Kreis Lippe. Nervös ist er nicht mehr, doch der Respekt ist unvermindert sehr groß. Nach tausenden Operationen weiß Professor Ulrich Tebbe mehr denn je um den Wert des Lebens, um die zuweilen akute Not der Patienten, um die Wichtigkeit einer ruhigen Ärztehand. Nun geht der Kardiologe in den Ruhestand.
Und er geht mit einem guten Gefühl. Die Klinik ist gut aufgestellt, findet sich alljährlich in der Fokus-Liste der besten Ärzte und Kardiologen Deutschlands wieder. Die Operationsräume sind auf dem allerneuesten Stand - auch wenn es durchaus gedauert hat, bis der Hybrid-OP 2013 eingeweiht werden konnte, berichtet der 65-Jährige. Aber er weiß auch: Ein kommunales Krankenhaus wie das lippische ist relativ kompliziert zu managen, der Kreistag als politisches Gremium fällt letzte Investitionsentscheidungen oft erst nach gelegentlich quälend langer Diskussion. Hier hätte er sich mehr Mut und Vertrauen der Entscheider gewünscht: "Unsere Zahlen hätten schon gestimmt", ist er sicher. Erschwerend hinzu kommen die beiden Standorte Detmold und Lemgo.
Professor Dr. Ulrich Tebbe ist gebürtig aus Holzminden und hat in Münster und Göttingen studiert. Dort hat er auch seine Doktorarbeit über die Kardiologie geschrieben und die Leidenschaft für dieses Fachgebiet entdeckt. Zwölf Jahre hat er an der Uniklinik Göttingen gearbeitet, zuletzt als Leitender Oberarzt. Im Sommer 1990 wechselte er ins damalige Kreiskrankenhaus. "Besondere Verdienste haben sich beim Aufbau der modernen Klinik meine Leitenden Oberärzte und Bereichsleiter Dr. Dirk Härtel (Angiologie), Dr. Johannes Brockmeier (Rhythmologie) und Dr. Jürgen Götz (Intensivmedizin) erworben", lobt er. Seit 1990 seien mehr als 70.000 Eingriffe im Bereich des Herz-Kreislaufsystems bewältigt worden. Tebbes Nachfolger ist Professor Dr. Stephan Gielen, 48-jähriger Kardiologe aus Dortmund. Er ist Oberarzt der Uniklinik Halle.
Professor Tebbe war in den vergangenen 25 Jahre oft nicht nur Arzt, sondern gleichzeitig auch sozusagen Architekt, hat seine Ideen in die Abteilung einbringen und durchsetzen können. Er wusste seit 1990 nämlich immer, was er wollte. Der damalige Chefarzt der Pathologie, Prof. Dr. Günther Ralf, war ein Studienfreund und hatte ihn überzeugt, nach Detmold zu kommen. Tebbe wurde als erst 39-Jähriger sehr jung Chefarzt. "Ich konnte ihn - und den Kreistag - von meinem Konzept überzeugen, in Lippe den ersten Linksherzkathetermeßplatz aufzubauen und eine moderne invasive Kardiologie auf die Beine zu stellen." Den ersten Kathetereingriff gab es Ostern 1991. Neben der Verfeinerung der diagnostischen Verfahren sei es relativ schnell gelungen, die Behandlung der Patienten durch interventionelle Methoden zu verbessern.
Tebbe nennt die Neunziger die Aufbaujahre, die Intensivstation wurde erneuert, der Ärztestamm aufgebaut. Heute arbeiten zehn Kardiologen in Detmold, davon vier Oberärzte. "Ich hatte das große Glück, meine Tätigkeit mit einem motivierten Team aus Ärzten und Pflegekräften beginnen zu können" sagt er und ist sehr stolz, dass sechs Kollegen aus seinem Team mittlerweile anderswo Chefärzte geworden sind. Es sind auch Kardiologen aus Ägypten, Syrien oder Rumänien dabei - "Kollegen, die exzellentes Deutsch sprechen", eilt er einer kritischen Nachfrage voraus. Drei Doktoranden betreut er als außerplanmäßiger Professor der Uni Göttingen.
Er weiß von seinem sehr guten internationalen Ruf, zeigt mit Recht stolz und ohne falsche Bescheidenheit auf die zahlreichen eingerahmten Urkunden und Diplome, die er noch von der Wand nehmen muss.
Er habe ausgesprochen gerne gearbeitet, betont der Mediziner - und gerne auch länger in jetziger Position. Allerdings: In Deutschland wird Arbeitsfähigkeit nach Lebensjahren beurteilt, hier ist mit 65 Jahren eben Schluss. Doch die Arbeit wird ihn nicht loslassen. Zwar will er mehr lesen und die "Seele baumeln lassen", was sich wohl alle frisch pensionierten Menschen vornehmen. Aber er will und wird im Geschäft bleiben. Privatsprechstunden anbieten, in anderen Kliniken aushelfen, als Gutachter in Schlichtungsstellen tätig sein.
Und er bietet Patienten, die vor schwierigen Entscheidungen stehen, eine "zweite Meinung" an. "So werde ich das Arbeitsleben langsam ausschleichen lassen", hat Tebbe sich vorgenommen. Und er will das, was er seit Jahrzehnten predigt, selbst in Tat umsetzen - mehr Sport machen nämlich, wieder Tennis spielen.
Dann blickt er auf die nächsten Jahre "seiner Klinik". Es müsse weitergehen: "Um die Behandlungsabläufe weiter zu verbessern, ist eine Aufstockung der personellen und apparativen sowie der Ausbau der räumlichen Kapazitäten erforderlich", fordert er.
Es sei zu hoffen, dass weiter genügend Mittel zur Verfügung stehen, damit die Klinik bei der stürmischen Entwicklung in der Herz-Gefäßmedizin ihren Spitzenplatz behaupten kann.