Vermeidbare Todesfälle? Brinkmann droht vor Gericht Niederlage gegen Klinikum Lippe

Kreis Lippe. Sein flaues Gefühl im Magen scheint Walter Brinkmann an diesem Vormittag nicht grundlos zu begleiten. Ganz allein nimmt der Sprecher des Aktionsbündnisses Klinikum Lippe im Sitzungssaal 143 Platz, sein Anwalt wird genauso wie die Anwältin der Klägerseite aus Berlin per Video zugeschaltet. Trotzdem ist das Interesse an dem Verfahren groß. Damit im Zuschauerraum alle Platz finden, organisiert der Vorsitzende Richter Dr. Jörg Mertens ein paar Stühle extra. Nach einer halben Stunde ist klar: Brinkmanns Gefühl täuscht ihn nicht.

Wieder geht es vor der 2. Zivilkammer am Landgericht Detmold um die Äußerungen, die Walter Brinkmann vor etwa einem Jahr in einem Radiointerview getätigt haben soll. Damals hatte er sinngemäß den Personalmangel am Klinikum Lippe mit mehreren Todesfällen im Krankenhaus in Verbindung gebracht. Das Klinikum Lippe wollte das nicht hinnehmen - und klagte deshalb auf Unterlassung. Das Verfahren zieht sich seitdem hin.

Kammer hat Ermittlungsakten gesichtet Rund zehn Monate sind seit dem letzten Sitzungstermin vergangen. I nzwischen hatte die Kammer genug Zeit, sich entsprechenden Strafakten der Staatsanwaltschaft genauer anzuschauen, um zu verstehen, womit Walter Brinkmann seine Aussage überhaupt begründet. Dazu hatte er selbst Zeugen benennen und Belege liefern müssen. Im Fokus stand unter anderem der Vorwurf einer ehemaligen Krankenschwester. Die hatte im Jahr 2023 Anzeige erstattet, weil sie einen Todesfall am Klinikum offenbar für vermeidbar hielt, wäre genügend Personal da gewesen.

Das Zivilgericht kommt allerdings zu einem anderen Schluss. &bdquo;Die Verdachtsmomente beziehen sich alle auf eine mögliche unzureichende Pflege“, erklärt der Vorsitzende Richter. &bdquo;Es ist aber kein Verdacht darin enthalten, dass jemand tatsächlich deshalb verstorben ist.“ Die Kammer kann aus den Ermittlungsakten also keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem mutmaßlichen Personalmangel und etwaiger Todesfälle erkennen, sagt Mertens. Auch die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen eingestellt.

Vor diesem Hintergrund macht der Vorsitzende Richter beiden Parteien daher einen Vergleichsvorschlag, nach dem Brinkmann eine entsprechende Richtigstellung seiner Aussage an den Sender herausgeben könnte, um die Sache beizulegen. Damit stößt das Gericht allerdings auf verschlossene Türen.

Vergleich zwischen Parteien scheitert Kurz wirkt der Videobildschirm mit dem Fokus auf die beiden zugeschalteten Anwaltskanzleien in Berlin wie eingefroren, die Stille ist aber offenbar eher einem strategischen Schweigen geschuldet. Es dauert einen Moment, bis der Vertreter des Beklagten sich äußert. Rechtsanwalt Johannes Eisenberg ist durch die Worte des Richters direkt klar, dass sein Mandant im Falle eines Urteils schlechte Karten hat.

Ein flüchtiges Radio-Interview richtigzustellen, dafür fehlt dem Anwalt dennoch die Fantasie. &bdquo;Mein Mandant hat ja keinen Zugriff auf den Sender“, sagt Eisenberg. Er könne sich jedoch vorstellen, ein entsprechendes Protokoll an den Sender zu verschicken, dessen Inhalt klarstellt, dass die geäußerten Vorwürfe nicht mehr so aufrechtzuerhalten sind. Für Eisenberg steht aber nach wie vor fest, dass das Klinikum Lippe als Institution eine gewisse Machtkritik aushalten müsse.

Neuer Geschäftsführer fehlt beim Prozesstermin Genau das sieht die Klägerseite allerdings anders. Eine Richtigstellung allein reiche daher nicht aus, erklärt deren Rechtsanwältin Clara von Harling, Brinkmann müsse sich ebenfalls zu einer Unterlassungserklärung verpflichten. &bdquo;Es geht unserer Mandantschaft darum, dass nicht dieser konkrete Vorwurf erhoben wird, dass Menschen hier eingeliefert werden und sterben“, sagt von Harling. Das sei der Grund, weshalb der neue Geschäftsführer des Klinikums Lippe, Dr. Niklas Cruse, die bestehende Klage gegen Walter Brinkmann nicht hatte fallen lassen, heißt es. In anderen Streitpunkten hatten sich die Parteien anderweitig geeinigt.

Etwas verwundert zeigt sich Richter Dr. Mertens tatsächlich darüber, dass der neue Geschäftsführer nicht wie angekündigt persönlich an der Sitzung teilnimmt. Schließlich hatte die Kammer den Termin extra verschoben, damit Dr. Cruse kommen kann. Laut der Vertreterin des Klinikums kam ein anderer Termin dazwischen, die Klägerseite wollte offenbar nicht noch mal um Verlegung bitten. Ob es sich dabei um einen wichtigen Grund gehandelt hat, ließ die Pressestelle des Klinikums Lippe auf Anfrage offen.

Walter Brinkmann selbst wirkt nach der Sitzung auf dem Flur etwas resigniert, aber nicht überrascht. &bdquo;Mein Bauchgefühl hat mich nicht getäuscht“, sagt der Sprecher des Aktionsbündnisses. Er geht davon aus, das Verfahren zu verlieren. Verstehen kann er es trotzdem nicht - weder die Einschätzung der Kammer noch den Umstand, dass das Klinikum die Klage unbedingt ausfechten will. Zu Letzterem hatte es laut Klinikum einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrates gegeben.

Die 2. Zivilkammer wird sich nun innerhalb von drei Wochen beraten und über ein Urteil entscheiden. Ein Verkündungstermin ist für Dienstag, 23. September, um 10.30 Uhr angesetzt .

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