Kreis Lippe. Anschaulicher lassen sich die Folgen des Klimawandels kaum zeigen: Professor Manfred Sietz von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe benutzt Eiswürfel, um Nachhaltigkeit zur messbaren Größe zu machen. Sein just erschienenes Fachbuch zeigt, wie das Eiswürfelmodell zur Energieeffizienz beiträgt.
„Ich bin in großer Sorge: Jahrzehntelange weltweite Bemühungen rund um den Klimaschutz sind aktuell gefährdet", sagt Professor Manfred Sietz vom Fachgebiet Chemie und Umweltmanagement der Hochschule Ostwestfalen-Lippe am Standort Höxter. Sietz plädiert deshalb umso mehr für klare Worte in der Diskussion über den Klimawandel.
„Nachhaltig ist alles, was die Ressourcen- und Energieeffizienz erhöht und so den Klimawandel verlangsamt. In Politikerreden wird der Begriff Nachhaltigkeit jedoch immer mehr entwertet", sagt Sietz und betont: „Die Zeit ist mehr als reif dafür, Nachhaltigkeit messbar zu machen – denn nur dann kann sie in verständliche Ziele umgesetzt werden."
Nun hat der Professor der Hochschule OWL den Wärmefußabdruck entwickelt und in einem im Springer-Verlag erschienenen Fachbuch veröffentlicht. Gemessen wird die Abwärme, die bei jeder Energienutzung entsteht: „Bei allem, was wir tun, wird Abwärme ungenutzt in die Atmosphäre freigesetzt – beispielsweise durch Reibung. Diese Abwärme ist eine der Hauptursachen für den Klimawandel, neben Kohlendioxid und Überkonsum", so Sietz.
Mit dem „Wärmefußabdruck" lasse sich die Nachhaltigkeit eines Unternehmens, eines Hauses oder eines Produktes darstellen: Es handelt sich dabei um die Grundfläche eines Eiswürfels, der durch die freigesetzte Abwärme in einem Jahr geschmolzen wird – und das unwiderruflich, denn einmal geschmolzenes Eis kann nur durch erneute Energiezufuhr wieder gefroren werden.
Wie weit fährt beispielsweise ein Auto, um einen Eiswürfel mit zehn Zentimetern Kantenlänge unwiderruflich zu schmelzen? Bei einem durchschnittlichen Mittelklassewagen lautet die Antwort: 200 Meter. Das Problem: Der Wirkungsgrad eines Autos liegt durchschnittlich bei nur rund 30 Prozent. 70 Prozent der Energie dienen also nicht dem Vorankommen des Fahrzeugs, sondern strömen als Wärme in die Umgebung.
Wer jetzt angesichts der weltweiten Menge an Autos und gefahrenen Kilometer schmelzende Gletscher und Polkappen vor Augen hat, spürt die Anschaulichkeit des Eiswürfelmodells. Und genau das ist das Ziel des Höxteraner Wissenschaftlers: „Wärmefußabdrücke sind durch die Darstellung in Eiswürfeln leicht verständlich. Durch eine Optimierung der Energieeffizienz und durch sinnvolle Nutzung der anfallenden Abwärme kann der Wärmefußabdruck positiv beeinflusst und so ein Mehrwert an Nachhaltigkeit gewonnen werden." Und der unwiderruflich verbrauchte Eiswürfel wird kleiner.
Durch die Berechnung des Wärmefußabdrucks könnten industrielle und private Verbraucher verglichen werden – miteinander und über Jahre hinweg. „So lässt sich auch die Verantwortlichkeit eines jeden Verbrauchers am Klimawandel durch ein einfaches Modell darstellen", betont der Wissenschaftler.
Wärmefußabdrücke auch in OWL
Manfred Sietz lehrt seit 27 Jahren an der Hochschule OWL. Im Jahr 2013 hat er den Wärmefußabdruck erstmals auf einer internationalen Tagung in Wien vorgestellt. In den folgenden drei Jahren hat er Energieverbräuche, Wärmeverluste und Einsparmaßnahmen in Unternehmen analysiert – vor allem in der Region Ostwestfalen-Lippe.„Ich habe gemeinsam mit vielen Firmen ihren individuellen Wärmefußabdruck erstellt. Mithilfe der Eiswürfel konnten sie die Auswirkungen und Erfolge ihres Energiemanagementsystems sehen und verstehen", sagt Sietz und betont: „Vor allem wenn der geschmolzene Eiswürfel über die Jahre immer kleiner wird, hinterlässt das großen Eindruck." Zwei Praxisbeispiele aus der Industrie sind auch in das 2016 erschienene Fachbuch „Wärmefußabdrücke und Energieeffizienz" eingeflossen. Weitere Unternehmen sollen in Zukunft folgen – außerdem sieht Sietz eine mögliche Anwendung des Wärmefußabdrucks in der Normierung von Energieeffizienz.
Manfred Sietz (Hg.): „Wärmefußabdrücke und Energieeffizienz", Springer-Verlag 2016. 212 Seiten, 49,99 Euro. ISBN 978-3-662-49934-4