Dublin (dpa). Irland schreibt Geschichte: Vor 22 Jahren machten sich Homosexuelle in dem katholischen Land noch strafbar. Jetzt stimmte das Inselvolk klar für die Gleichstellung von Homo-Ehen. Das regt die Debatte in Deutschland an.
Das irische Volk hat sich mit deutlicher Mehrheit für die Gleichstellung der Homo-Ehe ausgesprochen und damit eine Diskussion auch in Deutschland angestoßen. Als erstes EU-Land hatte das katholisch geprägte Irland am Freitag in einer Volksabstimmung mit 62,1 gegen 37,9 Prozent für die völlige Gleichstellung der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare votiert.
«Man sollte denken, was die katholischen Iren können, können wir auch», sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn der Zeitung «Die Welt». «Die Bevölkerung ist in diesen Fragen oft weiter, als wir denken.» Justizminister Heiko Maas (SPD) klagte jüngst, ein volles Eherecht für homosexuelle Paare sei in einer Koalition mit der Union «schwer realisierbar». Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding warf der SPD vor, sie verstecke sich in dieser Frage hinter dem Koalitionspartner.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt zeigte sich zuversichtlich, dass das Votum der Iren die Gleichstellung in Deutschland beschleunigt. «Die Merkel-Union wird die Debatte um die Ehe für alle nicht einfach aussitzen können.» Deutschland sei mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 Vorreiter der Gleichstellung gewesen. Inzwischen «hat uns sogar Irland überholt», kritisierte Göring-Eckardt in der «Welt».
Ähnlich wie in Deutschland stand homosexuellen Paaren in Irland bisher nur die Möglichkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft offen. Die katholische Kirche stemmte sich vergeblich gegen eine weitere Gleichstellung. Bischof Diarmuis Martin war einer derjenigen Katholiken, die sich das Ergebnis zu Herzen nahmen. «Wir sollen jetzt aufhören und uns einem Realitätscheck unterziehen, und nicht weiter die Realität leugnen», sagte er dem Fernsehsender RTE.
Viele Schwule und Lesben feierten den Erfolg des Referendums in den Straßen und Pubs von Dublin. Zahlreiche Prominente gratulierten Irland, darunter US-Vizepräsident Joe Biden, die Schriftstellerin JK Rowling und der Popsänger Ronan Keating.
Die Regierung des konservativen Premierministers Enda Kenny hatte sich vehement für die Zulassung der Homo-Ehe eingesetzt. Kenny lobte die hohe Wahlbeteiligung. Allein 60 000 Menschen hatten sich eigens für die Abstimmung ins Wahlregister eingetragen. Viele im Ausland lebende Iren kamen in ihre Heimat zurück, um abstimmen zu können.
«Das ist ein großer Tag für Irland», sagte Gesundheitsminister Leo Varadkar. Er hatte erst im Januar seine Homosexualität öffentlich gemacht. Bis 1993 waren gleichgeschlechtliche Beziehungen in Irland noch strafbar. Die Organisation Mothers and Fathers Matter, die gegen die Reform gekämpft hatte, gab sich geschlagen: Die Regierung habe das Ergebnis mit Versprechungen zu Leihmutterschaft und Adoption erreicht. «Viele Wähler haben das geglaubt, jetzt muss es auch eingehalten werden.»
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International begrüßte das Ergebnis der Abstimmung. «Es ist ein kraftvolles Signal an die Regierungen und Staaten, die weiterhin Schwulen und Lesben diskriminieren und ihre Menschenrechte verletzen», sagte Colm OGorman von Amnesty Irland.
CDU-Konservative gegen Öffnung der gleichgeschlechtlichen Ehe
Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag hat der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl Forderungen auch aus der eigenen Partei nach einer Gleichstellung Homosexueller abgelehnt. «Wir sollten uns an unsere Verabredungen halten», sagte Strobl der «Frankfurter Rundschau» am Dienstag.
Der CDU-Landesvorsitzende aus Baden-Württemberg bezeichnete den Ruf der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Christine Lüders, nach einer fraktionsübergreifenden Bundestagsinitiative als falschen Weg. Das Parlament müsse berechenbar bleiben und dürfe nicht mit Zufallsmehrheiten operieren, argumentierte Strobl.
Nach dem Ja der katholisch geprägten Iren für die völlige Gleichstellung homosexueller Paare mit der klassischen Ehe von Mann und Frau melden sich auch in der Union die Befürworter einer Reform zu Wort. «Die Öffnung der Ehe hätte natürlich für viele gleichgeschlechtliche Liebende und weit darüber hinaus einen ungeheuren Symbolcharakter», sagte der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann der «Tageszeitung». Am Ende werde man angesichts der bewussten Trennung von Kirche und Staat in Deutschland zu keinem anderen Ergebnis kommen als die Iren bei ihrem Referendum.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es, bestehende Diskriminierungen sollten beendet werden. Mit weitergehenden Vorstellungen hatte sich die SPD aber nicht durchsetzen können. So lehnt die Union ein uneingeschränktes Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ab.
Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lesben und Schwulen in der CDU, Alexander Vogt, forderte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel zum mutigen Schritt nach vorn auf. «Ich hoffe, Angela Merkel setzt sich endlich über die Blockierer in der CDU hinweg», sagte Vogt «Spiegel Online».
Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak räumte ein, dass eine Debatte über eine Öffnung der Ehe auch für schwule oder lesbische Paare Zeit brauche. «Die Politik sollte aber aufpassen, dass sie von dieser oder von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht überholt wird.» Zuvor hatte sich auch das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn für eine Reform nach irischem Vorbild ausgesprochen.
Zuspruch erhielt Parteivize Strobl vom familienpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU)). «Die Frage der Homo-Ehe ist eine hochpolitische, die wir als Union breit in CDU und CSU diskutieren müssten, wenn es Änderungsbedarf gibt», sagte Weinberg der «Süddeutschen Zeitung». «Wir wollen nicht, dass ein wesentliches politisches Thema für die Union mitten in der Legislaturperiode komplett neu justiert wird.»
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte beklagt, das volle Eherecht für Homo-Paare sei in der Koalition mit CDU/CSU «schwer realisierbar». Deswegen glaubt auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) nicht an eine Gleichstellung homosexueller Paare noch in dieser Legislaturperiode. Politiker der Oppositionsparteien Linke und Grüne forderten am Wochenende die Koalition auf, sich ein Beispiel an den Iren zu nehmen.