Wann ist ein Mann ein Mann? Das steckt hinter dem neuen Training für Gewalttäter in Lippe

Kreis Lippe. Seit knapp zwei Jahren bieten Peter Hebeisen und Marcus Humke Anti-Gewalt-Training für jugendliche Straftäter an. Jetzt haben sie die Zielgruppe erweitert: Gerade ist der erste Kursus für erwachsene Gewalttäter zu Ende gegangen. Und für den Verein &bdquo;Die Brücke“, der Träger des neuen Angebots ist, steht bereits fest: Das bleibt keine Eintagsfliege.

Wer dieses Angebot wahrnimmt, tut das in der Regel nicht freiwillig, sondern auf Weisung des Gerichts: Verurteilte Gewaltstraftäter bekommen die Bewährungsauflage, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen. Die Idee dahinter ist, dass die Täter nicht nur ihre Strafe absitzen, sondern auch an sich arbeiten sollen. Dabei ist das Vorgehen ähnlich wie das bei den jugendlichen Teilnehmern. Auch in dem neuen Angebot geht es um Rituale und bestimmte Kampfspiele, aber auch um die Aufarbeitung der eigenen Biografie.

Keine Helden, kein Gesichtsverlust

Die Straftat, die jeder Einzelne begangen hat, spielt dagegen keine Rolle. Im Gegenteil: Wenn man die Tat in den Mittelpunkt stelle, bestehe die Gefahr, dass die Teilnehmer entweder das Gesicht verlören oder sich als Helden darstellten, erklärt Marcus Humke. Beides Reaktionen, die nicht erwünscht sind.

Ziel ist es, die Personen, deren Handlungsmuster oder auch ihr Rollenbild in den Fokus zu rücken. Gewalt habe - subjektiv gesehen - immer einen &bdquo;guten“ Grund. So könne männliche Gewalt unter anderem auch auf das eigene Verständnis von Männlichkeit zurückgeführt werden - und das wiederum ist geprägt vom eigenen Elternhaus, von der Kultur, in der man aufgewachsen ist, oder der Gesellschaft. Viele Männer verharrten in tradierten Männlichkeitsbildern, die Gewalt als probates Mittel sähen, um Konflikte zu lösen.

Bis es zur Aufarbeitung der Biografien in der Gruppe kommt, ist es ein längerer Weg. Zehnmal trafen sich die Teilnehmer an abendlichen Terminen alle zwei Wochen für 120 bis 150 Minuten. Zunächst habe Unsicherheit und Misstrauen vorgeherrscht, berichten die beiden Trainer: &bdquo;Man wusste ja nicht, was einen erwartet“, erläutert Peter Hebeisen.

Die Rituale und Kampfspiele seien von dem ein oder anderen zunächst belächelt worden, später sei aber der Sinn klar geworden: Es gehe darum, das Gegenüber wahrzunehmen und zu akzeptieren, sich gegenseitig Respekt zu zollen. Und: &bdquo;Die äußere Bewegung zieht auch die innere Bewegung nach sich. Dann gibt man auch mehr Dinge preis“, sagt Hebeisen.

Harte Konfrontation

In der Gruppe - von zehn Teilnehmern blieben am Ende fünf - sei nach einiger Zeit so viel Vertrauen aufgebaut worden, dass die Dinge offen angesprochen wurden: &bdquo;Es war eine harte Konfrontation, die Teilnehmer haben sich ehrliches Feedback gegeben, aber immer mit gegenseitigem Respekt“, berichten die beiden Trainer.

Der Kursus ist beendet, die Rückmeldungen an Projektleiter und Bewährungshelfer Jasper Ehrenwerth und die beiden Trainer war positiv: &bdquo;Einer der Teilnehmer hat aus Dankbarkeit am Ende sogar die ganze Gruppe zum Essen eingeladen“, erzählt Marcus Humke.

Bewährungshelferin Katrin Kuhfuß und Paul Wesseler, Richter am Oberlandesgericht in Hamm, gehören beide zum Vorstand des Vereins &bdquo;Die Brücke“ und sind froh, mit dem neuen Angebot eine Lücke in Lippe schließen zu können. Der Verein, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Unterstützung straffällig gewordener Menschen einsetzt, bietet bereits eine Sexualstraftätergruppe und ein Projekt gegen häusliche Gewalt an.

7500 Euro kostet das Anti-Gewalt-Training. Der nächste Kursus startet im Februar und soll dann über 15 wöchentliche Termine gehen. &bdquo;Wir sind darauf angewiesen, dass das Projekt in Richterkreisen bekannt wird“, betont Wesseler. Und das gleich aus zweierlei Gründen: Um Teilnehmer zu generieren, aber auch, damit die Richterinnen und Richter den Verein als möglichen Empfänger von verhängten Bußgeldern im Blick haben. Denn so refinanziert sich das Angebot.

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