Kreis Lippe. Barbie steigt aufs Hoverboard, ein Drache speit einen feinen Sprühnebel als „Feuer" und „röstet" damit seinen Marshmellow, und ein kleines Küken pickt sich bei entsprechender Pflege selbst aus dem Ei. Die Technik greift im Kinderzimmer immer weiter um sich, das zeigt auch die Liste der Top 10 beim Deutschen Verband der Spielwarenhändler. Lipper lieben es allerdings anscheinend etwas bodenständiger.
Die fliegende Barbie ist beispielsweise bei Spielzeug Schönlau in Detmold noch nicht nachgefragt worden. „Die Renner sind bei uns immer noch Lego oder Playmobil", heißt es hier auf Anfrage der LZ. Doch auch bei den Klassikern unter den Aufbauspielen spielt die Technik eine immer größere Rolle. In der Produktlinie Lego Nexo Knights beispielsweise verbinden sich die reale und die digitale Spielwelt miteinander, da lassen sich im passenden Smartphone-Spiel digitale Kräfte freischalten. Und selbst bei der guten alten Carrera-Bahn lassen sich nicht nur Runden fahren, sondern per App passende Spiele nutzen.
Die Top-10-Liste des Handelsverbandes stellt eine Jury aus Spielwaren-Profis und Experten aus dem Spielwarenfachhandel zusammen. Und auch in diesem Jahr kommen sie zu dem Schluss: „Am liebsten spielen Kinder die große Welt im Kleinen nach." Das kann der Reiterhof bei Schleich, ein Kreuzfahrtschiff bei Playmobil oder auch ein Modellbauauto schon für Vierjährige sein. Was als Buch zum Antippen bei Tip-Toi begann, bietet jetzt ganze Welten aus Gebäuden, Fahrzeugen und Spielfiguren, die jetzt auf Berührungen mit dem magischen Stift mit Geräuschen oder Informationen reagieren.
Das elektronische Hatchimal-Küken als Nachfolger des „Tamagotchi" fällt als Geschenk unterm Tannenbaum weitgehend aus, ist bei Spielwaren Niehaus in Lemgo zu erfahren: „Es ist vor März nicht lieferbar." Das bestätigt sich auch bei Teddy Toys Kinderwelt in Bad Salzuflen. „Da ist schon seit Wochen nicht mehr dranzukommen."
Zweiter Bestseller sei der genannte Reiterhof von Schleich, inklusive des Pferdeanhängers: „Auch da ist vor Weihnachten nichts mehr zu machen." Dauerbrenner seien wie jedes Jahr die Lego-Produkte, „das ganze Regal rauf und runter." Willy Fischel, Bundesgeschäftsführer des Handelsverbandes Spielwaren, zeigt sich begeistert vom Angebot 2016: „Ob digital oder analog – das Spielzeug war noch nie so kreativ und fantasievoll wie heute. Kinder bauen, lernen und meistern Herausforderungen."
Pro: "Quarantäne bringt nichts"
von Thomas Reineke
Die Kinder im 21. Jahrhundert wachsen in einer digitalen Welt auf. Das mag man gut oder weniger gut finden – aber die Technik macht nicht vor dem Kinderzimmer Halt. Selbst wer sich als Eltern emsig darum bemüht, den Nachwuchs „analog" zu erziehen, wird sich kaum dauerhaft der Tatsache erwehren können, dass die Hightech-Helferlein mit ihren Bildschirmen und den zigfachen Möglichkeiten eine ungeheure Faszination auf Kinder ausstrahlen. Sie komplett davon fernzuhalten, wäre weltfremd und für die Entwicklung auch nicht förderlich.
Zu wichtig ist das Beherrschen und das richtige Einsetzen von Handy, Internet & Co. Deshalb: Eine technische Quarantäne fürs Kinderzimmer bringt nichts. Was aber auf der anderen Seite auch nicht heißt, den Nachwuchs ungebremst dem Elektrosmog auszusetzen. Das richtige Maß und der Wechsel zwischen analoger und digitaler Spielewelt sind gefragt – inklusive der Vereinbarung einer maximalen Daddelzeit pro Tag. In dem Punkt hingegen sollten Eltern keine Kompromisse eingehen – und selbst ein Vorbild sein.
Contra: "Weniger ist eindeutig mehr"
von Marianne Schwarzer
Barbie steigt aufs Hoverboard, das Küken pickt sich nach entsprechender Pflege aus dem Ei, die Carrera-Autobahn macht erst mit dem Smartphone richtig Spaß und der Spielzeugdrache speit auf Berührung einen Sprühnebel: Immer mehr Elektronik macht sich im Kinderzimmer breit. Aber zieht man den Stecker, ist Schicht im Schacht.
Sicher müssen unsere Kinder sich in unserer digitaler werdenden Welt zurecht finden, und da mag das eine oder andere elektronisch unterstützte Spielgerät wie die Tip-Toys hilfreich sein. Doch sollten nicht schon im Kinderzimmer stereotype Antworten vom elektronischen Band oder Daddelspiele die Kreativität bremsen.
Viel wichtiger als die Kommunikation mit programmiertem Spielzeug ist das Spiel mit Gleichaltrigen. Wie gut, dass noch immer die Spielzeugwelten a la Playmobil oder Lego zu den Kassenschlagern gehören. Und auch wenn die gute alte Puppenstube längst vom Kreuzfahrtschiff oder Jestros Vulkanfestung abgelöst ist: Es geht doch nichts über ein fröhliches Rollenspiel.
Kontrolleure unterwegs
Sieben Mitarbeiter der Bezirksregierung kümmern sich im Außendienst um die Marktüberwachung. Sie gehen unter anderem in die Einzelhandelsgeschäfte und überprüfen etwa, ob Waren mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet sind. Spielzeug für Kinder unter drei Jahren darf beispielsweise keine verschluckbaren Kleinteile aufweisen. „Wenn man beim Teddybär die Augen rausprockeln kann, ist das für Kleinkinder gefährlich", sagt der Experte.Wie der Bundesverband der Spielwarenindustrie in Nürnberg mitteilt, halten sich die deutschen Hersteller an die Bestimmungen. „Kritisch wird es bei Bestellungen aus dem Internet, da haben Sie als Kunde wenig Kontrollmöglichkeiten", sagt Pressesprecher Wolf Günthner. „Eine Rückrufaktion eines Verbandsmitgliedes hat es seit Ewigkeiten nicht mehr gegeben."
Allerdings sei Spielzeug beispielsweise aus Fernost nicht automatisch Schrott, heißt es bei der Bezirksregierung: „Die Qualität hängt nicht vom Herstellerland ab." Sollte es Mängel mit importierter Ware geben, wenden sich die Kontrolleure nicht an den ausländischen Hersteller, sondern an den, der sie auf dem deutschen Markt in Umlauf bringe.