Schlagloch, Schilder, Schockmoment: Vom Alltag des Straßenwärters auf der B1 bei Blomberg

Kreis Lippe . Warnlichter, ein orange-leuchtender Kastenwagen am Straßenrand, ein Mann, der schraubt, schneidet, schaufelt oder hämmert. Solch ein Hindernis wünscht man sich nicht im Berufsverkehr. Trotzdem: Genau diese Streckenkontrolleure sorgen in Diensten von Kommunen und Land überhaupt erst dafür, dass der Laden – sprich: der Verkehr – läuft. Ohne ihre täglichen Reparaturen und Instandhaltungen verkäme die Infrastruktur binnen kurzer Zeit. Das zeigt eine Fahrt von Schieder nach Blomberg und weiter auf der Bundesstraße 1 bis zur niedersächsischen Landesgrenze, die die LZ mit Streckenkontrolleur und Straßenmeister Burkhard Liene unternommen hat.

Früh aufstehen ist angesagt – um 7 Uhr macht sich Liene an der Straßenmeisterei des Landesbetriebs Straßenbau in Schieder abfahrtbereit – sich und seinen signalfarbenen Kastenwagen. Mehrere fabrikneue Leitpfosten schiebt der Straßenmeister durch die Kofferraumtür, dort stehen schon – sorgfältig sortiert – die wichtigsten Verkehrszeichen parat. Falls unterwegs Ersatz her muss.

Maximal mit Tempo 40 Kurze Fahrt zu einer offenen Halle, Müll abladen vom Vortag: ein Wahlplakat. &bdquo;Das habe ich unter einem Verkehrsschild abgenommen – dort dürfen die nicht hängen“, erklärt Liene. Im Gegenzug wandern sechs Eimer durch die Schiebetür an der Seite. &bdquo;Reaktionsmischgut“ erklärt der 56-Jährige. Manch einer spricht auch von Kalt-Asphalt. Ein &bdquo;Wundermittel“ gegen Schlaglöcher, wie Liene noch demonstrieren wird. Schon geht’s los, dieselbe Strecke wie jeden Montag, 320 Kilometer pro Woche. Von Schieder die B1 zwischen Schlangen und Sonneborn, der Köterberg, Truppenübungsplatz und bis hinauf nach Bösingfeld. Eine Strecke wie eine Westentasche.

An der Ampel links biegt Burkhard Liene auf die Hauptstraße ein. Direkt wird klar, was ein Streckenkontrolleur mitbringen muss: Nämlich Gelassenheit. Liene zockelt mit 30, maximal 40 Stundenkilometern, wo andere mit 70 bis 100 ein klares Ziel vor Augen haben – und nicht selten Zeitdruck. Für Liene ist der Weg das Ziel. Also heißt es, mit einem ungeduldigen Motorradfahrer im Nacken, bereits nach 100 Metern rechts ran, um den Biker und ein knappes Dutzend Autos vorbeilassen. &bdquo;Mit der Heckkamera sehe ich, wie viel sich schon staut – so oft es geht, fahre ich an die Seite. Im Berufsverkehr ist es am schlimmsten.“

An der Nessenbergstraße, Höhe Hohedömsen, schnallt sich der Streckenkontrolleur ab. Eine meterhohe Hainbuchenhecke, durchsetzt mit Brombeerranken, droht ein 70er-Schild zuzuwachsen. Liene klappt kurzerhand die Teleskop-Heckenschere aus und bereitet den zehn Metern Wildwuchs innerhalb von Minuten das Aus. Noch schnell mit dem Rechen ins Gebüsch geharkt ... &bdquo;das häckselt der Unimog“, weiß Liene um die Tatkraft der Kollegen.

Gemächlich hält er mit seinem Fahrzeug in Blomberg Einzug, lässt Phoenix rechts liegen. Am Kreisel zur B1 steht ein Schild verdreht – vielleicht der Wind, vielleicht Jugendliche. Ein kleiner Holzkeil, ein paar Schläge mit dem Hammer – schon sitzt wieder alles.

Nicht ganz so schnell geht es am Ostring. Fast direkt auf der Kreuzung klafft ein Schlagloch. &bdquo;Vor allem für Motorrad- und Radfahrer eine Gefahr.“ Es muss schnell gehen. Binnen einer Ampelphase gießt Liene aus einem der Eimer ein Häufchen Kaltasphalt übers Schlagloch und klopft die dunkle Masse mit der Schaufel fest. &bdquo;Ein kleiner Buckel muss bleiben“, weiß der Experte. &bdquo;Die Lkw fahren das fest. Nächste Woche sehe ich, ob es hält.“

Im Winter sind die Schlaglöcher ein Riesenthema. Manchmal braucht Liene 20 statt 6 Eimer pro Fahrt. Aber er ist froh um jeden einzelnen. &bdquo;Früher waren wir mit Anhänger und Speismühle unterwegs – das war aufwendiger.“ Bevor er einsteigt, klaubt Liene noch eine kleine Gummiplatte auf. Müll. &bdquo;Was auf der Straße liegt, muss weg“, sagt er. Sei er noch so klein ...

Davon kann entlang der B1 auf der Egge oftmals nicht die Rede sein. Auch die Strecke Richtung Paderborn ist Lienes Revier. Auf den Rastplätzen dort findet er so ziemlich alles an Müll, was man sich vorstellen mag oder auch nicht. Kochutensilien und Flaschen, als Nachttöpfe missbraucht, sind nur die Spitze des Eisberges.

Umso beschaulicher wird es hinter Blomberg – es geht durch Wald. Zwischendurch inspiziert Liene einen Teich, der im Falle eines Tanklaster-Unfalls das Öl zurückhalten soll. &bdquo;Hier haben wir schon Nutrias gesehen“, erzählt der Oberstraßenwärter und schließt das Tor.

Weiter geht es nun unterhalb der Straße auf dem Radweg. &bdquo;Für die Bäume haben wir einen Extra-Kontrolleur, da wird viel genauer hingeschaut als früher“, weiß der Straßenkontrolleur. Ein paar Äste und einen größeren Stein räumt er beiseite – für die große Müllaktion im Frühjahr kommt eine Extrakolonne. Schnell noch eine Mutter am Radwegsschild festziehen, das schief in der Verankerung hängt. Liene mag es, wenn an seiner Lieblingsstrecke, der B1, alles ordentlich und gepflegt ist.

Schlimmere Erinnerung an Unfall Eine Lieblingsstrecke, die allerdings auch mit einer schlimmen Erinnerung verbunden ist. Straßenmeister leben gefährlich, das sagt nicht nur die Statistik. Das sagt auch Liene. Ein Kollege und er haben vor Jahren einen Pfosten erneuert – Routinearbeit. Doch ein Lieferwagenfahrer schert direkt hinter dem abgestellten Kontrollwagen wieder ein, erwischt Lienes Kollegen voll. Der wird in den Graben geschleudert, gegen einen Baum, der Lieferwagen kippt, rutscht auf die Seite. Lebt der Kollege noch? Wem zuerst helfen? Ihm – oder dem Lieferwagenfahrer, der unter Schock steht? &bdquo;Ich habe nur funktioniert“, erinnert sich Liene. Wie durch ein Wunder kommt sein Kollege mit wenig mehr als einer Platzwunde am Kopf davon. Nicht nur einmal war Liene Ersthelfer am Unfallort. Das bringt der Beruf mit sich.

Die Devise: immer wachsam sein. Sowohl für die eigene Sicherheit als auch die an der Strecke. An der Windradbaustelle prüft Liene mit einem kurzen Blick durch die Windschutzscheibe, ob die Baufirma die richtigen Interimsschilder aufgestellt hat. Passt alles. Was nicht passt, ist der schiefe Leitpfosten auf der Gegenseite. Höhe Elisenstift – der kommt ins Hinterstübchen für die Rückfahrt.

Am Kreisel an der Anschlussstelle zur neuen Barntruper Ortsumgehung will Liene eigentlich nur ein paar Äste von der Fahrbahn räumen. Da fallen mit geschultem Auge sechs lose Steine am Bordstein auf. &bdquo;Da muss ein schwerer Lastwagen drüber gefahren sein“, erkennt der Streckenwart die lockere Angelegenheit. Mit Foto und Standort schickt er einen Auftrag an die Kolonne – da müssen die Kollegen mit schwerem Gerät ran. Im anderen Seitenarm des Kreisels ist die Leitplanke eingebeult. Mit Farbspray markiert der 56-Jährige die Stelle. &bdquo;Das kommt oft vor“, sagt er und füllt einen Auftragszettel aus. So etwas wird extern vergeben.

Vor Sonneborn noch ein kaputter Leitpfosten. Dieses Mal auf der &bdquo;richtigen“ Seite. Keine drei Minuten, da hat Liene ihn herausgezogen (fürs Recycling), eine neue Hülse in den Boden geschlagen und den fabrikneuen Ersatz verankert. Früher gab’s nach Wilbasen immer Großeinsätze – wenn Jugendliche auf dem Heimweg die Pfosten in Massen herausgerissen haben. &bdquo;Heute ist das weniger geworden“, weiß Liene, der 1985 seine Ausbildung gemacht hat.

Nach der Wende direkt auf der Landesgrenze registriert der Kontrolleur noch einige Baustellen: An der Tagesfuge, wo die Kolonne beim Asphaltieren Feierabend machen musste, platzen fast ständig Schlaglöcher auf. Am Sportplatz Sonneborn rückt der Nieheimer noch ein Schild zurück in den rechten Winkel zur Straße. Und eine Buche mit einer kahlen Stelle schreibt er dem Baumkontrolleur auf die Liste. &bdquo;Da muss jemand gegengefahren sein, das sollte sich der Fachmann ansehen.“

Die vielen Risse in der Straße sind übrigens ein Fall für den &bdquo;Risseboy“. Mit dem ziehen die Kollegen die typischen dunklen Streifen als Flickwerk über die kaputten Stellen. Die kleinen runden Löcher sind dagegen kein Schaden – sondern Kontrollbohrungen, um den Straßenzustand zu beurteilen.

&bdquo;Die Straßen werden älter und damit schlechter“, dessen ist sich Liene bewusst, als er durch das Tor zurück auf den Hof der Straßenmeisterei rollt. So sagt er im Sommerhalbjahr dem Verfall den Kampf an. Tag für Tag, Woche für Woche. Routine.

Bei Kälte wechselt er als Einsatzleiter zum Winterdienst. Abwechslung, aber Stress. Aufstehen um halb drei, die Lage checken, entscheiden, ob gestreut werden muss. &bdquo;Manchmal ist um 3 alles gut, um 6 dann plötzlich spiegelglatt. Dann gibt es Kritik“, weiß Liene, dass mit Autofahrern nicht zu spaßen ist. Gefühlt wird es ruppiger auf der Straße. &bdquo;Nur Holländer, die sind oft entspannter“, sagt der Kontrolleur. &bdquo;Ich freue mich über jeden, der sein Tempo für mich drosselt und über jeden Lkw-Fahrer, der mit Blinker grüßt.“

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