Drogen im Kofferraum: 70-Jähriger aus Horn-Bad Meinberg liefert sich Rennen mit Polizei

Detmold/ Horn-Bad Meinberg. 70 Jahre lang hat der ältere Mann dort auf der Anklagebank ein straffreies Leben geführt. Bis er sich im Dezember mit acht Kilogramm Marihuana im Kofferraum eine 150 Kilometer lange Verfolgungsfahrt quer durch die Bundesrepublik mit der Polizei geliefert hat. Es ist ein untypischer Fall, mit dem sich das Schöffengericht an diesem Freitag beschäftigt. &bdquo;Wir wundern uns über diese Straftat, die fällt vom Himmel“, fasst der Vorsitzende Richter Martin van der Sand zusammen. Am Ende kehrt der Senior nicht in U-Haft zurück.

Damit hat er durchaus Glück. Neun Streifenwagen waren dem bis dato völlig unauffälligen Rentner am Abend des 3. Dezembers 2024 über mehrere Autobahnen auf den Fersen, brachen aber letztendlich ab, um andere nicht zu gefährden. Zuvor hatte eine Zivilstreife der Grenzpolizei den Mietwagen mit Münchener Kennzeichen auf der A 3 kontrollieren wollen, der jetzt angeklagte Fahrer ignorierte aber alle Anhaltezeichen und raste teils mit 140 km/h davon. Selbst der später eingesetzte Polizeihubschrauber verlor am Ende den Kontakt.

Wie gefährlich die Situation gewesen sein muss, belegen zwei aus Streifenwagen aufgenommene Videosequenzen. Auf dem Material ist zu sehen, wie der flüchtende Fahrer sich waghalsig durch eine im Stau gebildete Rettungsgasse schlängelt. Immer wieder schreit eine im Wagen sitzende Beamtin der Bundespolizei ihrem Kollegen am Steuer zu: &bdquo;Vorsicht, pass auf!“ Ein anderer Polizeibeamter sagt später vor Gericht: &bdquo;Es hing nur vom Zufall ab, dass nichts passiert ist.“

Gefasst wurde der 70-Jährige wenige Stunden später an seiner neuen Anschrift in Holzhausen-Externsteine nur, weil sein Mietwagen auf Anfrage der Polizei von der Firma geortet werden konnte. Neben den acht Kilogramm Marihuana - mit einem Wert von etwa 80.000 Euro - im Kofferraum fanden die Ermittler in seinem Haus noch zwei weitere Päckchen Marihuana und rund 650 Euro in bar. Aber eben nichts, was - bis auf die beachtliche Menge an Drogen - auf einen anstehenden Verkauf hindeutete. Keine Waage, nichts zum Portionieren, nichts.

Angeklagter fürchtet den eigentlichen Dealer Die fehlenden Indizien kommen dem Senior nach vier Monaten U-Haft am Freitag vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Detmold zu gute. Er selbst sagt während der Verhandlung nicht viel, lässt das Geständnis über seinen Verteidiger Arne Lietmann aus Osnabrück übermitteln. Sein Mandant sei selbst seit Jahren Konsument und habe die acht Kilo Cannabis aus den Niederlanden bloß für jemand anderen abgeholt. &bdquo;Den Kontakt möchte er nicht benennen, weil er noch einen ruhigen Lebensabend verbringen möchte.“

Ein paar 100 Gramm hätte der 70-Jährige nach der Auftragsfahrt für den Eigenbedarf behalten dürfen, erklärt der Verteidiger weiter, den Rest hätte der Horn-Bad Meinberger für den eigentlichen Dealer bunkern sollen. Eine Übergabe wäre später wie abgemacht erfolgt, erklärt der Angeklagte auf Nachfrage des Richters selbst. Die weiteren Hintergründe spielen keine Rolle.

Das klassische Bild eines Drogendealers samt langer krimineller Vorgeschichte gibt der Senior nicht ab. Unter seiner offenen Lederjacke blitzt ein rot-kariertes Hemd durch, die grauen Haare hängen zerzaust die Schultern hinunter. Wie der Angeklagte mit der U-Haft klargekommen ist, möchte der Vorsitzende noch wissen. &bdquo;Damit muss man erst zurechtkommen“, antwortet er. &bdquo;Dieser Freiheitsentzug, dass man nicht machen kann, was man will, fühlt sich schlecht an.“

Schöffengericht verhängt Bewährungsstrafe Während der Richter das Urteil verkündet, schaut der Horn-Bad Meinberger die meiste Zeit aus dem Fenster. Zwei Jahre Haft auf Bewährung hält das Schöffengericht wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben sowie einem gefährlichen Fahrzeugrennen für angemessen. Außerdem soll der Angeklagte 2500 Euro Geldauflage an die Drogenberatung in Detmold zahlen sowie seinen Führerschein erst nach 24 Monaten Sperre wiedererlangen dürfen.

Auf den ungefähren Strafrahmen von anderthalb bis zwei Jahren hatten sich die Prozessbeteiligten im Falle eines Geständnisses beim Rechtsgespräch zum Verhandlungsbeginn verständigt. Weil der Angeklagte in seinem hohen Lebensalter bisher ein straffreies Leben geführt habe, sieht die Kammer eine positive Sozialprognose für gegeben an.

Das Urteil stimmt in seiner Höhe mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft überein, die mit einer Führerscheinsperre von einem Jahr zufrieden gewesen wäre. Verteidiger Arne Lietmann wäre mit einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung dagegen gerne am unteren Ende des Deals geblieben. Dass sein Mandant nicht mehr zurück ins Gefängnis muss, scheint aber alles zu sein, was zählt.

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