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Osteuropa beherrscht das Rotlicht-Milieu in Lippe

Die Wohnmobiltreffs sind eine lippische Besonderheit

Marianne Schwarzer

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Lockt Freier an: Werbetafel vor dem „Eros Wohnmobiltreff“ am ehemaligen Broker Krug bei Schmedissen. - © Bernhard Preuß
Lockt Freier an: Werbetafel vor dem „Eros Wohnmobiltreff“ am ehemaligen Broker Krug bei Schmedissen. (© Bernhard Preuß)

"Die Huren sollen ihr Leben selbst bestimmen"

Kreis Lippe. Sie sind Netzwerkerinnen im Dienste ostwestfälischer Prostituierter: Sozialarbeiterin Christina Gergovska-Naydenov und Sozialpädagogin Katharina Hontscha-Stavropoulos warten nicht, bis die Huren in ihr Büro in Herford kommen, sie gehen ins Bordell.

Gerade erst ist erstere von ihrer Tour durch Lippe zurückgekommen. „Manche Frauen freuen sich über die Abwechslung.“ Bepackt mit Stapeln von Flyern in unterschiedlichen Sprachen, sind die Beraterinnen unterwegs. Dass sie selbst Zuwanderinnen sind, ebnet ihnen den Zugang zu den Prostituierten, die weitgehend aus Osteuropa stammen. Bulgarien, Polen, Rumänien, Lettland, Russland und Litauen – aus diesen Ländern kamen im vergangenen Jahr die meisten ihrer Klientinnen.

Zeit für ein Gespräch: Wenn mal wenig Betrieb herrscht, suchen die Sozialarbeiterinnen von „Theodora“ die Frauen auf. - © Archivfoto: Bernhard Preuß
Zeit für ein Gespräch: Wenn mal wenig Betrieb herrscht, suchen die Sozialarbeiterinnen von „Theodora“ die Frauen auf. (© Archivfoto: Bernhard Preuß)

„Theodora“ missioniert nicht: „Wir wollen niemanden überreden, seinen Job aufzugeben. Es gibt durchaus Prostituierte, denen ihre Arbeit wirklich Spaß macht. Aber auch sie haben manchmal Fragen. Denen, die rauswollen aus dem Milieu, bieten wir unsere Hilfe an.“ Hilfe bedeutet, „ein gesundes, selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben in Sicherheit zu führen, angstfrei und ohne finanzielle und emotionale Abhängigkeiten.“

Am horizontalen Gewerbe verdient der Staat kräftig mit. „Prostituierte müssen Steuern zahlen“, betont Katharina Hontscha-Stavropoulos. Reich werden die wenigsten, denn sie müssen ihre Arbeitsstätte – das Zimmer im Bordell oder den Wohnwagen – mieten – für bis zu 150 Euro pro Tag.

Gerade die Osteuropäerinnen seien selten krankenversichert. Eine kostenlose Gesundheitsbetreuung wie etwa im Kreis Gütersloh bekommen sie im Kreis Lippe nicht. Seit der „Bockschein“ – die verpflichtende Untersuchung beim Gesundheitsamt – abgeschafft ist, stehen die Frauen allein da. „Darum versuchen wir auch, sie aufzuklären, ihnen Informationen über die Gefahren durch mögliche Krankheiten zu geben.“

Das ist gar nicht so einfach, denn allein 2014 waren ein knappes Viertel der Klientinnen Analphabetinnen. An sie richtet sich „Lola“, die App des Gesundheitsministeriums, die vor allem mit Piktogrammen arbeitet. Auf den Flyern, die „Theodora“ verteilt, findet sich ein entsprechender QR-Code.

Finanzen

Unter dem Dach der evangelischen Frauenhilfe in Westfalen hat sich im Jahr 2011 die  Beratungsstelle für Prostituierte in Herford unter dem Namen „Theodora“ etabliert. Damals hatte sich die Frauenhilfe bereits mit einer Anlaufstelle für die Opfer von Menschenhandel engagiert. „Doch es kamen immer mehr Frauen zu uns, die selbstbestimmt der Prostitution nachgingen, aber dennoch aussteigen wollten“, erzählt Verbandspfarrerin Birgit Reiche. Nachdem die Mittel nach dem Auslaufen der Anschubfinanzierung knapp wurden, ist im Jahr 2014 auch der Kreis Lippe mit 12.500 Euro in die Förderung eingestiegen. 2014 suchten 87 Frauen Hilfe bei „Theodora“. Immerhin ein knappes Viertel von ihnen kamen aus Lippe.
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