Amazon-Logistikzentrum im Industriepark Lippe: Das sagt die Wirtschaft dazu

Kreis Lippe. Da kommt Bewegung in den ostwestfälischen Arbeitsmarkt: Der Online-Gigant Amazon will – wie berichtet – mit einem Logistikzentrum ins kleine Belle kommen und dort bis zu 1100 Stellen für gelernte und ungelernte Kräfte schaffen. Die Reaktionen auch im Bereich der lippischen Wirtschaft reichen allerdings von Begeisterung bis zu großer Skepsis.

Auf 50.000 Quadratmetern soll ein Zentrum entstehen, in dem 24 Stunden an sechs Tagen im 2- bis 3-Schicht-System gearbeitet werden soll, im Weihnachtsgeschäft sollen durchschnittlich 220 Lastwagen am Tag den Industriepark ansteuern. Der größere Teil an Lkws aus Kassel und Hamburg käme über die Ostwestfalenstraße. Belle selbst werde nicht sehr stark tangiert, sagte Rother.

Bei der Ausschusssitzung in Horn-Bad Meinberg hatte der Handelsriese schon mal in einer Power-Point-Präsentation massiv für sich als Arbeitgeber geworben: Logistikmitarbeiter starten demnach bei Amazon mit mindestens 11,10 Euro Brutto pro Stunde, nach 24 Monaten seien es im Durchschnitt 2500 Euro Brutto im Monat, inklusive zusätzlicher Leistungen wie leistungsbezogener Boni.

Arbeitsbedingungen &bdquo;Zusätzlich profitieren Mitarbeiter von einem Aktienprogramm und weiteren Zusatzleistungen wie Sondervergütung für Überstunden, Lebens- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Beiträgen für die betriebliche Rentenversicherung", preist der Konzern sich an. Ursula Jacob-Reisinger, Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Handel bei der Gewerkschaft Verdi und Vorsitzende der Linken Kreistags-Fraktion in Lippe, gießt da allerdings Wasser in den Wein: &bdquo;Dann stellt sich doch die Frage, warum Amazon immer noch nicht nach Tarif zahlt und die Leute auch vernünftig eingruppiert", wie es die Gewerkschaft seit Jahr und Tag fordere.

&bdquo;Natürlich ist es toll, wenn in Lippe mehr Arbeitsplätze entstehen", betont sie. Doch die müsse man sich ganz genau ansehen: In den seltensten Fällen handele es sich um unbefristete Arbeitsverhältnisse. &bdquo;Eine Entfristung passiert erst nach zwei Jahren, wenn überhaupt." Und nach wie vor gehe es hier um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die später im Alter nicht zu einem auskömmlichen Leben führten. &bdquo;Um bei der Rente über die Grundversorgung zu kommen, müssen Sie mindestens 12,53 Euro Stundenlohn bekommen." Ganz zu schweigen vom Arbeitsklima, gerade erst hätten Mitarbeiter von Amazon über den großen Druck gesprochen, der innerbetrieblich herrsche.

Amazon im Niedriglohnsektor Gleichwohl könnte es passieren, dass es gerade im Niedriglohnsektor eine Verschiebung bei den Arbeitskräften weg von anderen lippischen Unternehmen hin zu Amazon gebe. &bdquo;Im Einzelhandel werden die Verkäuferinnen und Kassiererinnen oft sogar noch schlechter bezahlt", sagt Jacob-Reisinger.

Die Möglichkeit, dass sich etwas verschiebt, sieht auch Maria Klaas, Geschäftsführerin bei der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold. &bdquo;Natürlich bergen solche Konditionen wie bei Amazon eine Gefahr für all die Arbeitgeber in der Region, die mit ihren Vergütungen darunterliegen und keine Zusatzleistungen anbieten." Allerdings müsse man auch erst mal schauen, ob jemand im Niedriglohnsektor sich beispielsweise vom anderen Ende Lippes nach Belle aufmachen würde. &bdquo;Und die Frage ist, wie viele Arbeitskräfte holt sich Amazon vom freien Arbeitsmarkt." Die IHK-Geschäftsführerin kann sich gut vorstellen, dass vor allem Empfänger von Arbeitslosengeld II als Kandidaten in Frage kämen. &bdquo;Denn beim Arbeitslosengeld I haben wir ja quasi Vollbeschäftigung." Und noch etwas fällt ihr dazu ein: &bdquo;Geld ist nicht immer alles, es müssen auch das Betriebsklima und das Arbeitsumfeld stimmen."

Doch noch stehe man ganz am Anfang: &bdquo;Amazon kann ja auch nicht hexen, das heißt, da müssen erst einmal die Planungen stehen, dann wird gebaut und eingerichtet." Die Zwischenzeit ließe sich beispielsweise nutzen, um auf Arbeitskräfte hinzuarbeiten, etwa mit Schulungen oder anderen Maßnahmen.

Heinz Thiele, Chef der Agentur für Arbeit in Detmold, stellt zunächst mal gar nicht die Arbeitsbedingungen in den Mittelpunkt. &bdquo;Wir freuen uns erst einmal, dass da die Hoffnung auf rund 1000 Arbeitsplätze besteht." Und selbstverständlich werde die Arbeitsagentur alles daran setzen, das Unternehmen bei der Suche nach Arbeitskräften – gelernten wie ungelernten – zu unterstützen. &bdquo;Sobald wir Ansprechpartner haben, sind wir sofort dabei."

Offene Fragen und Skepsis Aber bei aller Euphorie, die nun an der einen oder anderen Stelle ausbreche, müsse man erst einmal abwarten. Thiele: &bdquo;Mir stellen sich mehrere Fragen: Sind es denn wirklich 1000 Arbeitsplätze oder sind es am Ende nur die Hälfte, die da entstehen? Wie viele Arbeitsplätze brauchen welche Qualifikation? Und von welchem Zeitraum reden wir hier eigentlich genau?"

Gleichwohl genieße das Thema bei der Agentur für Arbeit Top-Priorität: &bdquo;Wir schließen uns natürlich mit den anderen Arbeitsagenturen in der Region kurz." Das habe jüngst geklappt, als der Nachfolger des Möbelhauses Finke, Höffner, 300 Mitarbeiter gesucht habe. &bdquo;Da haben wir die Paderborner Kollegen auch unterstützt."

Amazon habe nun ja angekündigt, dass auch IT-und Führungskräfte gesucht würden. &bdquo;Da kann es natürlich auch sein, dass da eine Konkurrenz beispielsweise für die heimische Industrie entsteht."

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