Einen Monat nach der Tat: So hat die Polizei Elchin A. endlich gefasst

Kreis Lippe/Brieskow-Finkenheerd. Der Hoffnungsschimmer war schon fast erloschen, allein deshalb hat die Nachricht rund um den Fahndungserfolgs im Kalletaler Mordfall eine wahre Euphoriewelle ausgelöst: Nach einem Monat auf der Flucht ist Elchin A., der am 18. Juni in einem Stemmer Mehrfamilienhaus den Liebhaber seiner Ex mit der Axt erschlagen und seine frühere Freundin dann vergewaltigt haben soll, endlich im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd nahe der polnischen Grenze gefasst worden. Kaum ein anderer Kriminalfall hat Lippe länger in Atem gehalten - nun fällt vielen eine Last von den Schultern.

Die Erleichterung schwingt am Freitagmorgen auch in der Stimme des Detmolder Oberstaatsanwalts Christopher Imig mit. Schon etliche schwere Kapitaldelikte hat Imig in den vergangenen zehn Jahren bearbeitet, wohl in die finstersten Abgründe geblickt und dennoch gibt es dann Fälle wie diesen, an denen man besonders hängt, meint er. "Dieser Fall hat sich angefühlt wie ein echter Krimi", sagt Imig.

Noch zum Wochenbeginn hatte er berichtet, dass immer weniger Hinweise aus der Bevölkerung eintrudelten, die Bielefelder Polizei die Mordkommission personell heruntergefahren habe, aber "noch einige Tricks in der Hinterhand hätte", die man abwarten müsse. Mit jedem Tag schien die Hoffnung auf Erfolg zu schwinden. Aufgeben wollten die Ermittler aber nicht. "Mitte der Woche hatten wir dann plötzlich eine konkrete Spur", sagt der Oberstaatsanwalt.

Nach Observation war klar: "Er ist es" Wie die Mordkommission den möglichen Aufenthaltsort des Gesuchten nahe der polnischen Grenze letztendlich konkret bestimmen konnte, wollte Imig noch nicht preisgeben. Der Opferanwalt der Witwe erklärte später, Elchin A. habe sich wohl ein Facebookprofil mit einer neuen Handynummer angelegt, wodurch die Ermittler ihn aufspüren konnten. Fest steht: Die brandenburgische Polizei habe sich nach der vielversprechenden Spur "voll reingekniet" und die Ermittlungen vor Ort aufgenommen. "Man hat ihn dort vermutet, eine passende Person identifiziert und dann observiert", sagt der Oberstaatsanwalt. "Bis wir sicher waren: Er ist es."

Noch am Donnerstabend um 21.45 Uhr nahmen Spezialkräfte der brandenburgischen Polizei den gesuchten Elchin A. in einem bewohnten Gebäude fest. Ob Elchin A. Hilfe hatte, wissen die Ermittler noch nicht. "Wer weiß, welche Geschichte er unter Umständen erzählt hat."

Am Freitag befand sich der Beschuldigte bereits auf dem Weg nach Detmold, wo er kurz nach 15 Uhr von Bielefelder Ermittlern zum Amtsgerichts gebracht wurde. "Das ist nur eine Formalie", sagt Imig. "Der Haftbefehl ist noch am Donnerstagabend erlassen worden." Einen besonderer Dank will Christopher Imig noch einmal auch an die polnischen Strafverfolgungsbehörden richten, die sich im benachbarten polnischen Grenzgebiet ebenfalls für einen Zugriff bereit hielten, falls Elchin A. über die Grenze entwischt wäre. "Wir sind schwer beeindruckt, wie gut die europäische Zusammenarbeit funktioniert hat." Die Detmolder Ermittlungsbehörde habe mit den Kollegen in einem engen Austausch gestanden.

Letzte DNA-Spuren müssen ausgewertet werden Nun stünden die letzten Ermittlungsschritte aus. Es gehe noch darum, für das anstehende Gerichtsverfahren abzuklären, ob Elchin A. wirklich schon in seinem Heimatland Aserbaidschan wegen Mordes im Gefängnis gesessen habe. Das sei zumindest für das Strafmaß relevant. Ob er sich einlässt, konnte Imig noch nicht beantworten.

Es sei aber nahezu unstrittig, dass Elchin A. den Axtmord begangen habe. "Mit dem, was wir haben, könnten wir ihn theoretisch schon morgen vor Gericht bringen", sagt Imig. Die Ermittler müssten nun noch anhand von DNA-Analysen klären, ob genauso die Vergewaltigung seiner Exfreundin eindeutig bewiesen werden kann. In jedem Fall wird sich Elchin A. dann bald vor dem Detmolder Landgericht verantworten müssen.

Die Hinterbliebenen sind erleichtert Genau das ist es, was sich die hinterbliebene Witwe des getöteten 39-jährigen Familienvaters bei allem Schmerz so sehr gewünscht hat. Egal, wie viele Verhandlungstage es dauert, sie wolle dem Mörder ihres Mannes vor Gericht gegenüberstehen, um das Geschehene überhaupt abschließen zu können. "Ich will ihn ansehen, das ziehe ich durch", lässt die Mutter unter Tränen über ihren Anwalt ausrichten. Der Familie sei nun eine unendliche Last von den Schultern gefallen, zumal kaum jemand mehr mit einem Erfolg gerechnet habe, sagt Opferanwalt Thorsten Frühmark, der als Möllenbecks Ortsbürgermeister selbst sehr vom Geschehen betroffen sei. Im Stemmer Nachbarort hinter der Landesgrenze hatte der Getötete mit seiner Familie gewohnt.

"Im ganzen Ort fällt gerade eine große Anspannung ab", sagt Thorsten Frühmark. Viele hätten sich gar nicht mehr ungezwungen in den Wald getraut, die anhaltende Flucht habe das Leben in den Orten rund um den Tatort schwer belastet. "Mir fällt selbst ein riesiger Stein vom Herzen", sagt Frühmark. In 22 Jahren als Anwalt habe er nichts vergleichbar Emotionales erlebt, sagt er und kämpft mit einem Kloß im Hals. Kurz zuvor habe er seine Mandantin noch am Grab ihres Mannes stehen sehen. Nun sei endlich klar, dass der Mörder sich verantworten muss. Die Erleichterung sei kaum in Worte zu fassen.

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