Lemgoer dreht für Menschen mit Behinderung Erklärfilm zur Kommunalwahl

Kreis Lippe. Die Hände zittern, eigentlich tun sie das immer. Nur wenn sich August Buskies ganz stark auf eine Sache konzentriert, dann ruhen sie. Die angeborene Nervenerkrankung beeinträchtigt den Lemgoer zwar, aber seinen Willen stärkt sie. Buskies will anderen Menschen mit Beeinträchtigungen Mut machen, und so hat er eine Hauptrolle übernommen. In einem Film zeigt er, was man bei der Wahl beachten muss.

Kein Zweifel: Die Filmrolle hat August Buskis richtig Spaß gemacht. Stolz schildert er, dass der Dreh nicht nach sieben, sondern bereits nach fünf Stunden komplett abgeschlossen war. Eingangs erklärt er, warum es wichtig ist, zu wählen. &bdquo;Wir werden nicht gehört, nicht wirklich. Es werden Entscheidungen für Menschen mit Behinderungen getroffen, sie werden aber nicht beteiligt. Dabei können die am ehesten sagen, wo etwas geändert werden müsste, was echte Verbesserungen wären", sagt Buskies.

Er hat ein Beispiel: Der Marktplatz in Lemgo sei für Rollifahrer unmöglich zu befahren gewesen, an einigen Stellen sei es gefährlich gewesen. Der Lemgoer hat sich zu Wort gemeldet und &bdquo;richtig darum gestritten, weil es einfach keiner wahrhaben wollte". Am Ende habe sich seine Zähigkeit ausgezahlt. Und es sind diese Erfolge, die ihn darin bestärken, sich einzumischen – damit es besser wird. Er ist im Vorstand von People First, Inklusionsbotschafter, hat die Regionalgruppe &bdquo;Mensch Zuerst" aufgebaut, ist im Sozialausschuss in Lemgo, er trainiert Karate im Dojo Lemgo-Lippe, arbeitet – ist das nicht zu viel? August Buskies überlegt nicht lange.

&bdquo;Nein, auf keinen Fall. Aber ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen mit Behinderungen für ihre Rechte einsetzen", sagt er. Auch deshalb ist ihm die Wahl ein wichtiges Anliegen. Und seit 2019 ist der Kreis der Behinderten, die wählen dürfen, erheblich erweitert worden. Menschen, die in allen Angelegenheiten von einer Hilfsperson betreut werden, sind nicht mehr pauschal von Wahlen ausgeschlossen. Auf Antrag durften Betroffene im Mai 2019 bei der Europawahl erstmals ihre Stimme abgeben, das Bundesverfassungsgericht hatte einem Eilantrag stattgegeben. 80.000 Menschen in Deutschland, für die ein Gericht einen Betreuer in allen Lebensbereichen bestellt hat, dürfen somit wählen.

Selbstbestimmt leben Doch das Recht ist das eine, das Wählen das andere. Das Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben (KSL) NRW und die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) helfen Menschen mit Behinderung, ihre Rechte wahrzunehmen. Und Stephan Wieners vom KSL weiß, dass es große Hürden gibt. &bdquo;Die Wahlbenachrichtigung ist kompliziert aufgesetzt, das schreckt ab. Es wird zu wenig in einfacher Sprache erklärt, die Parteien machen wenig, Menschen mit Behinderung einzubeziehen. Es hilft auch nicht, nur Beiräte zu bilden, Forderungen zu sammeln, die dann aber ohne Begründung abzuweisen. Die Menschen haben ein Recht darauf, eine Erklärung zu bekommen", sagt er.

Sonja Wagener von der EUTB in Detmold sieht ebenfalls Nachbesserungsbedarf in der Mitbestimmung. &bdquo;In einigen Kommunen gibt es sehr gute Mitbestimmungsmöglichkeiten, es wäre gut, wenn das kreisweit so Standard wäre." Die Hemmschwelle, sich zu engagieren, aber auch zu wählen, ist groß. Das hat auch Buskies in vielen Gesprächen erfahren. Es hänge viel mit dem Umfeld zusammen. Er erzählt, dass die Nervenkrankheit in seiner Familie in der männlichen Linie aufgetreten ist. Als er vor 51 Jahren eingeschult worden war, habe man das einfach übergangen. &bdquo;Ich war richtig schlecht, kam nicht mit. Ein Misserfolg reihte sich an den anderen", sagt er. Das mache etwas mit dem Selbstbewusstsein.

&bdquo;Wenn Sie immer hören, Sie können das sowieso nicht, dann resignieren Sie." Doch bei ihm gab es die Wende zum Besseren. Seine Pflegemutter habe ihn immer wieder ermuntert, ihm gesagt, dass er alles schaffen könne, wenn er es will. &bdquo;Die Grundschule habe ich mit Bestnoten abgeschlossen, ich musste mich aber unglaublich anstrengen." Mit 14 habe er entschieden, keine Medikamente mehr zu nehmen. &bdquo;Ich will selbstbestimmt leben, ich nehme Unterstützung an, aber es macht mich fuchsteufelswild, wenn jemand einfach etwas für mich übernimmt, was ich auch selber kann."

Sein Engagement will er auf alle Fälle weiterführen. Und reizt ihn die Politik? &bdquo;Ja, aber ich will mich nicht auf eine Partei festlegen, sondern frei sagen, was ich richtig finde. Und wenn ich da meine Partei kritisiere, dann ist das sicher nicht gut", sagt er. Oft werde viel versprochen, aber wenig gehalten. &bdquo;Das ist aber kein Argument, nicht zu wählen. Wer nichts macht, der hat schon verloren."

Der Film ist online Eigentlich sollte es eine große Demo geben, um auf die Rechte der Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen und auch eine Veranstaltung vor der Wahl. Aber durch Corona ließ sich das nicht umsetzen. Das Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben NRW und mehrere Standorte der Ergänzenden unabhängige Teilhabeberatung organisierten deshalb mehrere Projekte. Sie entwickelten einen Fragebogen, hakten nach, wo sich etwas ändern müsste und fassten die Antworten in einem Katalog zusammen.

Im Kreis Lippe wird er an Landrat Dr. Axel Lehmann übergeben, in anderen Regionen bekommen die frisch gewählten Kommunalpolitiker den Katalog, damit sie wissen, wofür sie sich einsetzen sollten. Und es wurde die Idee umgesetzt, die Wahl in einem Film zu erklären.

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