Social Media erst ab 16 erlauben? Das sagen lippische Expertinnen dazu

Kreis Lippe . Sie wirken oft schon in den Händen von Kindern und Jugendlichen wie angewachsen und unverzichtbar: Smartphones. Der digitale Dauerbegleiter eröffnet durch die endlosen Möglichkeiten des Internets neue Welten, birgt aber genauso endlose Gefahren.

Um diese zu minimieren, hat das australische Parlament kürzlich entschieden, das Nutzen von Social Media nur noch ab 16 Jahren zu erlauben. Kann das wirklich etwas bringen? Und wäre der Down Under eingeschlagene Weg auch für den Kreis Lippe denkbar? Medienpädagogin Sabine Schattenfroh aus Lemgo kann das Gesetz zwar nachvollziehen, das vielschichtige Problem dahinter löst es aber aus ihrer Sicht nicht.

Exzessiver digitaler Konsum

Fakt ist aber: Fachleute beobachten hier im Kreisgebiet bereits seit Jahren, wie problematisch sich das unkontrollierte Nutzen von Medien bei Kindern und Jugendlichen entwickelt. Viele junge Menschen hätten sich während der Pandemie zurückgezogen, der digitale Konsum sei daher immer exzessiver geworden, sagt auch Diplom-Pädagogin Saskia van Oosterum, Leiterin der Drogenberatung Lippe. Die Gesellschaft habe für diesen unaufhaltsam wachsenden Trend immer noch keine passende Lösung gefunden. &bdquo;Die Schulen werden damit allein gelassen. Es gibt zwar kein Handyverbot, aber trotzdem sind Lehrkräfte ständig damit beschäftigt, Handys einzusammeln."

Aus Sicht der Drogenberatung müsste es für den Kreis Lippe eine Medienfachstelle geben, um die Probleme zentral gebündelt anzugehen und als Anlaufstelle für überforderte Familien zu dienen. Die Drogenberatung selbst hat in verschiedenen Schulen schon einige Schülerinnen und Schüler als sogenannte &bdquo;Net-Piloten" geschult, sagt Saskia van Oosterum. Die Gleichaltrigen dienten als niedrigschwellige Anlaufstelle und erster Anker für Probleme rund um Medienkonsum.

Das reiche allerdings nicht aus. Ein komplettes Social-Media-Verbot bis 16 Jahren, wie in Australien angedacht, hält die Diplom-Pädagogin eher für nicht umsetzbar. Die Altersgrenze sei viel zu hoch angesetzt und insgesamt sei das Gesetz mehr als Tropfen auf den heißen Stein zu betrachten.

Verbot als Notlösung

Das sieht Medienpädagogin Sabine Schattenfroh aus Lemgo ähnlich. &bdquo;Solch ein Social-Media-Verbot unter 16 Jahren kann nur als kurzfristige Schutzmaßnahme eingesetzt werden", meint die Expertin. Das australische Gesetz sei wie eine Notlösung für ein viel komplexeres Problem, es bringe aber auch Vorteile: Es &bdquo;macht aufmerksam und provoziert", sagt Schattenfroh. Die Hoffnung sei, dass aus der medienwirksamen Debatte fruchtbare und bessere Ideen hervorgingen.

Ein langfristiges Verbot wäre aus medienpädagogischer Sicht allerdings nicht haltbar. Es verlagere das Problem nur, erklärt Schattenfroh. &bdquo;Schnell werden dann einfach weniger regulierte Online-Räume genutzt, wie Messenger-Dienste, die noch schwieriger zu kontrollieren sind." Klar sei auch, dass junge Nutzerinnen und Nutzer ihre Eltern im Verbotsfall austricksen. &bdquo;Ich bewundere immer wieder den Erfindungsgeist der Kinder und Jugendlichen, um Jugendschutzfilter oder Altersfreigaben zu umgehen", sagt Schattenfroh. Zur Not gebe es noch das Smartphone der großen Schwester, um endlich wieder TikTok-Videos schauen zu können. &bdquo;Es gibt also kein Social-Media-Verbot, das nicht zu umgehen wäre."

Dennoch kann die Medienpädagogin die australische Herangehensweise durchaus nachvollziehen. Dass sich etwas ändern müsse, stehe außer Frage. &bdquo;Seit Jahren sind die vielfältigen Social-Media-Risiken weltweit bekannt, die nicht nur Kinder und Jugendliche gefährden, und nichts hat sich daran geändert." Cybermobbing, Beleidigungen, sexuelle Belästigung, Hatespeech, der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten, fehlendes Wissen über Rechte und Pflichten im Internet, Manipulation durch konsumierte Inhalte oder fehlendes Bewusstsein für Fakenews zählten nur zu einigen von vielen Problemstellen, die das Nutzen von Social Media gefährlich machten.

Bei aller Kritik und allen genannten Schwachstellen böten soziale Medien aber auch für junge Menschen eine Teilhabe am &bdquo;kommunikativen Austausch, an Lern- und Erfahrungsinhalten oder kreativem Austausch", meint Sabine Schattenfroh. Das sollten auch Jugendliche mitmachen dürfen. &bdquo;Ein Ausschluss führt ebenfalls dazu, dass die jungen Nutzer den sicheren Umgang mit Social Media erst zu spät erlernen und einüben können."

Medienkompetenz stärken

Die Medienpädagogin ist daher überzeugt davon, dass eine zentrale Strategie entwickelt werden muss, die mit altersgerechten Präventionsmaßnahmen und medienpädagogischen Angeboten die Internetgefahren verringert und die Medienkompetenz stärkt. Zu den wichtigsten Säulen zähle, die digitalen Räume sicherer zu machen und die Plattformen zu verpflichten, Jugendschutz ernstzunehmen. Dazu gehöre beispielsweise, eine funktionierende Alterskontrolle unter hohen Datenschutzauflagen zu schaffen.

Mindestens genauso entscheidend sei es, die Medienkompetenz von Familien weiter zu fördern. Hier könne nicht nur mit dem Finger auf die junge Generation gezeigt werden, auch Erwachsene müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein. &bdquo;Wie oft sieht man Mütter auf dem Spielplatz sitzen, die sich mehr mit dem Smartphone als mit dem Kind beschäftigen?", führt Saskia van Oosterum, Leiterin der Drogenberatung Lippe, als Beispiel an.

Die jungen Menschen und ihre Bedürfnisse ernstzunehmen, sieht Medienpädagogin Sabine Schattenfroh ebenfalls als wegweisend für deren Schutz an. Durch das unreflektierte und nicht kontrollierbare Nutzen sozialer Medien würden Ängste, Depressionen und Selbstzweifel zunehmen, das müsse sich dringend ändern. Besonders fatal: &bdquo;Die Kinder, die davon betroffen sind, werden immer jünger."

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