Faeser verbietet "Artgemeinschaft": Razzia gegen Rechtsextremisten auch in OWL

Ostwestfalen-Lippe. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine weitere rechtsextremistische Vereinigung verboten. Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern sowie Räume des Vereins &bdquo;Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ in zwölf Bundesländern, wie das Innenministerium in Berlin mitteilte. In Kleinenbremen soll nach Informationen des Mindener Tageblatts die stellvertretende Leiterin der Artgemeinschaft (39) leben. Und es gibt zurzeit einige Hinweise darauf, dass es auch in Lippe Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Verbot geben könnte. Bestätigt wurde das aber noch nicht von offizieller Stelle.Am Mittwochmorgen sind laut MT an dem Eckhaus an der Alten Straße in Kleinenbremen vier Mannschaftswagen der Polizei, dazu mehrere Zivilfahrzeuge vorgefahren. Einige Beamte sind vermummt und tragen Beweismaterial in Kartons aus dem Haus mit der Nummer 63 in die Bullis. Immer wieder werden Kisten herausgebracht, während weitere Beamte leere Kartons in das Haus bringen. Offenbar wird jede Menge Beweismaterial gesichert. In dem Haus brennt Licht, teilweise sind die Jalousien heruntergelassen. Aus dem eingewachsenen Gebäude, das schlecht einsehbar ist, dringen Stimmen nach draußen. Es ist unklar, ob sie von den Bewohnern oder den Beamten stammen. Laut MT-Infos sind die Einsatzfahrzeuge bereits in der Dunkelheit am frühen Morgen eingetroffen sein. Gegen 9 Uhr wird noch einmal ein Dutzend leere Kartons in das Haus getragen, der Einsatz zieht sich zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Stunden.

Etwa eine Stunde zuvor ist es in der Gegend noch relativ ruhig, während nach und nach Medienvertreter eintreffen. Je größer das Aufkommen, desto größer das Interesse aus der Nachbarschaft. Immer wieder kommen Anwohner vorbei und fragen, was denn hier los sei. Nach MT-Informationen ist die Frau, die dort lebt, seit 2015 stellvertretende Leiterin der Artgemeinschaft. Zusammen wohnt sie dort mit einem Mann, der 2005 Landtagskandidat für die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) für Minden-Lübbecke gewesen ist. Auch mehrere Kinder sollen in dem Haus leben. Ein Schild mit der Aufschrift "Kinderspielplatz", das vor dem Anwesen angebracht ist, deutet darauf hin.

Beide seien Teil einer seit Jahren gewachsenen Struktur des rechten Spektrums, dessen Geflecht zwischen Kleinenbremen und Bückeburg besonders stark zu sein scheint, heißt es aus linken Kreisen. Und die Bundespolitik hat sich bereits mit möglichen Verbindungen zur Gruppe S. beschäftigt, dessen Prozess sich in Stuttgart derzeit dem Ende neigt. Ein Mitglied, das sich in der U-Haft umgebracht hat, wohnte nicht weit vom heutigen Einsatzort entfernt.

Das Verbot gegen die Vereinigung, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen.

Im März hatte ein Bündnis zur Demo in Detmold gegen rechtes Gedankengut aufgerufen. Auch dort war bereits die Rede von der "Artengemeinschaft".

In OWL fest verankert Wie aus einem Bericht der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW hervorgeht, soll die Frau zu einem Kreis jüngerer, größtenteils aus dem militanten Neonazismus kommender Personen gehören, die 2015 die Führung der sogenannten Artgemeinschaft übernommen haben. Obwohl es sich um eine neonazistische Organisation handelt, erinnere ihr Erscheinungsbild eher an einen Trachtenverein, heißt es.

Auch die vergleichsweise große Anzahl an Frauen verwundere zunächst. Die Artgemeinschaft trete zudem nicht öffentlich auf, sei aber von großer Bedeutung für die innere Verfasstheit des neonazistischen Milieus. "In OWL ist die Artgemeinschaft fest verankert", schreibt die Beratung gegen Rechtsextremismus in NRW. beschrieb in einer Mitteilung &bdquo;Die Artgemeinschaft“ als &bdquo;sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“. Die Ministerin begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl. Sie sagte: &bdquo;Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen.“

Bewegung soll rund 150 Mitglieder haben Laut Bundesinnenministerium Faeser umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte &bdquo;Gefährtschaften“, &bdquo;Gilden“, &bdquo;Freundeskreise“ und ein Verein namens &bdquo;Familienwerk“. Durchsucht wurde den Angaben zufolge in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung &bdquo;Hammerskins Deutschland“ verboten. Vor allem durch die &bdquo;manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder“ und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die &bdquo;Artgemeinschaft“ nicht weniger gefährlich als die &bdquo;Hammerskins“, sagte die Ministerin.

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen &bdquo;Art“, was mit dem nationalsozialistischen Begriff der &bdquo;Rasse“ gleichzusetzen sein.

Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der &bdquo;Erhalt der Deutschen“. &bdquo;Deutschsein“ werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen &bdquo;Blut-und-Boden“-Ideologie definiert.

Faeser verbietet "Artgemeinschaft": Razzia gegen Rechtsextremisten auch in OWL

Bundesverwaltungsgericht kippt Verbot der «Hammerskins»

Was ist das «Königreich Deutschland»?

Immer mehr rechtsextreme Jugendgruppen

Experten warnen: Gefährliche Rechtsextreme unterwandern Paderborner Hooligans

„Das ist nicht irgendein Germane“: Wie die extreme Rechte auf den Hermann schaut

Dobrindt verbietet «Königreich Deutschland»

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €