Wikingertage in Oerlinghausen zeigen Leben wie im Mittelalter

Oerlinghausen . Das Feuer knistert in der steinernen Umrandung auf dem Boden, der Geruch von Rauch liegt in der Luft. In der rechten Ecke sitzen vier Männer mit Holzschalen auf dem Schoß. Mit einem Stein stoßen sie das Getreide darin klein.

Am anderen Ende des germanischen Gehöfts aus schweren Holzbalken, Lehm und Strohdach wirft René Dieken ein Stück Holz in die Flammen. Felle liegen auf den hölzernen Betten, die ringsherum am Rand eingerichtet sind. Auf den Tischen und Truhen stehen Tonkrüge und mittelalterliche Vasen. Von Technik und neumodernem Kram aus dem 21. Jahrhundert keine Spur. Es fühlt sich an, wie eine Reise in die Vergangenheit. Und genau aus diesem Grund sind die Gäste von weit her angereist.

Living History: So nennt sich im Fachjargon das Hobby, dem die Darsteller nachgehen. Dabei wird versucht, das Leben einer bestimmten Epoche möglichst authentisch nachzustellen. So schlagen René und Despina Dieken aus Heinzberg bei Aachen ihr Lager häufiger im Freilichtmuseum in Oerlinghausen auf. Einzig das Gehöft sowie die große Truhe in der Mitte des Raumes gehören zur festen Ausstattung des alten Ambientes. &bdquo;Die ganze Ausrüstung wie Vasen, Felle und die Lebensmittel, die wir zubereiten, bringen wir selbst mit", erklärt René Dieken und weist auf ein Gefäß vor sich. &bdquo;Die Kanne wurde originalgetreu nach einem Fund in Schweden hier im Museum rekonstruiert", sagt er. Der 43-Jährige erinnert sich noch daran, wie das Gefäß aus Ton geformt, gebrannt und verziert wurde. Für das Brennen habe er damals dabei geholfen, eine Grube auszuheben.

&bdquo;Wir wollen mehr von der Geschichte erleben" Despina liegt in einem der Betten auf den weichen Fellen, ihr Gesicht zum Feuer gewandt. Plötzlich steckt ein Besucher mit bunter Regenjacke seinen Kopf durch die Tür. Von Privatsphäre kann hier kaum die Rede sein. &bdquo;Daran gewöhnt man sich", sagt sie. Die 44-Jährige habe schon häufiger geschlafen, während Besucher in dem Gehöft unterwegs waren. &bdquo;Die dachten, ich bin eine Puppe." Aber das gehöre eben dazu. Sie machen die Geschichte nicht nur für sich selbst, sondern eben auch für andere im Archäologischen Freilichtmuseum lebendig.

Das Korn, das die Männer zerkleinern, wird am Abend mit Wasser und Speck zu einem herzhaften Brei verarbeitet. Historische Speisen stehen an der Tagesordnung. Pferdeschmortopf nach Rezept eines archäologischen Kochbuchs, selbst hergestellte Würste, die nach einer alten Wikingersaga &bdquo;Kesselwürmer" heißen, gebackenes Brot, geräuchertes Fleisch, selbst gemachter Käse: Die Liste der Gerichte ist lang. Wichtig ist, dass eben so viel wie möglich in Eigenregie hergestellt wird. So wie die Kleidung, die René Dieken und seine Frau tragen. Von Kopf bis Fuß ist alles selbst genäht – quasi als historische Nachbildung. &bdquo;Die Dänen haben damals ganz andere Kleidung getragen als die Schweden", erklärt er. An den Wikingertagen wird es eine Modenschau geben, auf der die beiden ihre Kleidungsstücke präsentieren.

Dem Lagerlogistiker und der Familienpflegerin ist es wichtig, sich nicht nur mittelalterlich zu kleiden und für einige Zeit so zu leben, sondern den wissenschaftlichen und historischen Hintergrund der Epoche zu kennen. Deshalb wissen sie die Wikingertage in der Bergstadt besonders zu schätzen. &bdquo;Wir wollen mehr von der Geschichte erleben und nicht bunt auf einem Mittelaltermarkt rumstehen", sind sich beide einig. Das dritte Mal ist das Ehepaar nun schon bei dem Groß-Event im Oerlinghauser Freilichtmuseum dabei. Besucher können am 11. und 12. September hautnah erleben, wie das Leben im Mittelalter damals stattgefunden hat. Show-Kämpfe, Bogenschießen und ein Wikingermarkt sind auch in diesem Jahr dabei.

Bogenschießen und Show-Kämpfe

Die Wikingertage im Archäologischen Freilichtmuseum in Oerlinghausen haben sich zu einer festen Event-Größe entwickelt. Für die Besucher, aber vor allem für die Darsteller und Händler. Die &bdquo;Wikinger" reisen aus ganz Europa zur traditionsreichen Veranstaltung an, um mit Show und einem Wikingermarkt kleine und große Gäste zu begeistern. Die Darsteller übernachten stilecht in den historischen Bauten auf dem hektargroßen Gelände. &bdquo;Das ist für das Museum das größte Event des Jahres", sagt Geschäftsführer Klaus Stein.

Das Team kann kaum erwarten, dass es losgeht. Liefen die Planungen wegen des Lockdowns im vergangen Jahr doch nun, wenn auch unerwünscht, schon etwas länger. Die Besucher können erleben, wie Wikinger damals gelebt und gearbeitet haben. Nicht nur zusehen, auch Mitmachen ist erwünscht. &bdquo;Modenschauen, Kampfschauen, Schmieden, Bogenschießen, Wikinger-Schattentheater, Runen malen, Filzen, Wikinger-Spiele", zählt Museumsleiter Karl Banhard auf. So können sich die Besucher beispielsweise ins sogenannte Hnefatafl-Spiel vertiefen, ein traditionelles Brettspiel. Zudem fertigen die &bdquo;Wikinger" selbst mittelalterlichen Schmuck, Glasperlen oder gefärbte Stoffe an, die sie auf dem Markt nächstes Wochenende zum Verkauf anbieten. Gebäck aus der Mittelalterzeit, Eintöpfe und rustikale Fleischgerichte runden das Programm ab. &bdquo;Traditioneller Honigwein, also Met, darf natürlich auch nicht fehlen", fügt Petra Kirschke vom Museums-Marketing hinzu.

Was die Wikingertage von einem Mittelaltermarkt unterscheidet? &bdquo;Die historischen Informationen, die es hier gibt, sind verlässlich", betont Museumsleiter Karl Banghard. Das Team suche die Darsteller gezielt aus. Nur wer professionell und wissenschaftlich unterwegs sei, dürfe anreisen. 70 waschechte Wikinger werden nächste Woche erwartet. Die Wikingertage finden am 11. und 12. September von 10 bis 18 Uhr im Freilichtmuseum statt. Es gelten die 3G- sowie die üblichen Hygieneregeln. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Weitere Infos auf www.afm-oerlinghausen.de

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