Prozess mit Hindernissen: Wie ein angeklagtes Trio plötzlich trotz U-Haft zum Duo wird

Detmold. Manchmal ist der Wurm drin. Noch bevor der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer die Sitzung vor der ersten Großen Strafkammer offiziell eröffnen kann, gerät der Termin ins Stocken. Der Platz neben Verteidiger Dr. Carsten Ernst bleibt leer, obwohl sein Mandant in U-Haft sitzt und mit zwei Mitangeklagten vorgeführt werden soll. Weil sich der Haftbefehl des Lagensers aber offenbar auf ein anderes Verfahren bezieht, wird aus dem angeklagten Trio in Saal 165 auf den ersten Blick unfreiwillig ein Duo. Der fehlende Angeklagte bleibt nicht die einzige Hürde.

Dass einer an diesem Nachmittag fehlt, sieht der Vorsitzende Richter allerdings gar nicht unbedingt als schlimm an. Gegen den abwesenden Lagenser lägen schließlich weitere Vergewaltigungsvorwürfe vor, teils angeklagt, aber noch nicht mit den anderen verbunden.

&bdquo;Der Schwerpunkt seines Verfahrens wird wohl woanders liegen“, sagt Niemeyer. Und mit diesen Vorwürfen hätten die beiden Mitangeklagten - er aus Horn-Bad Meinberg (41), sie aus Bielefeld (41) - nichts zu tun. Deshalb trennt die erste Große Strafkammer das Verfahren gegen den abwesenden Angeklagten direkt ab. Daran ändern auch die leichten Bedenken der Prozessbeteiligten nichts.

Anklageverlesung dauert 20 Minuten Staatsanwalt Stefan Fölling muss also zum zweiten Mal knapp 20 Minuten Zeit investieren, um die auch mit zwei Angeklagten immer noch umfangreiche Anklage zu verlesen. Im Sommer war der erste Versuch, den Prozess zu verhandeln, nämlich nach Verlesung gescheitert. Ein psychiatrischer Sachverständiger sollte hinzugezogen und die Drogenproblematik der Angeklagten unter die Lupe nehmen, aber ausgerechnet der Hauptangeklagte will sich nicht untersuchen lassen. Möglicherweise aus Angst, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht durchzustehen, vermutet sein Verteidiger.

Die Liste der gemachten Vorwürfe ist lang: 47 Anklagepunkte richten sich gegen den Horn-Bad Meinberger - es geht um Fahren ohne Fahrerlaubnis, Drogenbesitz, Urkundenfälschung und mehrfachen Diebstahl. Besonders schwer wiegen die Einbruchsaktionen, die der Hauptangeklagte zwischen März und Dezember 2024 begangen haben soll - teilweise war daran auch die mitangeklagte Bielefelderin beteiligt.

Mit dem Auto rückwärts gegen Geschäftstüren? Mehrfach soll der Hauptangeklagte mit dem Auto rückwärts gegen diverse Eingangstüren von Geschäften gefahren sein – und sich durch die beschädigten Türen Zugang für verschiedene Diebeszüge verschafft haben. Die Beute war nicht ohne: Von Zigaretten für mehrere Hundert Euro aus einem Kiosk in Detmold bis zu teuren Werkzeugen aus einem Baumarkt in Barntrup im Wert von mehrere Tausend Euro war laut Anklage alles dabei. Der Sachschaden war enorm.

In die Beweisaufnahme kann die Kammer trotzdem noch nicht einsteigen. Die Prozessbeteiligten klären zunächst, wie das Verfahren weitergehen kann. Verteidiger Jerrit Schöll, der den Hauptangeklagten vertritt, macht keinen Hehl raus, dass die Verteidigungsstrategie nicht auf einen Freispruch aus ist. &bdquo;Für meinen Mandanten muss es sich aber auch lohnen“, sagt der Rechtsanwalt aus Bielefeld. Die Rechtsgespräche waren bisher gescheitert, weil die Vorstellungen über das Strafmaß zu weit auseinandergingen. Viel wird daher davon abhängen, wie der psychiatrische Sachverständige die Situation in der Hauptverhandlung bewertet.

Der Prozess wird am 29. Dezember fortgesetzt.

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