Inzidenzwert über 300: Was bedeutet das für Lippe?

Kreis Lippe. Der Ernst der Lage scheint einigen noch nicht bewusst zu sein: So gab es beim Klinikum Lippe die Anfrage, doch draußen ein mehrstimmiges Ständchen für einen Angehörigen singen zu wollen. Dass das in einer Gruppe keine gute Idee ist, dass das auch zu weiteren Menschenansammlungen führen könnte – all das hatten die gutmeinenden Besucher nicht im Hinterkopf. Doch daraus wird nichts. In Lippe geht es um Verschärfungen, auch um eine Ausgangssperre.

Lippe hat einen Spitzenplatz in OWL – was die Inzidenzzahl angeht. Stimmen werden laut, die auch schärfere Regeln verlangen, um der Lage Herr zu werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert den Kreis auf, Verantwortung zu übernehmen und mehr für den Infektionsschutz in den Schulen zu tun. &bdquo;Schulschließungen sind sicher die letzte Option, aber wenn die Zahlen steigen und es keine andere Möglichkeit gibt, den Unterricht zu entzerren, dann sind sie eine Option", sagt GEW-Kreisvorsitzende Susanne Huppke.

Ausgangssperre wird Thema Eine Ausgangssperre wird in der kommenden Allgemeinverfügung stehen – allerdings ist sie an eine Inzidenzzahl gebunden, über deren Höhe der Kreis noch in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium ist.

Die LZ erreichen zahlreiche Anfragen, warum der Kreis eine so hohe Infektionsrate hat. Einen Hotspot gebe es nicht, aber viele Tests. Zuzüglich zu den 36.848 des Gesundheitsamtes kommen rund 46.000 des Klinikums seit März und die Tests der 200 Hausarztpraxen. &bdquo;Wir testen auch besonders viel, um Infektionsketten zu unterbrechen. Wer viel testet, der findet viel", stellt Kreis-Pressesprecherin Juliane Fröhling fest.

In der Kontaktverfolgung zeige sich, dass sich Personen an verschiedenen Orten infizieren: Im Familienverbund oder im Zusammenhang mit dem Besuchen von Versammlungen einer Religionsgemeinschaft. Dazu kommen weitere Fälle in Einrichtungen, wozu Alten- und Pflegeinrichtungen, Schulen und Kitas zählen. Aktuell sind in Lippe rund 3900 Personen in Quarantäne.

Vor allem Pflege- bzw. Rehaeinrichtungen verzeichneten derzeit aktuell höhere Fallzahlen als Kitas oder Schulen, die dafür in der Breite mit einzelnen Fällen betroffen sind. Derzeit seien insgesamt 21 Schulen betroffen, jeweils mit maximal zwei positiven Fällen. Die Schulen verteilen sich auf das gesamte Kreisgebiet.

Die Allgemeinverfügung, die ab einem Inzidenzwert von 200 greifen sollte, wird schärfere Regeln enthalten, die an die Infektionsrate gekoppelt werden. Steigen die Zahlen über einen Wert, könnte es auch die Ausgangssperre geben, grundsätzlich habe das Ministerium zugestimmt. Bis Anfang nächster Woche soll die Allgemeinverfügung veröffentlicht werden.

Harter Lockdown findet Unterstützung Auf Länder und Bundesebene wird über einen harten Lockdown diskutiert – vielleicht auch noch vor Weihnachten. Auch in Lippe könnte das somit noch der Fall sein. Ob ein harter Lockdown notwendig ist, was die Bürger von der Politik erwarten und wo man ansetzen sollte – die LZ hat sich bei Passanten in der Detmolder Innenstadt umgehört.

In einem Punkt herrscht schon mal Einigkeit bei den Befragten: Ein harter Lockdown werde wohl kommen – ob sinnvoll oder nicht. &bdquo;Die Zahlen geben es ja her. Wenn sich alle an die Regeln gehalten hätten, dann wäre es gar nicht so weit gekommen", meint Stefan K. (56), der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ein mehrwöchiger Lockdown, sei zu viel des Guten, das schade der Wirtschaft. &bdquo;Man sollte in kürzeren Abständen stichprobenartig den Stand abmessen und je nachdem reagieren", sagt er. Maximal zwei Wochen sollte ein harter Lockdown andauern.

Für Angelika Mandrysch (28) kommt das alles indes viel zu spät: &bdquo;Das hätte man mal direkt am Anfang der Pandemie machen sollen." Von der Politik wünsche sie sich vor allem mehr Klarheit und ein einheitlicheres Auftreten. &bdquo;Viele Maßnahmen sind so unausgewogen – die Faktenlage ist teils verwirrend. Es müssten Fakten geschaffen und geordnet vermittelt werden", fordert sie. Besonders an den Schulen könnten Maßnahmen kaum eingehalten werden. Allerdings wisse sie auch, dass es nicht für jeden einfach sei, die Kinder zu Hause zu betreuen.

Mehr Klarheit wünscht sich auch Kai David Jones (28): &bdquo;Ich bin für einen harten Lockdown – absolut. Dieser Kindergarten ist so ,wischi-waschi. Man sollte erst einmal alles runterfahren, damit wir die Zahlen mal unter Kontrolle bekommen. Außerdem sollte man den Querdenkern ihre Demos verbieten." Die Politiker sollten auf Kanzlerin Angela Merkel hören. &bdquo;Ich bin ja froh, dass sie endlich mal emotional in ihren Worten geworden ist", sagt er.

Ob ein hartes Durchgreifen tatsächlich etwas bringt, da ist sich die 17-jährige Lena B., die ihren Nachnamen für sich behält, nicht sicher. &bdquo;Es wird sich wohl kaum vermeiden lassen. Es wäre zumindest die Hoffnung da, dass sich was bessert", sagt sie. Sie sei dafür, dass man die Schulen auf Online-Unterricht umstellt.

Einige warnen auch vor den Folgen von zu zögerlichem Handeln, so wie Christian Meinert (67). &bdquo;Wenn wir jetzt keinen harten Lockdown haben, holen uns die Zahlen im Januar, Februar ein. Und das wäre schädlicher für die Wirtschaft, als ein paar Wochen alles runterzufahren", sagt er. Eine bessere Zeit als die Ferien gäbe es doch gar nicht: &bdquo;Natürlich wäre es traurig um Weihnachten. Aber wenn die meisten doch sowieso zu Hause sind, warum dann nicht jetzt?"

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