Kreis Lippe. Sie hantieren nicht mit Schraubenziehern oder Brecheisen, sondern greifen zu Handy, Laptop und anderen elektronischen Hilfsmitteln, um Fahrzeuge zu stehlen. Zu einer solchen „modernen Autoknackerbande" gehörte ein 28-jähriger Litauer, den das Detmolder Landgericht wegen schweren Bandendiebstahls zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt hat.
Zu Beginn der Verhandlung gestand der Angeklagte, dass er an sechs von insgesamt 21 angeklagten Diebstählen beteiligt gewesen sei. Dabei verursachte er einen Schaden von 360.000 Euro – der Gesamtschaden liegt bei 1,3 Millionen Euro.
Was Autobesitzer tun können
Wer ein Fahrzeug mit Keyless-System besitzt, kann die Funktion bei einigen Autos abschalten. Falls nicht, lässt sich das Funksignal des „Drückers" abschirmen: Entweder man bewahrt ihn in einer Metalldose auf, oder man umwickelt das Teil mit Alufolie, wie Kripobeamte raten. Zuhause kann man das Teil auch im Kühlschrank oder im Brotkasten deponieren, sofern er aus Metall besteht.Immer wieder war der Litauer von Februar bis April dieses Jahres nach OWL eingereist, um mit mehreren Bandenmitgliedern, deren Namen er nicht nannte, hochwertige Fahrzeuge der Marken BMW, Volvo und Audi in Oerlinghausen, Bielefeld und Geseke zu stehlen. Dabei wurden die Fahrzeuge, die mit dem sogenannten „Keyless-Go-System" gesichert waren, mittels technischer Hilfsmittel von der Bande geöffnet. Bei diesem Schließsystem reicht es aus, wenn sich der Besitzer dem Wagen nähert, damit die Autotür sich öffnet.
Die Ermittlungen hatten ergeben, dass die Bande „hochprofessionell arbeitsteilig gehandelt hat und die Autos sofort über die polnische Grenze nach Litauen gebracht hat", sagte ein Polizeibeamter im Zeugenstand. An der deutsch-polnischen Grenze wurde der 28-jährige Maler im April nach umfangreichen Ermittlungen in einem gestohlenen Wagen festgenommen und sitzt seit der Zeit in Untersuchungshaft. Neben dem Geständnis machte er keine weiteren Angaben zur Arbeit der Bande. Er nannte keine Namen möglicher Hintermänner und auch zu Tatdetails oder den Käufern der gestohlenen Wagen schwieg er.
Zunächst hatte der einschlägige vorbestrafte Litauer eine Tatbeteiligung an „nur vier" der insgesamt 21 Diebstähle eingeräumt. Doch als ein Zeuge mit einem Blitzerfoto auftauchte, das kurz nach dem Diebstahl seines Wagens am Bielefelder Berg geschossen wurde und auf dem der 28-Jährige zu erkennen war, räumte er zwei weitere Fälle ein.
Dies änderte nichts am Strafrahmen, darüber hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung verständigt, der zwischen dreieinhalb und viereinhalb Jahren liegen sollte. Am Ende wurde er zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. „Wir können ihm nicht nachweisen, dass er an allen 21 Fällen beteiligt war", sagt Richter Karsten Niemeyer in der Urteilsbegründung. Die gesamte Haft muss der Litauer nicht in einem deutschen Gefängnis verbüßen – nach der Hälfte der Strafe soll er nach Litauen abgeschoben werden. Das Urteil quittierten einige Betroffene mit Kopfschütteln. „Die verursachen einen so hohen Schaden und kommen mit so milde Strafe davon", schimpfte ein Opfer.
Der ADAC hat die Masche überprüft
Die Masche ist ganz simpel, um das schlüssellose System auszutricksen und sich ein Auto unter den Nagel zu reißen, ohne es zu beschädigen. Dabei arbeiten zwei Täter Hand in Hand.
Der eine begibt sich in die Nähe des Schlüssels beim Besitzer. Das kann an der Haustür sein, aber auch beispielsweise am Nachbartisch im Café. Mit einem speziellen, nach Auskunft des Allgemeinden Deutschen Autoclubs (ADAC) leicht herstellbaren Gerät, verstärkt er die Funksignale des Schlüssels, die permanent gesendet werden. Sein Komplize steht derweil bereits am Wagen und kann dank der verlängerten Funkreichweite einfach einsteigen, den Startknopf drücken und losfahren.
Der ADAC hat die Probe aufs Exempel gemacht. Seine Experten untersuchten, bei welchen Fahrzeug-Keyless-Schließsystemen sich die Autos per „Reichweiten-Verlängerer" knacken lassen – also sowohl öffnen als auch starten, ohne dass das Fahrzeug Schaden nimmt oder die Alarmanlage losgeht. Die erschütternde Bilanz: Das funktioniert bei allen 20 der getesteten Marken. Allerdings ist die Keyless-Funktion bei einigen der getesteten Fahrzeuge, beispielsweise bei einem Mercedes und einem Renault, deaktivierbar. Die Liste hat der Automobilclub im Netz veröffentlicht.
Bei BMW gehört Keyless-Go zu den Sonderausstattungen. Doch die Berichterstattung über die Unsicherheit der Keyless-Systeme schreckt die Kunden nicht ab, meint J. Kiko Pfau, Filialleiter des BMW-Händlers B&K in Detmold. Er habe noch keine gezielten Kundennachfragen gehabt. „Ich glaube, das ist in den Medien auch Panikmache", sagt er dazu. „Wenn sich unsere Kunden um etwas sorgen, dann eher um den Diebstahl der Navigationseinheiten."
Wenn es so einfach ist mit dem Keyless-System Autos zu stehlen, bringt das die Versicherer in Probleme? – Norbert Helmhold gibt zumindest für die Kunden der Lippischen Landes-Brandversicherung Entwarnung: „Das Thema ist bei uns auf der Schadenseite ziemlich unauffällig." Im Klartext: Die Zahl der Autodiebstähle, bei denen die Versicherung einspringen muss, ist kaum gestiegen.