Zum Weltkrebstag: "Die Diagnose ist längst kein Todesurteil mehr"

Kreis Lippe. Krebs – die Diagnose ist längst kein Todesurteil mehr. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Therapien rasant entwickelt. Und noch immer gilt: Früherkennung rettet Leben. Heute ist Weltkrebstag, und Professor Dr. Frank Hartmann, Chefarzt der Onkologie und Hämatologie am Klinikum Lemgo, wirbt dafür, die Vorsorge ernst zu nehmen.

Die Aufmerksamkeit zieht derzeit das Coronavirus auf sich – obwohl mehr Menschen jährlich an Krebs sterben. Für den Chefarzt ist dies kein Widerspruch, das Virus ist ansteckend, Krebs ist es nicht. Solche Zeiten können das Verhalten der Menschen ändern, wer Angst hat, zieht sich noch stärker zurück, scheut die Vorsorge oder will sich nach einer Diagnose nicht ins Krankenhaus begeben, weil er Sorge hat, sich dort anzustecken. Andere wiederum sind überkritisch, sprechen der Vorsorge komplett den Nutzen ab, schließlich sei das nur eine Momentaufnahme. Das allerdings lässt Hartmann so nicht stehen. Als Beispiel führt er den Darmkrebs an: &bdquo;Er entwickelt sich sehr oft aus gutartigen Polypen, das dauert Jahre. Wenn man also eine Vorsorge machen lässt, hat man gute Chancen, ihn früh zu entdecken." Vorsorge sei eine Abwägung, die Geschwindigkeit des Tumorwachstums, die Häufigkeit, die Wahrscheinlichkeit der Früherkennung – all das werde abgewogen und führe letztlich dazu, ob die Vorsorge empfohlen werde oder auch nicht.

Die richtige Therapie Doch wie entscheidet man sich, wenn man die Diagnose hat, es tausende Webseiten, Empfehlungen, Kommentare im Netz gibt? Wie finde ich die Klinik des Vertrauens? Weiße Listen, wie sie Krankenkassen rausgeben, oder Ranglisten in Magazinen hält Hartmann nicht für besonders aussagefähig. &bdquo;Die Kassen beziehen ihr Urteil auf die gesamte Klinik, nicht auf einzelne Fachrichtungen. Es hilft auch nicht, nur auf das ,goldene Händchen zu schauen und eine Klinik 500 Kilometer weit weg zu wählen", sagt Hartmann. In den Therapien ähnelten sich alle Kliniken sehr. &bdquo;Wichtiger ist, dass interdisziplinär gearbeitet wird, dass jeder Fall sehr individuell beurteilt wird." Am Klinikum Lippe gebe es seit vielen Jahren Tumorkonferenzen. Es werde im Sinne des Patienten genau abgewogen, wann operiert, wann bestrahlt wird oder auch eine Chemotherapie erfolgt.

Letztlich spiele das Vertrauen eine große Rolle. Professor Hartmann, der seit mehr als 30 Jahren in diesem Bereich arbeitet, rät dazu, einen anderen mit zu einem Arztgespräch zu nehmen. &bdquo;Es sollte ein Mensch sein, dem man vertraut, der einem aber nicht zu nahe steht. Er kann die sachlichen Details sehr viel besser abspeichern als die, die emotional sehr betroffen sind." Und man sollte eine Zweitmeinung einholen, aber auf die Dritt-, Viert- und Fünftmeinung verzichten – eben damit man sich nicht verzettele und Zeit verschenke. Letztlich müsse der Krebs behandelt werden.

Da habe sich in den vergangenen Jahren sehr viel verändert. Die Therapien seien zielgerichteter, es gelinge, &bdquo;auch Karzinome wirksam zu behandeln, von denen man das nie gedacht hätte". Der Ansatz sei ein anderer. &bdquo;Früher dachte man, dass Immunsystem erkennt den Tumor nicht. Heute geht man davon aus, dass das Immunsystem ihn wohl erkennt, der Tumor aber das Immunsystem unterdrückt. Indem man es gezielt stärkt, kann man das Tumorwachstum bremsen", erklärt der Chefarzt. Was das bedeutet? Auch Menschen mit fortgeschrittenem Lungenkrebs können Lebenszeit gewinnen – und auch Lebensqualität.

Mehr Forschung brauche es, mehr Kliniken müssten sich zusammenschließen und austauschen. Was dem entgegen steht? &bdquo;Das System ist auf Betriebswirtschaftlichkeit ausgelegt, nicht auf Vernetzung. Es muss jeder auf seine Zahlen schauen. Dabei wäre es gerade bei Krebspatienten wichtig, dass es weitere medizinische Entwicklungen gibt und auch die menschliche Komponente stärker berücksichtigt würde." Die Pflegefachkräfte und Ärzte sind verpflichtet, alles zu dokumentieren, was Zeit koste, die am Bett oft fehle. &bdquo;Das ist seit Jahren so, im Gesundheitswesen wird an den falschen Stellen gespart."

Dass das Klinikum Lippe jetzt Universitätsklinik wird, sei eine Chance und ein Risiko. Pluspunkt sei die Technologiepartnerschaft, die Bildgebung und Diagnostik werde weiter verbessert. Der Bereich der Molekularpathologie werde ausgebaut, in Bezug auf die Tumorforschung bedeutet es, dass man im Erbgut Hinweise auf Tumorarten findet und so noch zielgerichteter therapieren kann. Das Risiko liege in der Struktur. &bdquo;Die Universität ist auf Forschung ausgelegt, alles muss mit drei Kliniken überein gebracht werden – das ist eine Herausforderung", sagt Hartmann.

Zum Weltkrebstag: "Die Diagnose ist längst kein Todesurteil mehr"

Krebsdiagnose bei Darmspiegelung: Vorsorge hat Bünderin das Leben gerettet

Zahl der Krebstodesfälle bei Jüngeren deutlich gesunken

Schnelle OP nach Schock-Diagnose in Gütersloh - 54-jähriger Krebs-Patient gerettet

Wie ein Lipper den Bauchspeicheldrüsenkrebs besiegte

Tumor hatte Speiseröhre fast komplett verschlossen: Spengerin besiegt Krebs

Darmkrebsvorsorge: Kassen zahlen nun auch für Frauen ab 50

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus