Gastredner fordert in Detmold: Krisen mit Innovationen begegnen

Kreis Lippe. Die Menschheit ist an Masse nicht zu viel, sie ist nur zu blöd. "Das ist schon daran zu sehen, das wir die einzigen Lebewesen sind, die Abfall produzieren", sagt Prof. Dr. Michael Braungart. Er fordert, "die Dinge neu zu denken". Es gelte, zunächst zu fragen, ob Investitionen/wirtschaftliche Aktivitäten et cetera überhaupt richtig und sinnvoll sind, "ehe wir nachher versuchen, Falsches wieder richtig zu machen." Braungart, Professor in Rotterdam und Lüneburg und Träger des Nachhaltigkeitspreises 2022, war Gast des SPD-Neujahrsempfanges im Detmolder Sommertheater.

Der 65-Jährige, in den 1980er-Jahren Chef des Bereiches Chemie bei Greenpeace, ist wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts und stellte sein Cradle-to-Cradle-Konzept vor. Dabei geht es um eine durchgängige und konsequente Kreislaufwirtschaft.

Er forderte mehr Selbstbewusstsein, die regionalen Stärken zu nutzen: "In OWL, nämlich in Minden, wurde der Kaffeefilter erfunden. Wir aber importieren Masken millionenfach aus China, wofür die Apotheker fünf Euro bekommen." Und diese Masken schwömmen nun milliardenfach "auf den Weltmeeren herum". Dabei könnten auch waschbare, wiederverwertbare und zertifizierte Masken produziert werden, wie ein gemeinnütziges Start-up bewiesen habe. "Sie können Krisen mit Innovationen begegnen. Es entstehen Produkte, die nicht mit Sklavenarbeit produziert werden."

"Etwas weniger schlecht" reicht nicht Es reiche nun einmal nicht, nur "etwas weniger schlecht" zu sein. "Wie wäre es denn, wenn die Region sagen würde, klimapositiv werden zu sollen, statt klimaneutral. Den ökologischen Fußabdruck nicht zu minimieren, sondern gar keinen zu hinterlassen?" Das sei nämlich so, wie vom Hochhausdach zu springen und bei der 20. Etage zu denken, es gehe ja alles ganz gut bis jetzt. Nachhaltigkeit allein so definieren, künftigen Generationen nicht schaden zu wollen, sei "Blödsinn".

Denn: "Sie sagen ja Ihren Kindern auch nicht, dass sie ihnen heute mal nicht schaden wollen." Es gehe darum, nützlich zu sein, nicht "weniger schädlich". Beispiel: Das Strohhalme- und Wattestäbchenverbot sei Alibi-Aktionismus. Das reiche nicht. "Das ist wie auf der Titanic mit dem Esslöffel statt mit dem Teelöffel Wasser zu schöpfen."

Immer wieder sprach Braungart vom Umdenken. Wenn der E-Mobilität die Zukunft gehöre - schön und gut. "Aber das notwendige Kupfer haben wir ja gar nicht. Das gibt es ja gar nicht." Also müsse Kupfer vernünftig recyclet und woanders eingespart und etwa durch Aluminium ersetzt werden. Ein neues Denken bringe Wertschöpfung und nutze jedem. "Das inspiriert dann auch andere. Schon jetzt gibt es in China erste Unternehmen, die so denken."

"Wertvolle Rohstoffe landen im Baustahl" Beispiel: Niemand kauft eine Waschmaschine, um eine Waschmaschine zu besitzen. Es geht nämlich nur darum, dass die Wäsche sauber wird. Warum würden dann nicht langlebigere Waschmaschinen produziert, statt mit immer mehr Plastikbestandteilen auf den internationalen Preisdruck zu reagieren? "Wir könnten uns eine Waschmaschine für zehn Jahre mieten, dann eventuell zurückgeben oder tauschen. Die Fabrik kann die Maschine vernünftig aufrüsten oder die Rohstoffe wiederverwerten." Er kenne keine recycelte Waschmaschine und kein Auto, das zum Auto recycelt wurde, stattdessen landeten wertvolle Rohstoffe im Baustahl.

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