die schwere Krankheit nicht an - typisch bei MCS-Kranken. Sehstörungen, Gangunsicherheit, Bauchschmerzen, Lähmungserscheinungen im Gesicht und eine Dauererschöpfung machen ihr zu schaffen.<br /><br />Ein erster körperlicher Zusammenbruch im Jahr 1975 wird bei ihr auf eine Amalgam-Belastung durch Zahnfüllungen zurückgeführt. "Ich konnte nicht mehr essen und aufstehen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich eine Quecksilber-Vergiftung hatte", erzählt sie im LZ-Gespräch. "Für mich begann da ein entwürdigender Lebensweg, der in Isolation und Armut führte."<br /><br />Die meisten Ärzte und Psychologen, die Karin M. aufsuchte, hätten sich mit der Krankheit nicht ausgekannt, ihr nicht geglaubt und sie als Fall für den Psychiater angesehen, anstatt sich kundig zu machen. So bekommt sie keine richtige Behandlung. "Das ist für mich unterlassene Hilfeleistung", resümiert die 61-Jährige. <br /><br />Erst vor zehn Jahren erfährt sie nach einer Blutuntersuchung durch einen Umweltmediziner in Bayern, dass ihr Körper schwer mit Quecksilber, Holzschutzmitteln und Blei vergiftet ist. Sie wird als schwerkrank eingestuft - und ist es heute noch. Allergien, Unverträglichkeiten von vielen Nahrungsmitteln und eine Fibromyalgie mit Faser-Muskel-Schmerzen machen ihr das Leben schwer.<br /><br />Gesunden kann Karin M. nur durch ein gesundes Umfeld, und das ist für sie das größte Problem. Denn auch ihre derzeitige Wohnung ist belastet. "Ich reagiere darauf sensibler als andere." In ihrer Not und Verzweiflung flüchtet sie vor Tochter und Exmann. Sie sucht dringend nach einer schadstoffarmen Wohnung. "Ich komme aus der Erschöpfung seit Jahrzehnten nicht mehr heraus", sagt Karin M, "ich brauche einen Ort, wo ich mich ausruhen kann." <br /><br />Sie hält sich mit einer schmalen Rente über Wasser. Dabei ist sie eine Kämpfernatur und ein positiv denkender Mensch. Doch Entgiftungsmittel für den Darmaufbau erstattet die Krankenkasse nicht, weil sie nicht als Medikamente anerkannt sind. Nach Auskunft der Barmer Ersatzkasse gibt es in NRW auch keine geeigneten (Kur-)Kliniken. Ärzte mit einer Qualifikation als Umweltmediziner sind rar.<br /><br />Die Rentnerin hat das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen und hofft, mit ihrer Geschichte aufklären zu können. "Mir ist wichtig, dass viele verzweifelte Menschen Hilfe bekommen und nicht so einen langen Leidensweg haben wie ich."<br /><br /><span style="font-weight: bold;">Krankheitsbild Multiple Chemikal Sensitivity</span><br />Die Betroffenen reagieren mit starken Unverträglichkeiten auf vielfältige flüchtige Chemikalien wie Duftstoffe, Zigarettenrauch, Lösemittel oder Abgase - auch in niedriger Konzentration. Sie geben meist eine Vielzahl von unspezifischen Beschwerden an: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Augenbrennen, Verlust an Merkfähigkeit, Schwindel, Atemnot, Beschwerden am Bewegungsapparat, Magen-Darm-Beschwerden, Haut- und Schleimhautprobleme und diffuse Schmerzen. In der Regel nehmen die Symptome mit der Zeit zu, ebenso die Anzahl der Substanzen, die von den Betroffenen als auslösend wahrgenommen werden.<br /><br /><span style="font-style: italic;">Kommentar von Redakteurin Cordula Gröne</span>:<br /><span style="font-weight: bold;">Kranke haben ein Recht auf Hilfe</span><br />Die Beschwerden sind vielfältig, die Ursachen unklar. Immer wieder gibt es Menschen, die verzweifeln, weil keiner weiß, was sie haben und denen nicht geholfen wird. Hinzu kommt, dass sie als Hypochonder abgestempelt oder als psychisch Kranke nicht für voll genommen werden.<br /><br />Für die Multiple Chemical Sensitivity (Vielfache Chemikalienempfindlichkeit) gibt es jetzt immerhin einen Namen - und doch tun sich selbst Ärzte mit einer Umweltqualifikation damit schwer. Leistungen wie bestimmte Blutuntersuchungen können nicht abgerechnet werden, anderes wird wiederum nicht als medizinisch wirksam anerkannt.<br /><br />Zudem gibt es nicht genügend Kliniken und Fachleute, die auf diese Krankheit spezialisiert sind. Die Betroffenen haben nicht nur einen schweren Leidensweg, sondern auch keine Lobby. Derzeit sollen Leitlinien in Vorbereitung sein, die Ärzten einen Überblick über den aktuellen Wissensstand vermitteln und Handlungsempfehlungen aufzeigen. Das ist immerhin ein Anfang.<br /><br />Es müsste flächendeckend Fachärzte und Institutionen geben, die nicht nur fachkundig sind, sondern auch Hilfeleistungen darüber hinaus vermitteln können. Gerade Menschen mit wenig bekannten Krankheiten sind in unserem Gesundheitssystem verraten und verkauft. Fundamental wichtig ist ein gesundes Wohnumfeld - auch dafür müsste im Einzelfall gesorgt werden.<br /><a href="mailto:cgroene@lz-online.de">cgroene@lz-online.de</a>