Afghanistan-Tagung in Detmold: "Deutschland hat dort ein gutes Image"

Kreis Lippe. Die Tagung in der Detmolder Stadthalle zum 40-jährigen Bestehen des Ärztevereins für afghanische Flüchtlinge ist zu einem großen Rück- und Ausblick in ein Land geraten, das nach der Machtübernahme durch die Taliban vor der nächsten großen Zerreißprobe steht. Für eine bessere &bdquo;Übersicht“ in der gegenwärtigen Lage hatte der Verein um den Detmolder Vorsitzenden Dr. Ataullah Zulfacar unter anderen Dr. Hans-Ulrich Seidt, Ex-Botschafter und Buchautor, sowie den Lemgoer Richard Roßmanith , früherer Generalleutnant des Heeres der Bundeswehr , eingeladen.

Roßmanith war selbst von 2010 bis 2012 als stellvertretender Chef des Stabes für Stabilität im ISAF-Hauptquartier in Kabul. Seidt, der Anfang der 80er Jahre auch im Auswärtigen Dienst arbeitete, schrieb ein viel beachtetes Buch zum geopolitischen Hintergrund der Situation am Hindukusch. Etwa 60 Gäste verfolgten in kleinen Saal der Stadthalle die Podiumsdiskussion, die zudem neue Impulse erhielt, weil auch die 32-jährige Schahina Gambir, eine deutsche Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen (seit 2021 im Bundestag), nach Detmold gekommen war. Gambirs Geburtsstadt ist Kabul.

Emotionale Diskussion In einer teilweise sehr emotional geführten Diskussion ging es erwartungsgemäß um die Frage, welche Rolle der Westen und damit auch Deutschland künftig überhaupt noch in Afghanistan spielen könnte. Zur Erinnerung: Ende 1979 marschierte die Sowjetunion in Afghanistan ein, es kam bekanntlich zu großen Flüchtlingsströmen. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen brach ein Bürgerkrieg zwischen verfeindeten Gruppierungen aus. Später kam der Westen, aber nachdem es dem Nato-Bündnis nicht gelungen war, wirklich stabile demokratische Strukturen in Afghanistan zu etablieren, kam es ab 2018 zu direkten Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und den USA. 2021 zogen die USA und ihre Nato-Verbündeten ihre Truppen aus Afghanistan ab; die Taliban übernahmen das Land.

In dieser Lage, die offensichtlich keine einfachen Antworten provoziert, waren sich zumindest die meisten Menschen in der Stadthalle einig, dass eine Einflussnahme auf die Taliban und die Entwicklungen im Land nur gelingen könne, wenn man &bdquo;vor Ort sei“. Das wiederum scheint nach dem Abzug des Westens weiter weg denn je. Richard Roßmanith: &bdquo;Wir konnten in all den Jahren keine großen strategischen Entwürfe für Afghanistan entwickeln. Es wurde viel auf Papier festgehalten, aber real letztendlich zu wenig erreicht.“ Der Lemgoer Ex-Generalleutnant, der zwei Jahre selbst in Kabul lebte, geht heute davon aus, dass das Interesse der USA, sich dort noch einmal zu engagieren, sehr gering sei. Zudem sei der Einfluss aus dem Nachbarland Pakistan auf die Taliban enorm. Roßmanith: &bdquo;Im Kern sind die Taliban ein Produkt Pakistans.“

Dr. Ataullah Zulfacar, früher Arzt in Detmold, stellte zumindest fest, dass das Image Deutschlands in Afghanistan sehr gut sei. &bdquo;Es wurde immer festgehalten, dass Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern kein koloniales Interesse hat.“ Die Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir ließ nicht unerwähnt, dass der Vielvölkerstaat viel mehr eine Ansammlung von Provinzen sei als ein homogenes Land.

Im Publikum indes meldeten sich auch Gäste, die deutlich machen wollten, dass seit dem Abzug der Nato nicht alles schlechter geworden sei. Tenor: Die Sicherheit im Land habe sich nach der Übernahme der Taliban eher verbessert. Wirtschaftlich habe sich das aber wohl noch nicht ausgewirkt, denn nach wie vor ist die Bevölkerung am Hindukusch in weiten Teilen von Hilfslieferungen abhängig. Roßmanith verwies in seinem Schlussstatement nicht ohne Grund auf den bevorstehenden Winter und die stets schwierigen Bedingungen in Afghanistan.

Benefizkonzert zum Abschluss Das Jubiläumswochenende des Ärztevereins für afghanische Flüchtlinge endete am Sonntag mit einem Benefizkonzert in der Detmolder Martin-Luther-Kirche. Zugleich zeigte der Verein eine Ausstellung zur eigenen Arbeit im Klinikum und im Detmolder Rathaus. Unterstützt wurde die Tagung auch von der Lippischen Landeskirche, denn Pfarrer Dieter Bökemeier fungierte als Moderator. Ärztevereins-Vorsitzender Zulfacar: &bdquo;So eine Tagung kostet Geld, unser Verein ist weiter auf Spenden angewiesen.“

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