Nach Diebstahl auf Vita Sol Parkplatz: Opfer holen sich gestohlenes Auto selbst zurück

Detmold. Für einen Prozess wegen Autodiebstahls wirkt der Anblick ungewöhnlich: In Fuß- und Handschellen schleppt sich der in U-Haft sitzende Angeklagte an der Seite von drei Justizwachtmeistern in den Sitzungssaal. Dass eine Gefahr von ihm ausgeht, entkräftet der Vorsitzende Richter Martin van der Sand wenig später direkt.

Die Maßnahme sei allein vorsorglich, weil die zuständige JVA in der Zelle des Mannes &bdquo;Fluchtwerkzeuge“ gefunden hatte. Was genau damit gemeint ist, entzieht sich der Kenntnis des Richters. Aber darauf kommt es nicht an. Um einer Haftstrafe kommt der Angeklagte eh nicht mehr herum.

Der 32-Jährige, der eigentlich mit Frau und Kind in den Niederlanden lebt, sitzt hier in Detmold vor dem Schöffengericht, weil er im Januar 2025 gemeinsam mit zwei Komplizen das Auto eines Rentners vom Parkplatz der Vita Sol Therme gestohlen hatte. Zuvor hatten die Männer den Senioren und seine Tochter im Schwimmbad ausgekundschaftet - und den entsprechenden Spind des 69-Jährigen aufgebrochen. Auch seine Geldbörse mit etwa 400 Euro Bargeld verschwand. Das alles gibt der Angeklagte zu.

Angeklagter zeigt Reue Daher ist eine detaillierte Beweisaufnahme an diesem Freitagmorgen nicht notwendig. Staatsanwalt Stefan Fölling fasst es im Plädoyer als &bdquo;viel offensichtlicher kann es gar nicht sein“ zusammen. Schließlich gebe es Fingerabdrücke am neu angebrachten Kennzeichen des gestohlenen Autos sowie Videoaufnahmen der Überwachungskamera, die den Angeklagten belasteten. Der 32-Jährige selbst wirkt eingeschüchtert. &bdquo;Es tut mir sehr leid, es war ein Fehler. Das war alles meine Schuld“, sagt er zu Beginn.

Nach knapp einer Stunde verurteilt ihn das Schöffengericht wegen Diebstahls zu einem Jahr und zehn Monaten Haft. Eine Bewährung kommt für das Gericht nicht infrage, schließlich hatte der Mann die Tat in Salzuflen unter laufender Bewährung wegen eines Urteils zu gewerbsmäßiger Hehlerei begangen, erklärt der Vorsitzende.

Das ist nicht alles. &bdquo;Die Tat ist ja schon mal vorgekommen“, sagt Richter van der Sand. Vor Kurzem sei der Angeklagte bereits vor einem anderen Gericht wegen ähnlicher Vorwürfe zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Am kommenden Montag sitze er in Gelsenkirchen wieder auf der Anklagebank. Ein weiteres Verfahren dieser Art steht auch noch aus.

Odyssee durch die Gerichtssäle &bdquo;Wir tingeln gerade durch die Gerichte, das ist nicht optimal“, sagt sein Verteidiger Jörg Tigges aus Dortmund. Das liege daran, dass die Tatorte und Ermittlungsverfahren deutschlandweit verstreut seien, entgegnet der Richter. Am Ende der Verfahrenskette werde ein Landgericht wohl eine Gesamtstrafe bilden müssen.

Sein Mandant hätte die Taten nur begangen, weil er in den Niederlanden als Ausländer aus Bosnien-Herzegowina keine Arbeitserlaubnis bekommen hätte, sagt der Verteidiger. Dabei habe er einfach in Ruhe mit Frau und Kind leben wollen, das zweite sei gerade auf dem Weg. &bdquo;Er hat Schulden gemacht - und musste die bezahlen. Deshalb ist er in die Sache mitreingezogen worden.“

Wieso der Angeklagte und seine beiden gesondert verfolgten Mittäter ausgerechnet auf die Vita Sol Therme in Bad Salzuflen kamen, bleibt auf Nachfrage von Staatsanwalt Fölling unklar. Den gestohlenen Mercedes - dessen Wert das Gericht auf 28.500 Euro schätzt - hat der Senior sogar wieder.

Opfer holen sich ihr Auto selbst zurück Wenige Tage nach dem Diebstahl sei die Polizei vom Autohersteller auf eine Anzeige bei Kleinanzeigen aufmerksam gemacht worden, sagt ein Beamter vor Gericht aus. Das sei Zufall gewesen, weil ein Interessent vorsichtshalber bei einem bei Mercedes arbeitenden Bekannten nachgefragt hatte, ob mit dem Angebot wohl alles in Ordnung sei.

Kollegen aus Osnabrück hätten es dann geschafft, ein Ortungssystem des Wagens freizuschalten, erklärt der Ermittler. Trotzdem habe die Polizei den Wagen nicht gefunden. Der rechtmäßige Besitzer sei dann mit seiner Tochter selbst noch mal losgefahren und habe seinen gestohlenen Wagen tatsächlich entdeckt. Die erwachsene Tochter wird nach der Urteilsverkündung selbst emotional. &bdquo;Eine Unverschämtheit, dass ihr das gemacht habt“, ruft sie dem Angeklagten hinterher. &bdquo;Ich konnte nachts nicht schlafen.“

Mit dem Urteil bleibt das Schöffengericht zwei Monate unter dem Antrag von Staatsanwalt Fölling. Verteidiger Tigges plädiert dagegen zuvor auf ein Jahr und drei Monate Haft. Es wird wohl auch in Detmold nicht das einzige Verfahren dieser Art bleiben. Ein weiterer geständiger Mittäter aus dem Trio ist inzwischen laut Staatsanwalt gefasst -und sitzt ebenfalls in U-Haft.

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