Bindung und Distanz: Balanceakt für Bewährungshelferinnen in Lippe

Kreis Lippe. Ihre Arbeit ist wie eine riesige Wundertüte. Irgendwie weiß man nie, wer und was einen erwartet, und nie, wie es endet. Manchmal kann es richtig gut werden – wie bei einer Gruppe krimineller Jugendlicher, die inzwischen alle einen Job gefunden haben und nicht mehr straffällig geworden sind. Manchmal auch nicht. Maja Schlüter und Janna Schmauder sind Bewährungshelferinnen.

Sie lieben diese besondere Herausforderung, Menschen zur Seite zu stehen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Dabei geht es nicht nur um Hilfestellungen, sondern auch darum, die Auflagen und Weisungen zu überwachen, die das Gericht verhängt hat.

Jugendliche sind das Hauptklientel der beiden Frauen, überwiegend junge Männer zwischen 14 und 21 Jahren. Dabei sind sie selbst mit 31 und 34 Jahren noch recht jung. Haben sie da nicht ein Autoritätsproblem? Janna Schmauder schüttelt den Kopf. Aus Sicht vieler Klienten seien sie ja auch schon steinalt, lacht sie, und: &bdquo;Wenn sie zu uns kommen, sind sie alleine – das ist nicht wie in einer Klasse oder Gruppe, in der sie sich aggressiv und respektlos gegenüber Frauen verhalten." Und wenn sie wirklich mal das Gefühl habe, als Frau nicht ernst genommen zu werden, ergänzt Schlüter, &bdquo;dann erst recht".

Die rund 50 Klienten, die Schlüter derzeit in ihrer 80-Prozent-Stelle betreut, kommen aus allen Schichten der Gesellschaft: &bdquo;Vom Abiturienten bis zum Klasse-9-Abschluss ist alles dabei", sagt sie. Dass der Ausländeranteil besonders hoch sei, sei ein Klischee. Und auch ein Stadt-Land-Gefälle habe sie in den vergangenen zehn Jahren ihrer Tätigkeit nicht wahrgenommen. Prozentual gesehen sei der Anteil gleich – egal, ob aus Detmold oder Dörentrup.

Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Drogengeschäfte oder Diebstahl zählen zu den Hauptdelikten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Bewährungshelfer versuchen, eine Bindung zu ihren Klienten aufzubauen: &bdquo;Das ist wichtig, denn sonst erzählen sie uns nichts." Die Treffen finden regelmäßig statt, einmal pro Monat oder Woche, in der Dienststelle in Detmold, aber auch während der Mittagspause an der Schule oder der Arbeitsstätte oder bei Hausbesuchen.

Bewährungszeiten varrieren

Während die Bewährungszeit bei Jugendlichen häufig drei Jahre beträgt, gibt es auch zahlreiche Klienten, die viel länger betreut werden, weil sie erneut straffällig werden und nach dem Gefängnisaufenthalt wiederkommen. Maja Schlüter hat gerade jemanden verabschiedet, den sie zehn Jahre lang betreute.

In den Gesprächen geht es um Familie und Freunde, um Drogen und Schule, darum, wie es im Alltag so läuft. Und es geht vor allem auch um Zukunft: Bewährungshelfer können bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle helfen, beim Bewerbungsschreiben oder beim Ausfüllen von Anträgen unterstützen: &bdquo;Natürlich wissen die Jugendlichen, dass wir für die Justiz arbeiten – aber so ein Justizstempel kann bei Problemen mit anderen Behörden auch mal hilfreich sein", sagt Schlüter und erinnert sich an einen Fall, als sie einen Jugendlichen zum Generalkonsulat begleitete, um Passangelegenheiten zu klären. Oder den Fall, als sie einem langjährigen Klienten seinen Wunsch erfüllte, in seiner Heimat in Norddeutschland eine Ausbildung zu beginnen und ihn dort persönlich dem neuen Bewährungshelfer übergab.

Bindung aufbauen und trotzdem Distanz halten Eine Bindung aufzubauen, ohne die Distanz zu verlieren ist bei aller Professionalität nicht immer einfach, muss aber sein, sind sich die beiden Sozialarbeiterinnen sicher. Maja Schlüter lebt nicht im Kreis Lippe, deshalb begegnet sie in ihrer Freizeit kaum Klienten. Janna Schmauder dagegen ist ihrer Heimat treu geblieben. Hin und wieder trifft sie Jugendliche, die sie betreut oder betreut hat, auf der Straße oder beim Einkaufen. Nähere Kontakte außerhalb der Dienstzeiten, auch Anrufe, sind jedoch tabu: &bdquo;Sollte man die Distanz verlieren, muss man den Fall abgeben", betonen die beiden Frauen.

Um Notfälle kümmern sich andere Stellen. Die Bewährungshelferinnen sind gute Netzwerkerinnen, sie haben Kontakte zum Jobcenter, zu Schulen und Ausbildungsbetrieben, auch zur Drogenberatungsstelle, zu Therapieeinrichtungen oder zu Wohn- und Jugendhilfeeinrichtungen. &bdquo;Sobald die Klienten merken, dass wir ihnen helfen wollen, öffnen sich viele", hat Schmauder festgestellt. Und sie und ihre Kollegin hätten sich auch schon einen Namen unter den Jugendlichen gemacht: &bdquo;Da hören wir schon mal: Ich kenne Sie von dem und dem, Sie sollen nett sein und einem helfen. Oder: Ich soll Sie von dem und dem grüßen."

Es gebe aber auch diejenigen, die die Hilfeangebote ausschlagen und mit der Wahrheit hinterm Berg halten: &bdquo;Die haben womöglich wieder Straftaten begangen, von denen wir erst später erfahren, wenn es zum Gerichtsverfahren kommt", sagt Schmauder.

Eine Überraschungstüte eben, die nicht immer nur Schönes zutage befördert. Dennoch lieben die beiden Frauen ihren Beruf – auf die Idee, etwas anderes zu machen, sind sie noch nie gekommen. &bdquo;Wir haben mit Menschen zu tun, jeder Fall ist anders, und man lernt nie aus", sagt Schmauder. Und Schlüter ergänzt: &bdquo;Die Kids zwischen 14 und 16 lassen sich schwer was sagen. In ihrem besonderen Freundeskreis, wenn dann noch die Suchtproblematik dazu kommt, trägt unsere Arbeit kaum Früchte. Aber es ist schön zu sehen, wenn später der Lebensweg doch klappt, wenn es läuft: die eigene Wohnung, die Ausbildung."

Es sind die kleinen Erfolge, die die Sozialarbeiterinnen in ihrer Arbeit bestätigen. Echte Dankbarkeit ist in ihrer Branche dagegen unüblich.

Der Ambulante Soziale Dienst Die Sozialarbeiterinnen Maja Schlüter (31) und Janna Schmauder (34) sind Teil eines 16-köpfigen Teams im Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz NRW beim Landgericht Detmold. 716 Klienten werden hier betreut – 15 Prozent von ihnen wurden nach Jugendstrafrecht verurteilt. Der Bewährungszeitraum der meisten beträgt rund zwei Jahre. In der Zeit müssen sie regelmäßig ihre Bewährungshelferin treffen. In Berichten an das Gericht wird die Entwicklung eines Klienten festgehalten. Verstößt er gegen Bewährungsauflagen oder wird erneut straffällig, kommt es zu einer Anhörung bei Gericht und möglicherweise zur Vollstreckung der Haftstrafe.

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