Prozess erneut geplatzt: Gericht erlässt Haftbefehl gegen angeklagten Chef aus Detmold

Detmold. Manche Prozesse stehen unter keinem guten Stern, noch bevor sie überhaupt losgegangen sind. Zum zweiten Mal ist die Hauptverhandlung gegen einen 43-jährigen Detmolder wegen mehrfacher sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geplatzt. Weil der Angeklagte nicht auftaucht, kann das Schöffengericht vor dem Amtsgericht Detmold die Beweisaufnahme nicht durchführen. Der Richter macht daraufhin kurzen Prozess.

Beim ersten Versuch im März war es noch Verteidiger Murat Baspinar, der sich kurzfristig krankgemeldet hatte. Selbst der musste ein Attest vorlegen, es liegt der Akte bei. Am Freitagmorgen bleibt nun der für seinen Mandaten reservierte Platz auf der Anklagebank leer. Sein Mandant fühle sich nicht gut, erklärt Baspinar dem Gericht, er habe daher am Morgen angerufen und sich krankgemeldet. Weil seine Hausärztin nicht da sei, wolle der Mann einen Vertretungsarzt aufsuchen uns bis mittags ein Attest vorlegen. Das reicht dem Richter nicht.

Richter zweifelt an Krankmeldung &bdquo;Das Problem ist, ich weiß nicht, ob es stimmt“, sagt Richter Martin van der Sand im Sitzungssaal. &bdquo;Ich sehe, dass er nicht da ist. Ende.“ Rein formell fehlt der Angeklagte daher unentschuldigt, was ein Anlass ist, über eine Sicherungshaft nachzudenken. Das Schöffengericht sieht daher keine Alternative. &bdquo;Termin war um 9 Uhr. Keiner da. Haftbefehl.“ Dieses Vorgehen sei der einzig schlüssige Weg, schließlich wolle das Gericht sich nicht an der Nase herumführen lassen.

Verteidiger Murat Baspinar versucht noch, für seinen Mandanten in die Bresche zu springen und das Tempo rauszunehmen. Er habe das Verfahren intensiv mit ihm vorbereitet, daher geht der Verteidiger nicht davon aus, dass sich der Angeklagte entziehen will. An den hiesigen Gerichten sei es dazu nicht unüblich, meint der Rechtsanwalt aus Detmold, erst das Attest abzuwarten, bevor ein möglicher Haftbefehl ins Spiel kommt. Weder Richter Martin van der Sand noch Staatsanwalt Lukas Schackow sind von dieser Variante überzeugt.

Baspinar argumentiert weiter: &bdquo;Es ist doch nicht das erste Mal, dass ein Angeklagter zum Termin erkrankt.“ Staatsanwalt Schackow kontert: &bdquo;Es ist auch nicht das erste Mal, dass ein Angeklagter zur Hauptverhandlung einfach nicht kommt.“ Der Stimmung im Saal nach scheint niemand so richtig glauben zu wollen, dass der angeklagte Detmolder tatsächlich nicht verhandlungsfähig ist. Die Inhalte der Anklageschrift machen deutlich, was dem Angeklagten Bauchschmerzen bereiten könnte. Die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer.

Schwere Vorwürfe gegen Detmolder Zwischen Februar und August 2024 soll der Detmolder als Vorgesetzter in einer Zeitarbeitsfirma unter anderem gegenüber seinen zwei jungen Auszubildenden sexuell übergriffig geworden sein. 20 Vorfälle dieser Art hat die Staatsanwaltschaft Detmold zur Anklage gebracht.

Beim wohl juristisch schwerwiegendesten Vorfall soll der Mann eine gerade gebückt stehende Mitarbeiterin überrumpelt und versucht haben, ihren Kopf zu seinem Genitalbereich zu führen. Die Betroffene hatte dem Vorwurf nach in dem besagten Moment gerade einen auf dem Boden liegenden Stift aufheben wollen.

Derselben Frau soll der Angeklagte gedroht haben, ihren Lohn nur auszuzahlen, wenn die Mitarbeiterin unterschreibe, nicht sexuell belästigt worden zu sein. Die Zeugin habe sich geweigert, so hatte es das Amtsgericht im Vorfeld des Prozesses mitgeteilt, der Lohn sei ihr dennoch ausgezahlt worden. Bei den anderen Vorfällen geht es dem Gericht nach um unerwünschte Berührungen oberhalb der Kleidung an Hintern, Brüsten und Schultern.

Angeklagt ist außerdem ein mutmaßlich gewalttätiger Vorfall im Alkoholrausch in der Privatwohnung eines ebenfalls in der Firma arbeitenden Paares, das in dem Prozess als Nebenkläger auftritt. Nach einem gemeinsamen Abend soll der Angeklagte im Februar 2024 nackt vor der Tür der schlafenden Frau gestanden und erklärt haben, dass er mit ihr in einem Bett schlafen wolle. Dem über die Szene verwunderten Ehemann soll der Detmolder zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.

Zeuginnen sind gefrustet Die meisten der geladenen Zeugen sind zum eigentlichen Prozessbeginn da. Darunter sind auch Frauen, die von ihrem Chef belästigt worden seien sollen. Wieder müssen sie gehen, ohne auszusagen. Erleichtert über den erneuten Aufschub scheint keine zu sein. &bdquo;Eher im Gegenteil“, sagt eine junge Frau. &bdquo;Man kommt hier hin mit Angst, möchte endlich Klarheit haben - und dann passiert wieder nichts.“

Sollte der Angeklagte ein gültiges Attest vorlegen, wird der Haftbefehl aufgehoben. Ansonsten geht der Angeklagte in U-Haft.

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