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Umweltprämie gekippt: E-Auto-Käufer denken über Storno nach

Jost Wolf

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Autohaus Stricker zeigt in Horn die vollelektrische Limousine ID.7 und bewirbt auch den Golf-großen ID.3. Ihr Absatz könnte nun durch den Wegfall der Umweltprämie zurückgehen. - © Jost Wolf
Autohaus Stricker zeigt in Horn die vollelektrische Limousine ID.7 und bewirbt auch den Golf-großen ID.3. Ihr Absatz könnte nun durch den Wegfall der Umweltprämie zurückgehen. (© Jost Wolf)

Kreis Lippe. Weil nach der Klage der Unionsfraktion und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds fehlen, ist nun ganz plötzlich die Elektroauto-Förderung Geschichte. Wie beurteilen lippische Autohändler jetzt die Situation? Die LZ hat sich umgehört.

„Das ist natürlich nicht so gut“, sagt Christoph Stricker, Geschäftsführer zweier Autohäuser in Horn und Detmold. „Wir hatten übers Wochenende schon erste Kunden, die mit Stornogedanken spielten.“ Bei VW würden Elektroautos im Agentursystem verkauft, sodass Vertragspartner für den Kunden der Hersteller sei. Stornierungen gingen also zu dessen Lasten. „Aber wir haben als Händler natürlich trotzdem gewisse Jahres- und Verkaufsziele.“ Es werde eine klare Verkaufsförderung nötig sein, um die gewünschten Stückzahlen zu erreichen.

Die plötzliche Abschaffung der Förderung bedeute für die Händler nun einen hohen Aufwand bei der Kundenbetreuung. Für die akuten Bestellungen erwarte er vom Hersteller eine Kompensation der weggefallenen Prämie, sagt Stricker. „Es gibt erste Hersteller, die das für ihre Kunden ersetzen. Man kann wohl auch darauf spekulieren, dass es mittelfristig Preisnachlässe geben wird.“ Denn bisher sei der Umweltbonus wohl eher bei den Herstellern gelandet und entsprechend eingepreist worden.

Das Geld fehlt bei der Fahrzeugfinanzierung

Eingepreist wurde er zu 95 Prozent auch bei der Finanzierung der Fahrzeuge, wie Dirk Eilers, Geschäftsführer des Lemgoer Renault-Autohauses erklärt. „Bei 36 Monaten Laufzeit bedeutet der Wegfall nun eine um 130 Euro höhere Rate im Monat.“ Das tue allen Mittel- und Geringverdienern sehr weh. Die Nachfrage nach mittelpreisigen Elektroautos werde nun komplett zurückgehen. „Ich glaube, dass der Verbraucher nun sehr verunsichert ist und erst mal abwartet, ob es nicht in einem halben Jahr wieder eine neue Prämie gibt.“

Eilers hätte sich ein weniger plötzliches Auslaufen der Umweltprämie gewünscht. „Vor allem für die Kunden, die schon bestellt haben und darauf warten, dass das Auto geliefert wird.“ Denn weil die Prämie erst nach Zulassung des Fahrzeugs beantragt werden kann, schauen diese Kunden nun in die Röhre. „Wenn die als Nachweis den Kaufvertrag mit hätten einreichen können, wäre das eine faire Sache gewesen“, sagt Eilers.

Andrej Usow, Geschäftsführer des Lemgoer Fiat-Autohauses Seeböck & Miess bemüht einen Vergleich, um deutlich zu machen, wie unfair der plötzliche Stopp der Prämie ist: „Wenn wir mit unseren Kollegen eine Weihnachtsfeier machen, stellen wir immer einen Fahrer. Es ist so, wie wenn wir nun - nachdem alle schon etwas getrunken haben - sagen würden: Den Fahrer können wir uns nun nicht mehr leisten.“

Vertrauensbruch gegenüber den Verbrauchern

Eugen Lieder, Lagenser Standortleiter des Autohauses Mattern, spricht von einem Vertrauensbruch. „Die Kunden werden jetzt bei E-Fahrzeugen ziemlich vorsichtig sein.“ Er rechnet nun mit einem besseren Absatz von Hybrid-Fahrzeugen, die zuletzt gegenüber reinen E-Autos den Nachteil der fehlenden Förderung hatten. Aber: „Dass die Akzeptanz von E-Fahrzeugen mittlerweile da ist, haben wir auch der Förderung zu verdanken. Nun werden wir in erster Linie unsere Tageszulassungen und Gebrauchten verkaufen können.“

Händler gibt es bei Tesla nicht. Die Niederlassungen gehören alle dem Hersteller. Bestellt werden die Fahrzeuge ausschließlich online - was Kunden ein Widerrufsrecht gibt, wenn sie vom Wegfall der Umweltprämie überrascht wurden und das Fahrzeug nicht mehr abnehmen möchten. - © pexel/screen post
Händler gibt es bei Tesla nicht. Die Niederlassungen gehören alle dem Hersteller. Bestellt werden die Fahrzeuge ausschließlich online - was Kunden ein Widerrufsrecht gibt, wenn sie vom Wegfall der Umweltprämie überrascht wurden und das Fahrzeug nicht mehr abnehmen möchten. (© pexel/screen post)

Bei Volvo Markötter erwartet man Kaufprämien von Herstellerseite, wenn die aktuelle Zinslage stabil bleibt. Und für die derzeit noch offenen Bestellungen werde wohl zumindest der Herstelleranteil der Umweltprämie gezahlt - also ein Drittel. Vollelektrische Gebrauchtfahrzeuge gebe es im Premiumsegment von Volvo noch nicht. Und die elektrische Schwestermarke Polestar werde rein online vertrieben - genauso wie Tesla.

Dieser Online-Direktvertrieb eröffnet Kunden, die gerade ein Fahrzeug bestellt haben und es wegen der nun gestrichenen Umweltprämie nicht mehr haben möchten, eine zusätzliche Möglichkeit. Denn bei Onlinebestellungen gilt das Fernabsatzrecht, nach dem Kunden bis zu 14 Tage nach Erhalt der Ware das Recht zum Widerruf haben. Ein Widerruf ist auch vor Auslieferung jederzeit möglich. Der Autohersteller muss dann die geleistete Anzahlung oder den gesamten Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen erstatten.

Wer ganz klassisch beim Autohändler bestellt hat und das E-Auto nun doch nicht mehr haben möchte, sollte das Gespräch suchen. Die Autohersteller handhaben Stornierungswünsche unterschiedlich.

Obwohl in Lippe bei den Fahrzeugzulassungen auch ein Rückgang von Verbrennungsmotoren und eine Zunahme von alternativen Antrieben zu beobachten ist, liegt der Kreis sowohl unter den landesweiten, als auch den bundesweiten Zahlen. Das hat die Auto-Ratgeber-Seite CarWiki.de mit Zahlen des Kraftfahrtbundesamts ermittelt.

Im bundesweiten Ranking zur Elektromobilität belegt Lippe aktuell Platz 203 von 399. Der durchschnittliche Anteil alternativer Antriebe (Elektro und Hybrid) liegt bundesweit bei 9,1 Prozent und in Lippe bei 8 Prozent. Aktuell sind hier 5993 vollelektrische Fahrzeuge und 3399 Hybrid-Pkw zugelassen. - © Grafik: CarWiki.de
Im bundesweiten Ranking zur Elektromobilität belegt Lippe aktuell Platz 203 von 399. Der durchschnittliche Anteil alternativer Antriebe (Elektro und Hybrid) liegt bundesweit bei 9,1 Prozent und in Lippe bei 8 Prozent. Aktuell sind hier 5993 vollelektrische Fahrzeuge und 3399 Hybrid-Pkw zugelassen. (© Grafik: CarWiki.de)

Die Geschichte des Umweltbonus

Im Juni 2016 war der Umweltbonus eingeführt worden. Für den Kauf rein-elektrischer Fahrzeuge gab es damals 4000 Euro Prämie, die halbe-halbe vom Staat und vom Hersteller bezahlt wurde. Für per Stecker aufladbare teilelektrische Hybrid-Fahrzeuge gab es 3000 Euro Zuschuss. Ab November 2019 wurde die Prämie für Fahrzeuge bis maximal 40.000 Euro Listenpreis auf 6000 Euro erhöht. Für Hybrid-Autos gab es 4500 Euro. Käufer teurerer Fahrzeuge bis 65.000 Euro bekamen 5000 für E-Autos und 3750 Euro für Plug-in-Hybride. Anders als in der Anfangszeit der Förderung mussten die Autos nun erst gekauft und zugelassen werden, bevor ein Förderantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gestellt werden konnte.

Um die Corona-Absatzflaute abzufedern, wurde im Juni 2020 der staatliche Anteil des Umweltbonus verdoppelt. Nun gab es mit dem Herstelleranteil für E-Autos 9000 Euro und für Hybride 6750 Euro. 7500 und 5625 Euro für entsprechende Fahrzeuge von 40.000 bis 65.000 Euro Listenpreis. Diese Regelung sollte eigentlich bis Ende 2025 Bestand haben. Zusätzlich profitierten Käufer von Juli bis Dezember 2020 vom gesenkten Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent.

Mit der neuen Ampelregierung gab es ab Januar 2023 dann keine Förderung für Hybrid-Fahrzeuge mehr. E-Auto-Käufer bekamen 6750 oder 4500 Euro Prämie, je nach Listenpreis. Im September 2023 entfiel die Förderung für gewerbliche Käufer. Ab Januar 2024 sollte die Förderung für Fahrzeug ab 45.000 Euro Listenpreis komplett entfallen und darunter sollten 4500 Euro gezahlt werden. Weil nun aber 60 Milliarden im Klima- und Transformationsfonds fehlen, ist jegliche Förderung am 17. Dezember 2023 vorzeitig beendet worden. Bereits zugesagte Förderungen werden ausgezahlt. Anträge, die bis zum Stichtag beim Bafa eingegangen sind, werden – sofern die Fördervoraussetzungen vorliegen – bewilligt. (jow)

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