96-Jährige klagt nach Verlust ihrer Wertsachen: Klinikum Lippe lehnt Vergleich ab

Kreis Lippe. Es wird eng in Saal N 108 im Nebengebäude des Landgerichts, davon ist selbst der Vorsitzende Richter Dr. Mathias Kapitza überrascht. Jeder Platz im kleinen Raum ist besetzt, alle neugierigen Blicke sind auf Margret Kreuder gerichtet. Die 96-jährige Seniorin zieht an diesem Mittag gegen das Klinikum Lippe vor Gericht, weil ihre persönlichen Wertsachen dort während eines kurzfristigen Klinikaufenthalts abhanden kamen, sich aber niemand für den Verlust verantwortlich fühlt. "Mir ist der Rummel langsam unangenehm, aber jetzt muss ich durchhalten", sagt Margret Kreuder nach der kurzen Verhandlung. Da steht fest: Die Parteien werden sich im November erneut im Saal gegenübersitzen.

Vor Gericht sind die Fronten verhärtet. Keine Partei wagt den Versuch, auf die Gegenseite zuzugehen. Die Zivilkammer will daher beim nächsten Termin in die Beweisaufnahme einsteigen und Zeugen befragen. Aus Sicht des Vorsitzenden kommt es nicht infrage, die Klage abzuweisen. Das Klinikum könne sich nicht hinter seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstecken. "Die sind derzeit frei nach dem Motto: Für Garderobe keine Haftung, das greift hier nicht", erklärt Richter Dr. Mathias Kapitza. Mit dem Behandlungsvertrag müsse das Klinikum Lippe nämlich auch Nebenpflichten erfüllen und sich um die Gegenstände der Patientin sachgerecht kümmern. Demnach könne bei fahrlässigem Verhalten durchaus ein abgemilderter Schadensanspruch vorliegen.

Habseligkeiten im Wert von 5000 Euro Am meisten ärgert die 96-jährige Klägerin nach wie vor, dass das Klinikum Lippe ihre Situation nicht ernst nehme und ihr gar unterstellt habe, nicht zu wissen, welche persönlichen Sachen sie damals überhaupt im Krankenhaus dabei hatte. "Ich bin zwar alt, aber nicht dement", wiederholt Margret Kreuder mit Nachdruck. Sie trägt im Gerichtssaal ruhig und besonnen ihren Fall vor.

Im November 2021 war die Lemgoerin nach einem Hausarztbesuch überraschend mit Blaulicht und Verdacht auf Lungenentzündung ins Klinikum nach Detmold gebracht worden. Nach der Untersuchung hatten es ihre persönlichen Gegenstände dann aber nichts aufs Patientenzimmer geschafft. Trotz wiederholter Nachfragen brachte sie niemand nach, sagt Kreuder. Das Klinikum sieht sich bis heute nicht in der Pflicht, die Wertsachen von rund 5000 Euro zu ersetzen - darunter sollen der Klägerin nach zwei Hörgeräte, Schlüssel, eine Handtasche, hochwertige Winterkleidung und Bargeld sein.

Klinikum will einem Vergleich nicht zustimmen Vor der Zivilkammer wird schnell klar, dass es keinen Schritt zurück gibt. Zwar weist der Vorsitzende behutsam auf die Möglichkeit hin, die Sache mit einem Vergleich klären zu können, andernfalls müsste der Wert der Gegenstände sowie der tatsächliche Verlust genau nachvollzogen werden, das Klinikum lehnt aber entschieden ab. "Das ist schwierig. Schließlich handelt es sich beim kommunalen Schadensausgleich um öffentliche Gelder, die wir nicht einfach so verteilen können", sagt Rechtsanwältin Verena Hugenberg von der Rechtsabteilung des Klinikums. "Einem Vergleich zuzustimmen, wäre von unserer Seite daher inkonsequent."

Die Rechtsanwältin höre im Sitzungssaal ebenfalls zum ersten Mal davon, dass die Wertsachen gar nicht zusammen mit der Patientin aufs Zimmer gebracht worden sein. "Das ist nicht das übliche Prozedere, normalerweise werden die Tüten auf der Patiententrage direkt mitgegeben", sagt Verena Hugenberg und blickt noch einmal zur Mitarbeiterin des Beschwerdemanagements hinüber.

Rechtsanwalt Ralf Fischer, der die 96-Jährige vertritt, ist von der Reaktion der Gegenseite verblüfft. Schließlich hatte das Klinikum in einem Schreiben von Dezember 2021 längst eingeräumt, die Gegenstände seien "auf dem Transport innerhalb unseres Hauses [...] abhanden gekommen". Der LZ liegt dieses Schriftstück vor. "Ich bin vom Verhalten der Gegenseite enttäuscht", sagt der Bielefelder Anwalt. "Man sieht, dass sie mit dem Kopf durch die Wand wollen."

Für Dienstag, 15. November, um 10 Uhr ist ein erneuter Verhandlungstermin für die Beweisaufnahme angesetzt. Als Zeugen sind bisher Haushälterin, Tochter und Schwiegersohn der Klägerin geladen. Das Klinikum will ebenfalls noch einmal Stellung beziehen.

96-Jährige klagt nach Verlust ihrer Wertsachen: Klinikum Lippe lehnt Vergleich ab

Lebenspartner von Patientin wehrt sich vor Gericht gegen Hausverbot am Klinikum Lippe

Senior (93) im Klinikum Lippe fixiert: Tochter will keinen Vergleich, sondern Urteil

„Erheblichste Rufbeeinträchtigung“: Klinikum Lippe siegt beim Zivilprozess gegen Brinkmann

Vermeidbare Todesfälle? Brinkmann droht vor Gericht Niederlage gegen Klinikum Lippe

Prozess: Krankenpfleger aus Lemgo soll Patienten im Klinikum geschlagen haben

Krankenschwester scheitert erneut mit Klage gegen Klinikum Lippe

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus