Tief im Herzen grün: Verwaltungsvorstand Dr. Ute Röder verlässt Lippes Kreishaus

Kreis Lippe. Gar nicht so einfach, mit der Frau einen Termin auszumachen. &bdquo;Jeder Tag ist total durchgetaktet“, erklärt sie. &bdquo;Ich glaube, ich hatte vorher noch nie einen derart anstrengenden Job.“ Das ist auch jetzt noch so, kurz bevor die knapp 65-Jährige Ende des Monats ihren Hut als Verwaltungsvorstand im Kreishaus nimmt. Doch nun hat sie sich die Zeit genommen für ein Abschiedsgespräch mit der LZ.Es ist still auf dem Flur im fünften Stock des Kreishauses, Ute Röder macht die Bürotür weit auf. Dezentes Make-up, strahlend blaue Augen, gut sitzender Blazer, Bleistiftrock. Keine grellen Farben, schlichte Eleganz, die Diplombiologin ist eine Frau der leiseren Töne.

Jenseits der Klischees Das stilvolle Outfit ist nicht nur ihre Dienstkleidung, sondern war ein Stück weit auch ihre Geheimwaffe. &bdquo;Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich im Kostüm oder im Hosenanzug durchaus wohlfühle. Als ich in der Kreisverwaltung angefangen habe, war das für manche sicher auch ein Überraschungseffekt.“ Sie lacht. &bdquo;Ich weiß gar nicht, was ich jetzt mit all meinen Blazern machen soll.“

Die haben ihr gute Dienste geleistet, um die damals oft herrschenden Vorurteile Lügen zu strafen. Denn was war von einer Grünen schon zu erwarten, die 2011 als Fachbereichsleiterin an der Felix-Fechenbach-Straße auftauchte und noch keinerlei echte Verwaltungserfahrung hatte? Wohl eher eine Frau in Birkenstock und Strickpulli. &bdquo;Da hat so mancher dumm geguckt, als er merkte, dass ich so gar nicht dem Klischee entsprach.“

Große Loyalität Sie trat damals in Helmut Diekmanns Fußstapfen, der mehr als 20 Jahre die Umweltbehörde geleitet hatte. &bdquo;Und da dachten wahrscheinlich einige im Fachbereich, ich komme jetzt und erkläre denen die Welt.“ Doch hier wurden die Zweifler überrascht: &bdquo;Ich habe erst mal den Mund gehalten und ganz viel zugehört. Ich wollte immer erst beide Seiten kennen, bevor ich entschieden habe. Ich glaube, das hat mir eine Menge Akzeptanz bei meinen Kolleginnen und Kollegen beschert.“

Sie konnte sich die Zeit nehmen. &bdquo;Ich bin ja in eine vorher funktionierende Verwaltung hineingekommen. Aber natürlich hatte ich Vorstellungen, welche Akzente ich setzen wollte, und die bin ich nach und nach angegangen.“ Vielleicht nicht immer zur Zufriedenheit aller in ihrem Fachbereich. &bdquo;Aber ich habe immer eine große Loyalität erfahren, wenn es um Entscheidungen ging. Die wurden dann auch mitgetragen, auch wenn der ein oder andere meine Meinung nicht teilte.“

Als Kind des Ruhrgebietes – geboren ist sie in Recklinghausen und aufgewachsen in Ahlen und Kamen bei Hamm – dennoch nicht auf den Mund gefallen, auch wenn sie ihre Worte sorgfältig wählt. &bdquo;Manchmal werde ich aber auch mal polemisch, wenn ich glaube, dass ich mit Sachargumenten so gar nicht mehr weiterkomme“, gibt die Bielefelderin zu.

Mit viel Engagement hat sie sich für den Nationalpark Senne stark gemacht, und noch heute tut es ihr sehr leid, dass daraus nichts wurde. &bdquo;Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass die Kritiker von damals heute ihren Frieden mit der Entwicklung hätten und all die Vorteile erleben könnten, die so ein Nationalpark mit sich bringt, für die Gastronomie, den Tourismus, den Öffentlichen Nahverkehr und natürlich für die Natur.“ Statt dessen musste sie sich in jüngster Zeit immer wieder mit den geplanten Windrädern auf der Gauseköte herumschlagen. &bdquo;Aber bei Verwaltungsentscheidungen ist man einfach an die Rechtsprechung gebunden. Da gibt es leider nur wenig Ermessensspielraum.“

Ungerechtes Image Und dennoch ist gleichzeitig auch in der Verwaltung lösungsorientiertes Handeln das A und O, etwa im Baubereich. Die Erkenntnis, dass hier auch innerhalb des Rechtsrahmens ein gewisser Pragmatismus walten muss, um Projekte zu ermöglichen, statt sie zu verhindern und Gründe zu suchen, warum etwas gerade nicht geht, sei mittlerweile auch bei fast allen Mitarbeitern gelebte Praxis. Und es gelte, das öffentliche Interesse im Blick zu haben und den Stapel der Anträge nicht ausschließlich nach Eingang, sondern auch nach Bedeutung für Lippe zu sortieren. So viel Eigenverantwortung mit einer solchen Haltung müsse man den Kreisangestellten zubilligen.

Die Kreisverwaltung Lippes sei ein &bdquo;unwahrscheinlich großer Pool von hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, die nur zu oft und vollkommen zu Unrecht ein schlechtes Image in der Bevölkerung hätten. Und die vielfach nicht gut genug bezahlt werden: &bdquo;Wir suchen beispielsweise händeringend Bauingenieure, unser Fachbereich Bauen leidet unter großer Personalnot. Da müssen wir einfach mit der Wirtschaft konkurrenzfähig werden.“ Gerade erst habe ein Bewerber kurz vor Stellenantritt ein besseres Angebot aus der Wirtschaft bekommen und sei prompt abgesprungen. &bdquo;Das können wir uns nicht mehr erlauben, das muss auch die Politik trotz knapper Kassen begreifen.“

Gegen den Strom Womit wir bei der Wirtschaft wären: Infrastrukturmaßnahmen, sagt Ute Röder, müssen einfach schneller umgesetzt werden können, der Sand muss raus aus dem Getriebe: &bdquo;Das geht mitunter nur auf Kosten der Mitwirkung und Partizipation. Notfalls muss, natürlich gegen Entschädigung, schneller enteignet werden, um essenzielle Infrastrukturprojekte wie Leitungen oder Bahntrassen umzusetzen. Mit dieser Haltung bin ich bei manchen Naturschützern auch gegen den Strom geschwommen und angeeckt.“

Ein Beispiel: &bdquo;Wir waren 2013 mit dem damaligen Landrat Friedel Heuwinkel unter den Mitbegründern der begleitenden Initiative von SuedLink. Und die für die Energiewende wichtige Stromtrasse ist heute immer noch nicht gebaut.“ Genau zehn Jahre zuvor, als sie gemeinsam mit Matthias Füller die Biologische Station Lippe in Schieder aufbaute und als Geschäftsführerin Netzwerke knüpfte, stand sie sicher manchmal auf der anderen Seite des Schreibtisches, hat manches vielleicht auch anders gesehen. Doch noch immer ist sie bekennendes Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und engagiert sich im Vorstand der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, mit deren Unterstützung viele Umweltprojekte umgesetzt werden können.

Leben mit Widerspruch Als Fachbereichsleiterin hat sie vor Jahren gemeinsam mit Friedel Heuwinkel den Industriepark Belle mitgetragen, auch gegen die Kritik aus den eigenen Reihen. 2013 zog das erste Unternehmen auf die damals noch sehr grüne Wiese, und mittlerweile beherrscht das riesige Amazon-Center das Bild. Ein Fehler? – &bdquo;Ich hätte mir tatsächlich einen anderen Standort gewünscht, nämlich das ehemalige Hornitex-Gelände. Aber das war damals nicht möglich, man kam an die Grundstücke nicht ran.“ Nichts zu tun sei aber auch keine Option gewesen. Diese Widersprüche, die sie vielleicht auch im eigenen Umfeld unter die Nase gehalten bekommt, hält sie aus: &bdquo;Ich wusste, als ich diesen Job übernahm: Das ist manchmal halt so. Ich wusste, dass das für Irritationen sorgen könnte.“

Personalführung ist ihr Ding: &bdquo;Ich war in dem Team, das die Beratungs- und Entwicklungsgespräche für Mitarbeiter eingeführt hat. Und ich mag es, wenn Menschen aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen und dann doch gemeinsam eine Lösung finden.“

Dass sie sich seit 2021 mit ihrem Amtsantritt als Verwaltungsvorstand ein Stück weit von den Menschen in den ihr anvertrauten Bereichen Umwelt, Bauen, Geoinformation, Mobilität und Eigenbetrieb Straßen plus Geschäftsleitung des Abfallwirtschaftsverbandes entfernt hat, bedauert sie sehr, sagt Ute Röder. &bdquo;Hier auf dem Vorstandsflur ist es schon sehr still.“ In der Regel hat ihr Tag zehn Stunden. &bdquo;Und jeden Sonntagnachmittag nehme ich mir drei bis vier Stunden Zeit, um wichtige Akten in Ruhe zu lesen.“ Nur das Telefonieren auf dem Heimweg nach Bielefeld, das macht sie nicht mehr: &bdquo;Ich bin ein paar Mal geblitzt worden, und zwar jedes Mal in einem Diensttelefonat. Das geht so nicht.“

Sport muss sein Zwei Mal pro Woche macht sie Sport. Damit sie auch dabei bleibt und gegen den inneren Schweinehund helfen feste Termine mit einer persönlichen Trainerin. Hat der Job ihr jemals schlaflose Nächte beschert? &bdquo;Eher selten. Schlaflose Nächte hatte ich nur, wenn von meiner Entscheidung oder Fehlentscheidung Menschenleben hätten abhängen können, zum Beispiel im Falle der Naturdenkmalsicherung in einer Sturmnacht.“

Sie hat viel bewegt in Lippe. Das bescheinigt ihr auch ihr Chef, Landrat Dr. Axel Lehmann: &bdquo;Frau Dr. Röder hat als Fachbereichsleiterin und Verwaltungsvorstand den Umwelt- und Klimaschutz sowie den Ausbau der Mobilitätsangebote in Lippe ganz maßgeblich geprägt. Ob Klimaerlebniswelt, Limo-Verkehre, Radwegebau, Nachhaltigkeit oder die OWL-Klärschlammkooperation – Frau Dr. Röder hat entscheidend dazu beigetragen, Lippe zukunftsfähig aufzustellen“, sagt er auf Nachfrage der LZ.

Unter Männern Tatsächlich ist es nicht zuletzt ihrem Engagement zu verdanken, dass nun 80 Kommunen gemeinsam ihre Klärschlammentsorgung organisieren. Und sowohl hier als auch im Bereich Mobilität hat sie es mit vielen Männern und sehr wenigen Frauen zu tun. Ist das manchmal unangenehm? Wie viel Sexismus ist ihr begegnet? Wie viele Herrenwitze? – Gar nicht mal so oft, wie man glauben könnte. &bdquo;Ich bin ein paar Mal richtig gerade geworden. Und die Herrenwitze hab ich mit dem einen oder anderen Witz über Männer gekontert, und dann war Ruhe“, sagt sie, gibt aber zu: &bdquo;Das musste ich erst mal lernen.“

Nun ist das alles Geschichte. Was wird sie denn nun machen mit ihrer freien Zeit? Wird sie den Job vermissen? &bdquo;Ich glaube, es wird mir schon fehlen, an kleinen oder größeren Rädchen zu drehen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten haben mir einfach Spaß gemacht.“Da sie im Vorstand der NRW-Stiftung bleibt, hat sie noch ein bisschen Gelegenheit, ihre unzähligen Blazer aufzutragen. Aber die Füße werden oft in Wanderschuhen oder Gartenstiefeln stecken. Und ihre Nase in Büchern: &bdquo;Denn was mir wirklich schlaflose Nächte bereitet, ist die politische Entwicklung und dass der Klimaschutz wieder so in den Hintergrund tritt.“ Und sie möchte gern Lesepatin in einer Grundschule werden. &bdquo;Astrid Lindgren hat nämlich mal gesagt: Bildung ist die Hebamme der Demokratie. Dazu möchte ich gern beitragen.“

Tief im Herzen grün: Verwaltungsvorstand Dr. Ute Röder verlässt Lippes Kreishaus

Angebot zur Kommunalwahl

Zukunftsorientiert: Sabbenhausen zeigt, was der ländliche Raum kann

Windkraft: Wie viele Rotoren sich schon in Lippe drehen und wie viele dazukommen können

Lippe wartet auf die neuen Elektrobusse

„BioVerwertung Lemgo“: Auf der Maibolte werden 75 Millionen Euro investiert

Praktikum beim Lemgoer Marktkauf: „Get Your Job“ ebnet Weg zum Lagermitarbeiter

Die Beratung für lippische Senioren ist in Gefahr. So könnte die Rettung aussehen