Kreis Lippe. Die Debatte um die Zukunft des Klinikums Lippe ist voll entbrannt. Nachdem die CDU am Mittwoch (25. September) Landrat Axel Lehmann (SPD) „hektischen Aktionismus“ vorgeworfen hatte, meldet sich nun die SPD zu Wort - und äußert Erstaunen über die christdemokratische Reaktion. „Spätestens seit Dezember letzten Jahres diskutieren wir die veränderten Rahmenbedingungen. Unser Landrat hatte angekündigt, dass nach der Sommerpause ein Konzept vorläge, über das zu entscheiden sei.“ Die SPD habe, so Katrin Freiberger, Vorsitzende der SPD Lippe, die Zeit genutzt, um sich auf diese schweren Entscheidungen vorzubereiten. SPD fordert Transparenz Dieses Konzept läge nun vor, und die SPD Kreistagsfraktion habe sich mit zahlreichen konstruktiv-kritischen Fragen darüber mit der Geschäftsleitung auseinandergesetzt. Verwundert äußert sich die SPD auch darüber, dass die CDU nach einem „intensiven Austausch“ mit Klinik-Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte diesen aufgefordert hat, ein weiteres Konzept aufzustellen - „weitestgehend ohne Verlagerung nach Detmold der seitens der Berater vorgeschlagenen Abteilungen“. Katrin Freiberger: „Wenn Dr. Hütte nun gegenüber der CDU-Fraktion angedeutet hat, es gäbe andere Möglichkeiten als die, die er selbst erst kürzlich mit vorgestellt hat, sollte er möglichst schnell Transparenz schaffen, ob wirklich eine neue Sachlage entstanden ist.“ Wie berichtet, hatten die Spitzen des Klinikums und Landrat Lehmann in der vergangenen Woche Details zur geplanten neuen Struktur der lippischen Krankenhäuser bekannt gegeben. Der Standort Lemgo würde als Fachklinik für Geriatrie mit einer Allgemeinen Inneren Medizin, einer Ambulanten Radiologie, der Nuklearmedizin/Strahlentherapie, einer Neurologischen Frühreha, der Weaning-Abteilung und der Krankenhausapotheke sowie ambulanten Angeboten weiterentwickelt. Insgesamt sollen 120 Betten vorgehalten werden. Alle anderen Abteilungen sollen in den kommenden Jahren eine nach der anderen nach Detmold umziehen - darunter die beiden chirurgischen Abteilungen, die Onkologie und die Neurologie. Für Lemgo sind Medizinische Versorgungszentren, ein Hospiz und eine Universitätsambulanz im Gespräch. Kommunen finanziell nicht überfordern Nachdem die nordlippischen Bürgermeister von Dörentrup, Barntrup und Extertal sowie das Stadtoberhaupt von Lemgo nach Bekanntwerden der Pläne in einer gemeinsamen Erklärung geäußert hatten, diese „überträfen die schlimmsten Befürchtungen zur beabsichtigten Zukunftsentwicklung des Klinikstandortes Lemgo“, melden sich nun weitere Bürgermeister zu Wort - unter anderem Torben Blome und Jörg Bierwirth. „Kirchturmdenken wird uns nicht weiterhelfen“, mahnt der Lügder Blome. Benötigt werde eine Lösung für ganz Lippe. „Ich habe Verständnis für die Stadt Lemgo und auch die Hauptbetroffenen in Nordlippe, dass diese mögliche Entwicklung einen Einschnitt bedeuten würde. Es darf aber nicht passieren, dass 16 Städte und Gemeinden als mittelbare und der Kreis Lippe als unmittelbarer Gesellschafter durch Fehlentwicklungen finanziell derart überfordert werden, dass Stadt- und Kreisentwicklungen für die Zukunft entscheidend über Jahre negativ beeinflusst werden“, sagt Blome. Zum Wohle der Patienten und für die Beschäftigten müsse eine nachhaltige und wirtschaftliche Perspektive des Klinikums Lippe – als Teil des Universitätsklinikums OWL der Universität Bielefeld - im Vordergrund der Entscheidungen stehen. Amtskollege Bierwirth aus Schieder-Schwalenberg sieht das ähnlich: Natürlich müsse die medizinische Versorgung in der Fläche gewährleistet werden. „Wichtig ist aber auch die Qualität der medizinischen Versorgung, und die kann vor allem in spezialisierten und ausreichend großen Einheiten garantiert werden. Auch für mich als Patient genießt eine Einrichtung höheres Vertrauen, wenn ich weiß, dass ich dort rundum von Spezialisten versorgt werden kann und nicht nur bei einzelnen medizinischen Disziplinen.“ Und bei all dem müsse die Lösung wirtschaftlich tragfähig sein. Sachlich diskutieren Angesichts der jetzt entbrannten öffentlichen Diskussion mahnen Bierwirth und Blome, das Thema Klinikum nicht parteipolitisch auszuschlachten: „Die Diskussion um das Klinikum wird auch sehr emotional geführt. Ich hoffe aber, dass das Thema im jetzt aufkommenden Wahlkampf mit der gebotenen Sachlichkeit diskutiert wird. Alles andere würde der guten Arbeit der Beschäftigten nicht gerecht und würde dem Klinikum völlig unnötig und unbegründet schaden“, meint Bierwirth. Und Blome sagt: „Die Beschäftigten des Klinikums Lippe leisten hervorragende Arbeit und haben Klarheit in diesen Fragestellungen verdient. Alle Verantwortlichen sind daher auch gehalten, den Zeitpunkt der notwendigen Entscheidungen nicht zu verpassen oder aus parteipolitischem Kalkül hinauszuzögern.“ Das sei auch klarer Wunsch der Beschäftigten, dies habe der Betriebsratsvorsitzende deutlich zum Ausdruck gebracht, sagte Blome, der wie sein Lagenser Kollege Matthias Kalkreuter in der vergangenen Woche bei der Infoveranstaltung, bei der es um die Pläne für den Klinikstandort Lemgo ging, dabei war. Dieser sagt: „Man muss das große Ganze im Blick behalten“, und das sei ein kommunales Krankenhaus mit einer qualitativ hochwertigen Versorgung für die Patienten. „Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach, die Kosten steigen, die Refinanzierung durch Bund und Land sind nicht auskömmlich.“ Eine schwierige Lage, auf die der Kreis wohl überlegt reagieren müsse. Die Ansätze mit einer modernisierten zentralen Notaufnahme und den Fachkliniken dahinter für eine bessere Versorgung des einzelnen Patienten halte er für nachvollziehbar, „auch wenn ich natürlich kein Mediziner bin“. Und für die Lagenser sei es im Grunde fast egal, ob sie nach Lemgo oder Detmold fahren. Losgelöst vom Standort müsse die Frage lauten, wie die Qualität der Versorgung für die Lipper garantiert werden könne. Patienten von einem Standort zum anderen bringen zu müssen, weil zwei Abteilungen involviert seien, sei da nicht zielführend, Doppelstrukturen nicht effizient. „Klinikum an zwei Standorten führen ist möglich“ Die Auffassung der nordlippischen Kollegen - und insbesondere des Lemgoer Kollegen - könne er schon nachvollziehen. „Vor 40 Jahren wurde das Krankenhaus in Lage geschlossen, vor 20 Jahren in Bad Salzuflen.“ Das sei auch nicht ohne Proteste vonstattengegangen. Aber: „Wir müssen uns auch fragen: Was kostet uns der Betrieb des Klinikums?“ Denn am Ende stehe auch der Kreis mit in der Finanzierung - und über die Kreisumlage auch die 16 Kommunen. Ähnliches sagt auch Marcus Püster, Bürgermeister in Schlagen: Die Verantwortlichen sollten sich die Pläne genau anschauen und Lösungen präsentieren, wie das Klinikum wirtschaftlich aufgebaut werden kann, „damit es kein Fass ohne Boden wird“ und die Kommunen nicht noch stärker zur Kasse gebeten würden. Allerdings orientiere man sich in Schlangen sowie mehr gen Paderborn, auch was die Kliniken angeht. Dirk Tolkemitt, Bürgermeister in Bad Salzuflen und wohnhaft in Kalletal, sieht das hingegen anders: „Es ist durchaus möglich, ein Klinikum unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten an zwei Standorten zu führen.“ Lemgo als Akutkrankenhaus aufzugeben, sei ein großer Fehler. Allerdings: Für Salzufler spielten beide Standorte nicht die wesentliche Rolle, sie orientierten sich eher nach Herford oder Bielefeld. Und aus Nordlippe sei die Klinik in Vehlen besser erreichbar als Detmold. Bereits jetzt seien die Ränder Lippes im Klinikum nicht vertreten, das werde sich verstärken, ist Tolkemitt überzeugt. Und: „Lemgo auf die rudimentäre Versorgung zu reduzieren, wird nicht erfolgreich sein.“ So sei es in Bad Salzuflen auch gewesen, „das ist ein Ausbluten auf Zeit“. Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert.