Erkältungswelle in Lippe: Woran es liegt und warum Viren mehr Angriffsfläche finden

Kreis Lippe. &bdquo;Eine Erkältungswelle rollt durchs Land“, &bdquo;immer mehr Krankheitsfälle“, &bdquo;die Büros sind menschenleer“, &bdquo;Kita wegen Grippewelle geschlossen“, &bdquo;Hausarzt spricht von einem ,Tsunami“ eine einfache Google-Abfrage zeichnet ein wahres Schreckens-Szenario der gesundheitlichen Lage in Deutschland. Fragen an Dr. Holger Heidenreich, Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie am Klinikum Lippe.

Herr Dr. Heidenreich, teilen Sie diese Einschätzung?

Dr. Holger Heidenreich: Das sind schon sehr ikonische Schlagzeilen. Ja, wir haben eine Masse an Erkältungskrankheiten. Aber ganz so dramatisch sehe ich es nicht. Doch es gilt natürlich, dass jeder auf sich achtgeben muss, zumal wir keine allgemeingültigen Quarantäne- oder Hygienevorschriften haben. Das war letzten Winter anders.

Sie sprechen die Corona-Schutzmaßnahmen an, wodurch Erkältungen minimiert worden sind.

Dr. Holger Heidenreich: Genau. Die Erreger von Erkältungskrankheiten, allen voran die Viren, haben mehr Möglichkeiten sich zu verbreiten, weil die Leute mehr rausgehen, sich in größeren Gruppen - auch in geschlossenen Räumen - treffen. Wir haben es also vermehrt mit Erkältungskrankheiten zu tun.

Können Sie denn sagen, wie sich das entwickeln wird?

Dr. Holger Heidenreich: Nein. Noch vor zwei Wochen war es deutlich schlimmer als aktuell, keiner kann vorhersagen, wie es nächste Woche aussehen wird. Zudem stehen wir erst am Anfang der Erkältungssaison, wir müssen dynamisch reagieren.

&bdquo;Im Winter sind nun mal sowieso mehr Menschen krank“

Oder ist es so, dass wir überreagieren, von einer &bdquo;wahren Erkältungswelle“ sprechen, weil wir den &bdquo;Normalzustand“ aus den Zeiten vor Corona wiederhaben?

Dr. Holger Heidenreich: Vielleicht haben wir alle ein bisschen vergessen und verlernt, wie das ist. Im Winter sind nun mal sowieso mehr Menschen krank. Das war vor Corona schon so.

Wie ist denn die Situation in Lippe?

Dr. Holger Heidenreich: Ich habe keine Statistiken. Was ich sage, beruht auf meinen Wahrnehmungen. Von einem &bdquo;Tsunami“ würde ich nicht sprechen, in aller Regel - vor allem bei jungen Leuten - sind diese Erkrankungen zeitlich begrenzt. Schwieriger wird es für abwehrgeschwächte Patienten, die länger zu kämpfen haben und bei denen es vielleicht Komplikationen gibt.

Und Corona ist wieder auf dem Vormarsch. Wie wappnet sich das Klinikum?

Dr. Holger Heidenreich: Gerade hier ist eine Corona-Erkrankung ein sehr sensibles Thema. Infiziertes Personal stellt immer eine Gefahr für Patienten dar. Dass man als symptomatisch erkrankter Mitarbeiter nicht arbeiten geht, versteht sich von selbst, man muss ja selbst wieder gesund werden.

&bdquo;Die Arbeitsbelastung ist derzeit gerade im Krankenhaus sehr hoch“

Und wenn ich keine Symptome habe?

Dr. Holger Heidenreich: Da ist es sehr, sehr schwierig zu sagen, wann jemand noch arbeiten darf/soll. Dazu gibt es höchstens Empfehlungen oder spezielle Regelungen seitens des Arbeitgebers. Auch besteht keine Teststrategie, sodass jeder die Verantwortung trägt. Bei aller Vorsicht: Wenn man sagt, es geht einem eigentlich gut - stellt sich dann nicht die Frage, ob man nicht mit Schutzbekleidung, vor allem mit Maske, arbeiten kann statt zu Hause zu bleiben, nur weil der Test positiv ist? Gerade in Zeiten des Personalmangels trifft das ja alle Arbeitgeber, nicht nur uns, immer hart. Und klar, das ist ein sehr sensibles Thema. Die Arbeitsbelastung ist derzeit gerade im Krankenhaus - aber natürlich nicht nur dort - sehr hoch, zu den Ausfällen beim Personal kommen sehr hohe Patientenzahlen. Wir bemühen uns nach Leibeskräften, diese zu versorgen - eine große Herausforderung.

Nun, die Verläufe bei Corona sind sehr unterschiedlich. Manche sind richtig krank, manchen merkt man es nicht an.

Dr. Holger Heidenreich: Das wird so bleiben. Wenn Patienten zu uns kommen, werden wir mit aller Vorsicht abwarten, wie der Verlauf ist - ob es in zwei Tagen nicht viel schlimmer ist. Aber wir haben eben auch Patienten hier - ohne ihnen einen Vorwurf machen zu wollen - , die gar nicht so schwer unter Corona leiden und schnell nach Hause könnten. Ähnlich wie bei einer normalen Erkältung, wo Sie nach zwei/drei Tagen wieder arbeiten gehen können.

Wie stehen Sie zur Impfung?

Dr. Holger Heidenreich: Grippe- und Corona-Auffrisch-Impfungen sind für Menschen ab 60 und medizinisches Personal wichtig. Wir hatten gerade in den vergangenen beiden Wochen viele Corona-Erkrankte. Es war ähnlich wie 2022, viele lagen auf der Intensivstation. In den meisten Fällen waren das ältere Leute, wo die Impfung lange zurücklag, oder solche mit einer Immunschwäche. Corona-Auffrisch-Impfungen sind für vulnerable Personen wichtig, zumal die Immunität mit der Zeit und mit dem Wandel der SARS-CoV-2-Varianten nachlässt.

Wie können wir uns am besten gegen Husten und Schnupfen wappnen?

Dr. Holger Heidenreich: Da gelten die altbekannten Regeln: An die Luft gehen, Spaziergänge machen, gesund ernähren, von Menschen mit Husten oder Schnupfen Abstand halten, Husten- und Niesetikette einhalten, wenn man selbst erkältet ist. Und wer richtig krank ist, bleibt am besten zu Hause. Das wurde in Corona-Hochzeiten großgeschrieben und gilt weiterhin.

Dr. Holger Heidenreich persönlich

Dr. med. Holger Heidenreich, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, ist Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie. Der 41-Jährige ist verheiratet und hat vier Kinder. Seit 2010 ist er in Lippe und seitdem auch am Klinikum Lippe tätig.

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