Alltagshelfer werden in lippischen Kitas schmerzlich vermisst

Kreis Lippe . Türklinken und Spielzeug desinfizieren, die Toiletten und Waschräume sauber halten – in Coronazeiten haben die sogenannten Alltagshelfer einen großen Beitrag dazu geleistet, dass ein sicherer Kita-Alltag überhaupt möglich war. Am 31. Juli ist das Helfer-Programm ausgelaufen, die staatlichen Fördermittel fließen nicht mehr. &bdquo;Wir vermissen unseren Alltagshelfer jetzt schon sehr", sagt Philipp Franken, Kitaleiter aus Lemgo – und ist damit nicht alleine. Einige Kitas im Kreis würden sich weiterhin Unterstützung wünschen. Abhilfe soll eine neues Förderprogramm des Landes NRW schaffen.

Dafür will die Landesregierung 55 Millionen Euro innerhalb der nächsten drei Jahre investieren. Laut NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) will Nordrhein-Westfalen sogar Vorreiter bei einer neuen praxisintegrierten Ausbildung zur staatlich geprüften Kinderpflegerin oder zum Kinderpfleger werden. Das Programm soll aus drei Säulen bestehen: Eben jener neuen Ausbildung – bisher war dieser Ausbildungsgang rein schulisch angelegt und ohne finanzielle Vergütung recht unattraktiv. Zweitens der Möglichkeit auf eine Weiterbildung zur Kita-Assistenzkraft oder aber einer Umschulung zum Erzieher oder zur Erzieherin. Bisher seien hier nur zwei der drei Umschulungsjahre von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert worden, so Stamp weiter. Ein Teil der Fördermittel sollen diese Lücke schließen.

&bdquo;Ich muss da etwas schmunzeln", sagt Franken, &bdquo;das hört sich ja alles sehr nett an, aber die Personalplanung für unsere Kita ist seit März abgeschlossen, von den Plänen der Landesregierung haben wir Anfang Juni erfahren."

Verlust für Kita, Kinder und den Alltagshelfer Gerne hätte Franken seinen Alltagshelfer behalten – denn der 54-jährige Peter Sander habe tolle Arbeit in der Einrichtung geleistet. &bdquo;Durch die Entscheidung vom Land NRW habe ich meinen Job und meine Lebensrichtung verloren", sagt Sander. Und nicht nur das: &bdquo;Das Ganze ist nicht nur mein Problem, es geht auf Kosten der Erzieher, die nun die ganze Arbeit alleine machen müssen. Und natürlich ist es auch für die Kinder unschön", so der Lagenser, der nach eigenen Aussagen immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Stolz zeigt er ein liebevoll zusammengebasteltes Buch aus Pappe. &bdquo;Das haben die Kinder mir zum Abschied geschenkt."

Sander habe während seiner Zeit in der Kita in Hörstmar vieles probiert, um Teil des neuen Aus- oder Weiterbildungsangebots vom Land NRW zu werden. &bdquo;Auch Herr Franken hat mir dabei sehr geholfen, aber nichts hat geklappt. Es kommt mir vor, als hätte es nie ein wirkliches Interesse gegeben, die Alltagshelfer weiter zu beschäftigen", zeigt sich der ehemalige Maurer enttäuscht. Seit Anfang August arbeitet Sander jetzt in einer Kita in Brake – mit deutlich reduzierten Stunden.

Insgesamt sechs von sieben städtischen Kindertagesstätten in Lemgo wurden seit Beginn des Helfer-Programms im August 2020 von den Alltagshelfern unterstützt. &bdquo;Im Grunde haben alle nach dem 31. Juli aufhören müssen", sagt Thomas Portong vom Lemgoer Jugendamt. Eine Arbeitskraft habe man behalten können, als Unterstützung für hauswirtschaftliche Aufgaben – mit Namen Peter Sander. &bdquo;Man muss dazu sagen, in großen Kitas gibt es bei Bedarf ohnehin Arbeitskräfte, die Reinigungs- und Hauswirtschaftsarbeiten übernehmen", so Portong. Sind es also vor allem die kleineren Kitas, die unter dem plötzlichen Ende der Fördermittel leiden? &bdquo;Das will ich so nicht sagen", sagt Philipp Franken – die Hörstmaraner Kita unter seiner Leitung besteht aus nur zwei Gruppen (ungefähr 30 Kinder). &bdquo;Durch die finanziellen Unterstützungen innerhalb des Helfer-Programms, konnten die größeren Kitas die Arbeitsstunden der nicht-pädagogischen Arbeitskräfte aufstocken."

"Jetzt stehen wir ohne Hilfe da!" Das kann Susanne Kock, Leiterin der Kita der Fürstin-Pauline-Stiftung in Detmold, bestätigen. Im Familienzentrum in der Palaisstraße 39 gibt es fünf Gruppen, insgesamt 95 Kinder werden betreut. &bdquo;Wir hatten schon vorher eine Unterstützung im hauswirtschaftlichen Bereich und eine Integrationshelferin. Beide konnten wegen des Helfer-Programms ihre Stunden aufstocken", sagt Kock. Das habe im Arbeitsalltag in der Coronapandemie enorm geholfen. &bdquo;Ich glaube, ich kann da für alle Einrichtungen sprechen, wir sind völlig enttäuscht. Jetzt stehen wir ohne Hilfe da, obwohl Corona immer noch da ist." Auch in Detmold hat es nach Aussage der Jugendhilfeplanung in fast allen Einrichtungen Alltagshelfer gegeben – und die nicht-pädagogischen Arbeiten seien keineswegs weniger geworden. Auch Kock betont, dass die geplanten Programme der NRW-Landesregierung viel zu spät gekommen seien. &bdquo;Die Fachhochschulen konnten sich noch gar nicht darauf einstellen, so weit ich weiß, gibt es gar keine Klassen."

Für Peter Sander sind die Entscheidungen des Landes NRW nur schwer nachzuvollziehen. &bdquo;Ich hatte einen tollen Draht zu den Kindern und den Kollegen in meiner alten Kita und konnte dort einen wichtigen Job machen", sagt er. Corona sei außerdem noch nicht überstanden – die vielen Aufgaben der Alltagshelfer also keineswegs überflüssig.

Sander: &bdquo;Ich fahre auf meinem Arbeitsweg über Hörstmar und an meiner alten Kita vorbei. Dort räume ich vor meinem eigentlichen Arbeitsbeginn in Brake noch eben ehrenamtlich die Spülmaschine aus ..."

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