Kreis Lippe. Das größte Glück hält Matthias Petig in den Armen. Langsam schaukelt er mit seinem Sohn im Arm neben dem Bett seiner Frau Henrike Schwanhold hin und her. Am Sonntag wurde ihr Sohn geboren, über den Namen gibt es noch keine finale Abstimmung, aber klar ist: Er soll gestillt werden. Die Pflegedienstleiterin der Familienklinik Regina Schirmer-Reiner zieht eine positive Bilanz beim Thema Stillen: Bis zu 95 Prozent entscheiden sich dafür. Und seit die Besuchszeiten eingeschränkt sind, gibt es weniger Probleme.Natürlich sei der Besuch auch sehr wichtig, schließlich ist die Geburt eines Kindes ein besonders schönes Ereignis, an dem viele teilhaben möchten. Aber damit einher geht, dass es insgesamt unruhiger ist. Und Frauen, die stillen wollen, bräuchten Ruhe – für sich und das Kind. Damit es klappt, bietet das Klinikum Lippe besondere Beratung an, denn es ist als „Babyfreundlich" zertifiziert worden. In der derzeit laufenden Weltstillwoche gehört dazu, öffentlich auf das Thema aufmerksam zu machen, auf die positiven Aspekte des Stillens hinzuweisen. „Mutter und Kind müssen lernen, sie müssen zusammenfinden", sagt die Krankenschwester, die seit mehr als 30 Jahren auf der Station arbeitet. Gleich nach der Geburt werden sie auf den Bauch der Mutter gelegt, ihr Reflex ist, nach Nahrung zu suchen. „Alle trinken zu diesem Zeitpunkt sofort." Dann aber wird es individuell. Die Säuglinge haben noch keinen Rhythmus, und auch Henrike Schwanhold bestätigt, dass ihr Sohn gerne die Nacht zum Tag macht. Der Kleine muss aber auch tagsüber trinken, also braucht er Weckimpulse, ein wenig Ansporn, damit er trinkt. Intime Atmosphäre schaffen Und so schön die Schaukelei in Papas Armen auch ist, der Schlaf wird auch tagsüber unterbrochen und das Kind an die Brust angelegt.Regina Schirmer-Reining findet es wichtig, auch die Väter einzubeziehen, in den Familien für Verständnis zu werben. Die Weltstillwoche steht in diesem Jahr unter dem Motto „Stillen. Unser gemeinsamer Weg". Es sei viel selbstverständlicher geworden, dass Frauen auch in der Öffentlichkeit ihr Baby anlegen. Die Fachfrau rät dazu, auch hier eine intimere Atmosphäre zu schaffen, auch zum Wohl des Kindes. „Wenn da viele drumherum stehen, es sehr unruhig ist, dann trinken einige nicht genug. Wer unterstützen möchte, sollte lieber seine Hilfe anbieten, vielleicht was kochen oder sauber machen, und so die junge Mutter entlasten."Dass die Klinik „Babyfreundlich" ist, heißt auch, dass die Entscheidung gegen das Stillen selbstverständlich respektiert wird. Es gebe Frauen, die es von vorneherein ablehnen. „Wir helfen ihnen beim Abstillen und den Fragen rund um die Ernährung genauso", sagt Schirmer-Reining. Auch wenn die Muttermilch in ihrer Zusammensetzung bislang noch nicht komplett nachgebildet worden sei, gebe es hochwertige Säuglingsnahrung, die dann eben per Flasche verabreicht werde. Das „Milchcafé" sei bewusst als offenes Angebot konzipiert worden, aber wegen der Pandemie ist der Treffpunkt derzeit geschlossen. 1500 Babys dieses Jahr Bis Anfang Oktober wurden 1500 Babys in Detmold geboren, jährlich sind es um die 2000. Die Stillquote liege bei 90 bis 95 Prozent. Die Einstellung zum Thema habe sich im Laufe der Jahre sehr verändert. „Es gibt gesundheitliche Vorteile für die Frauen und für die Kinder. Studien belegen unter anderem, dass das Risiko, an einigen Krebsarten zu erkranken, geringer ist, Kinder leiden seltener an Allergien." Weltstillwoche Die Weltstillwoche gibt es seit 1991. Sie ist eine von der World Alliance for Breastfeeding Action organisierte Aktionswoche. Sie wird unter anderem durch UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation gefördert und wird in 120 Ländern abgehalten. Im Klinikum Lippe wird das Stillen seit Jahren sehr unterstützt. 24 Betten gibt es für Wöchnerinnen, ein Team von 17 Fachkräften kümmert sich um sie. Für den Start zuhause, in der Regel drei bis vier Tage nach der Entbindung, gibt es Tipps. Hebammen helfen ebenfalls in der Nachbetreuung. „Ruhezeiten sind wichtig", sagt Regina Schirmer-Reining, die seit 30 Jahren auf der Geburtsstation arbeitet und sich für die Stillberatung im Klinikum fortgebildet hat. Auf dem Speiseplan dürfe alles stehen, was die Mütter gerne essen und auch gut vertragen. Allerdings: Blähende Gemüse machen Babybäuchlein zu schaffen. Zu jeder Mahlzeit sei es gut, ein Glas Wasser zu trinken. Da das Stillen viel Energie verbraucht, könnten 500 Kalorien mehr pro Tag eingeplant werden. Wenn das Baby Hunger habe, zeige es das: Es schmatzt oder macht auch ein Fäustchen und steckt es in den Mund.