Regionales Fleisch wird stärker nachgefragt

Kreis Lippe . 20.000 Schweine wurden bei Tönnies geschlachtet, nach dem Corona-Desaster ist in Rheda-Wiedenbrück erst einmal Schluss. Die gute Nachricht, wenn Sie kein Vegetarier sind: Das Fleisch wird in Lippe in den Fachgeschäften trotzdem nicht knapp.

Die Mengen, die der Großschlachthof auf den Markt wirft, sind eher in den SB-Theken der Discounter zu finden, in Fertigmenüs oder im Angebot der Fastfood-Ketten. Die Landwirte und Fleischereien in Lippe haben überwiegend andere Bezugswege, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Fleischerinnung der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, Andreas Grämmel.

Er arbeitet mit der Erzeugergemeinschaft EGO zusammen, unter der Marke Eichenhof wird das Fleisch verkauft. Es stammt von Landwirten aus der Region. In Georgsmarienhütte werden jährlich 570.000 Schweine geschlachtet. Ein gewisses Volumen braucht auch Grämmel, 50 bis 60 Schweine die Woche werden verarbeitet. &bdquo;Das müssten die Landwirte vor Ort auch verlässlich liefern können, aber es gibt immer weniger, die Schweine anbieten."

&bdquo;Wir können nicht mit den Billigpreisen mithalten"

Die Tiertransporte stünden immer wieder in der Kritik. &bdquo;Es gibt nur wenige Schlachthöfe, also muss das Vieh weiter transportiert werden", sagt Grämmel. Früher sei das anders gewesen, der Unterhalt der Schlachthöfe habe in kommunaler Hand gelegen, später sei dann alles privatisiert worden. Und dann sei auch alles größer und industrieller geworden – die Frage nach den Arbeitsbedingungen werde zu Recht kritisiert. &bdquo;Das ist aber lange bekannt, die Politik hat da nur nichts gemacht", sagt Grämmel.

Im Handwerk setze man so gut wie keine Leiharbeiter ein und zahle nach Tarif. Allerdings sei es auch nicht so, dass die Arbeitskräfte Schlange stehen. In diesem Jahr habe er einen Lehrling aus Lippe geprüft. Letztlich sei es eine Frage der Wertschätzung. &bdquo;Wir können nicht mit den Billigpreisen mithalten, sondern setzen auf Qualität, zahlen nach Tarif – das kostet mehr, und das muss es den Verbrauchern auch wert sein."

Dass es schwierig wird, die Schweine überhaupt schlachten zu lassen, weil Tönnies dicht ist, sieht Stefan Berens, Leiter der Landwirtschaftskammer, nicht. Noch nicht, schränkt er gleich ein. Die Tiere haben so etwas wie eine Galgenfrist bekommen, sie dürfen schwerer im Schlachthof angeliefert werden. &bdquo;Wir hören, dass es bislang klappt, sie zu anderen Schlachthöfen umzulenken. Westfleisch ist auch wieder geöffnet." Im Kreis Lippe gebe es traditionell Verbindungen der Landwirte zu EGO, denn dieser Betrieb in Georgsmarienhütte habe die ehemalige Fleischfabrik Pieper übernommen. &bdquo;Der spielt in dieser Region durchaus eine Rolle", sagt Berens. Bei der Gesamtbetrachtung des Marktes spiele noch mehr eine Rolle: Tönnies hat nicht nur geschlachtet, sondern auch zerlegt. &bdquo;Das passiert jetzt auch nicht mehr, das Fleisch lässt sich aufbewahren, aber irgendwann sind die Kühlhäuser voll." Für die Verbraucher zeichne sich nicht ab, dass das Fleisch knapp werde und es werde auch nicht teurer, die Preise seien rückläufig.

&bdquo;Wer bei uns einkauft, hat nicht die Geiz ist geil -Mentalität" Allerdings ist es die Nachfrage auch. Der Pro-Kopf-Fleischverbrauch sei in den vergangenen Jahren von 80 auf 60 Kilogramm pro Jahr gesunken. Und positiv sei, dass die Nachfrage nach regionalen Produkten wachse. Allerdings sei die schwer sicherzustellen. &bdquo;Wenn es Metzger gibt, die selber wieder schlachten wollen, dann sind die Auflagen derart hoch, dass sie es lieber sein lassen."

Wenn man regionale Strukturen in ländlichen Gebieten wie Lippe ausbauen wolle, dann müssten die &bdquo;Aufsichtsbehörden jetzt mal in sich gehen und kleinere Schlachtanlagen genehmigen – ohne den Industriestandard anzulegen". Das Tierwohl könne und müsse man dabei im Auge behalten. &bdquo;Die Verbraucher fragen das vermehrt nach, die Direktvermarkter haben ein gute Chance."

Auch Stefan Tönebön hat kurz nach dem Skandal die Vorsicht der Kunden gespürt. Die Zurückhaltung habe allerdings nur zwei Tage angehalten. &bdquo;Es fragen jetzt mehr Kunden nach Herkunft und Haltung. Wir haben einen Ruf, und die Kunden vertrauen uns. Das ist ein Vorteil für regionale Einzelhändler", sagt Tönebön. &bdquo;Wer bei uns einkauft, hat nicht die Geiz ist geil -Mentalität", sagt Tönebön, der pro Woche etwa 70 bis 80 Schweine in Barntrup schlachtet. Er verweist auch auf die Politik, die jahrzehntelang die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen habe.

Dennoch warnt er davor, die Tönnies-Mitarbeiter zu stigmatisieren. &bdquo;Noch sind die Werke hier in Deutschland und der Staat kann die Arbeit überwachen." Wenn alles abwandere nach Osteuropa, dann habe niemand mehr die Möglichkeit, irgendeinen Einfluss zu nehmen.

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