Vom Metzger zum Mörder: Lemgoer ersticht Prostituierte im Oktober 2003

Lemgo/Bielefeld. Aus dem Kofferraum seines Opel Corsa tropft Blut, als Hannes K.* am 20. Oktober 2003 in Bielefeld mit zwei geplatzten Reifen liegen bleibt. Die Straßenbahnschienen sind dem Lemgoer auf seiner Flucht zum Verhängnis geworden. Panisch versucht der 34-jährige Fleischergeselle, den Wagen wieder in Gang zu bringen. Vergeblich. Zeugen fällt das blutverschmierte Fahrzeug auf, sie melden es umgehend der Polizei. Kurze Zeit später wird der Lemgoer gestellt. Gegen 23 Uhr muss er den Kofferraum öffnen. Im Inneren offenbart sich Unvorstellbares.

"Was wir gesehen haben, wird keiner von uns je vergessen", zitiert der Gerichtsreporter die Worte eines Polizeibeamten in der LZ vom 24. Mai 2004. Im Kofferraum des Lemgoers finden die Beamten in jener Nacht eine nahezu nackte Frauenleiche. Ihr Körper ist mit Messerstichen übersät, die Rechtsmediziner zählen später 37 brutale Einstiche - viele davon durchbohrten Leber, Lunge und Herz. Ein Fleischermesser steckt in dieser Nacht noch im Hals des Opfers, als sich der Kofferraum öffnet.

Die Identität der Frau ist schnell geklärt. Chantal P. wird nur 31 Jahre alt. Sie stammt aus Italien und verdient ihr Geld als Prostituierte. Als Tatverdächtiger kommt nur der Fahrer des Wagens infrage. Hannes K. redet sich nicht raus, er gesteht. Ein bestimmtes Ziel habe er auf seiner Flucht nicht gehabt, sagt er den Ermittlern. Doch was war passiert?

Weder vorbestraft, noch auffällig In seiner Heimatstadt Lemgo gilt der 34-Jährige als unauffälliger und freundlicher Zeitgenosse, heißt es am nächsten Tag in der LZ. Er arbeitet als Fleischergeselle in der Großküche des Lemgoer Klinikums. Vorbestraft ist K. nicht, er wohnt zur Miete bei einem Jäger. Dieser verrät der Zeitung, noch am Tag vor der Tat mit K. einen Hirsch zerlegt zu haben. Erst hinterher habe der Jäger festgestellt, dass eines der Messer fehlt. Dieses hat Hannes K. womöglich dabei, als er sich am Montagabend in seinen Corsa setzt und zum Bielefelder Hauptbahnhof fährt. Er habe mehrere Messer eigentlich schleifen lassen wollen, gibt er später an, doch vorher geht K. einem anderen Bedürfnis nach: Sex.

Die Prostituierten vor Ort kennen den Lemgoer schon länger, er ist Stammgast am Bahnhof. Überwiegend arbeiten hier drogenabhängige Frauen, das weiß K. Mit Chantal P. wird sich der 34-Jährige schnell einig. 40 Euro will P., die in einer Bielefelder Sozialwohnung lebt, für ihre Dienste haben. K. stimmt zu, zahlt direkt.

Auf einem nahegelegenen Parkplatz an der Hauptstraße haben die beiden Sex im Auto. Danach wird der Lemgoer wütend und fordert sein Geld zurück. Der Grund: Er sei nicht zum Höhepunkt gekommen, das vermutet die Staatsanwaltschaft. Als sich Chantal P. weigert, ihm das Geld zurückzugeben, greift Hannes K. nach zwei Fleischermessern auf dem Sitz und sticht unaufhörlich auf die junge Frau ein. Mit solcher Wucht, dass die 31-Jährige wenige Minuten später stirbt.

Geplatzte Reifen beenden die Irrfahrt Hannes K. hievt die Leiche in den Kofferraum und flüchtet. Doch in seiner Verwirrung gerät der Täter auf die Straßenbahnschienen. Zwei geplatzte Reifen vereiteln seine Flucht, aufmerksamen Passanten fällt das blutverschmierte Auto auf. Seine Irrfahrt ist beendet. K. kommt in U-Haft.

Ein halbes Jahr später vor Gericht nimmt der Lemgoer seine Aussage zurück, die Prostituierte wegen des Geldes erstochen zu haben. Es sei ihm um etwas anderes gegangen, sagt seine Verteidigerin im Prozess. Die wahren Gründe, weshalb Chantal P. sterben muss, nennt er nicht. Nach LZ-Recherchen soll K. zwei Wochen vor der Tat eine andere Prostituierte vom Drogenstrich nach "vollzogener Dienstleistungen" ebenfalls bedroht und die Bezahlung zurückverlangt haben. Sie knickt ein und gibt ihm das Geld. Womöglich blieb sie deshalb am Leben.

Hannes K. wird im Sommer 2004 wegen brutalen Raubes und Mordes vor dem Schwurgericht Bielefeld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

*Alle Namen von der Redaktion geändert

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