Lippequalität: Warum der Verein in die Bredouille geraten ist

Kreis Lippe. Der Verein Lippequalität ist in großen Turbulenzen. Es gibt Streitigkeiten vor Gericht um die (Nicht)-Erstellung der neuen Homepage; der Verein steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Vor allem aber geht es darum, was der Verein überhaupt will und kann: Ist es noch möglich, die 2002 selbst gesetzten Ansprüche zu erfüllen - nämlich regionale Produkte mit besonderen Qualitätsmerkmalen herzustellen, zu verarbeiten und unter der Regionalmarke Lippequalität zu vertreiben?

Bereits 2023 hatte der damalige Vorsitzende Jobst Flörkemeyer beklagt, dass die Lippequalität-Betriebe es nach dem Aus für die Logistik-Sparte des Integrationsunternehmens &bdquo;Lippe Regional “ aus Kapazitätsgründen leider nicht haben schaffen können, etwas Adäquates aufzubauen. Steigende Preise für Lebensmittel und anderes erschwerten das Geschäft; und auch, dass Läden zuweilen Produkte aus Aachen oder Tiefkühlkost aus Bielefeld als &bdquo;regional“ anpriesen. Der Begriff &bdquo;regional“ werde oft allzu willkürlich gewählt. Schon im April 2022 hatte er ein &bdquo;OWL-Logo“ zusätzlich zum Regional-Logo ins Spiel gebracht, daraus war aber nichts geworden. Flörkemeyer hatte sich schließlich erst zurückgezogen und war im März 2024 dann nicht mehr angetreten.

Sein Nachfolger Andreas Kuhlmann wiederum arbeitet heute nur noch als Beisitzer im Vorstand mit. Er war im November vom Vorsitz zurückgetreten. &bdquo;Nach einer Phase des Wohlwollens waren die alten Konflikte wieder aufgetreten.“ Geschäftsführender Vorsitzender ist nun Mathias Wernicke aus Leopoldshöhe. Die LZ hatte Fragen an beide.

Wie steht es um Lippequalität? Gibt es den Verein überhaupt noch?

Mathias Wernicke : Ja, doch das Vereinsleben ruht weitestgehend. Insgesamt sind gut 100 Mitglieder gelistet, vom Produzenten über Unterstützer bis zu Institutionen wie den Stadtwerken in Detmold, Bad Salzuflen und Lemgo.

Wie viele Läden/Marktstände verkaufen noch Waren unter diesem für Lippe doch recht etablierten Logo? Ich persönlich sehe die Waren selten, auch das markante Schild auf den Feldern macht sich rar.

Mathias Wernicke: Um die 70 Mitgliedsbetriebe haben die Lizenz zur Verwendung des Siegels. Inwieweit dieses genutzt wird, wird seitens des Vereins nicht überprüft.

Wie will der Verein einen Weg finden, sich angesichts der von Ex-Vorsitzendem Flörkemeyer im Dezember 2023 angeführten &bdquo;geänderten Rahmenbedingungen“ neu aufzustellen? Unter anderem ging es damals um die Definition des Begriffes &bdquo;Regionalität“.

Andreas Kuhlmann: Genau da liegt der &bdquo;Hase im Pfeffer“: Einerseits gibt es kaum noch Lebensmittelanbieter, die keine &bdquo;regionalen Produkte“ im Angebot haben – im Gegenteil, es wird genau damit massiv geworben. Hier scheint es so, dass es aktuell nicht mehr der Unterstützung von Initiativen wie Lippequalität braucht. Andererseits wäre es in den vergangenen zehn Jahren dringend notwendig gewesen, sich vereinsintern darüber zu verständigen, welcher Radius für Regionalität gilt.

Also etwa, ob etwa Milchprodukte oder Getreide aus Höxter oder Minden nicht auch aus der Region sind?

Andreas Kuhlmann: Genau. Das Beispiel Getreide verdeutlicht die Problematik exemplarisch. Zum Ersten können die lippischen Landwirte klima- und wetterbedingt nicht jederzeit die Mengen an hochwertigem, nachhaltig gewachsenem Getreide liefern, die nachgefragt werden. Deshalb durften die Mühlen in der Vergangenheit schon entsprechendes Getreide aus außerlippischen, angrenzenden Gebieten dazukaufen. Zum Zweiten ist es aber so, dass die rein in Lippe verbrauchten Mehlmengen für die größeren Mühlen einfach zu gering sind, als dass es sich für sie lohnen würde, den Mahlprozess entsprechend unseren Qualitätsanforderungen umzustellen.

Was passiert denn, wenn es in Lippe und Umgebung keine Mühle mehr gäbe, die für Lippequalität-Mitglieder Getreide verarbeitet?

Andreas Kuhlmann: Die vereinsinterne Fachgruppe für Mehl, Getreide und Bäckereien ist gefragt und müsste einen Vorschlag erarbeiten. Der Verein ist nämlich darauf angewiesen, dass die jeweiligen Fachgruppen die Situation beobachten, analysieren und reflektieren, um daraus die notwendigen Handlungsspielräume abzustecken und Strategien zu entwickeln.

Mathias Wernicke : Der Markenkern von Lippequalität ist zudem nicht jedem Menschen klar. Heißt regional auch gleichzeitig nachhaltig oder biologisch? Dies bedarf schon lange der eindeutigen Klärung.

&bdquo;Der Begriff der Regionalität soll weiter gefasst werden“ - unter dieser Überschrift berichtete die LZ schon im Februar 2022 von einem Lippequalität-Vorhaben.

Andreas Kuhlmann : Letztendlich hätte es innerhalb des Vereins einer klaren Strukturierung bedurft. Wer ist federführend? Die Produzenten? Die Vermarkter? Die Unterstützer? Alle sind Mitglieder im Verein, jedes Mitglied hat jeweils eine Stimme Ja, und dann sind die handelnden Personen entscheidend. Hitzige Streitlust führt zu nichts außer zu hohen Anwaltskosten. Der Vorgänger-Vorstand konnte die Gräben weder überbrücken noch zuschütten.

Und wie steht es um die Finanzen?

Mathias Wernicke: Die Geschäfte sind so geführt worden, dass in einem Jahr Kosten verursacht wurden, die etwa doppelt so hoch waren wie die Einnahmen.

Andreas Kuhlmann: Hätte es im Frühjahr 2024 nicht das eindeutige Stopp-Signal der Mitgliederversammlung zu diesem Ausgabenverhalten gegeben, wäre Lippequalität bereits im Herbst des gleichen Jahres aller Wahrscheinlichkeit nach gezwungen gewesen, Insolvenz anzumelden.

Auch in der Außendarstellung hapert es. Der Verkaufswagen wurde, kaum angeschafft, wegen Desinteresses der Mitglieder wieder verkauft. Die neue Homepage haben wir in der LZ schon Anfang 2022 und dann wieder im Dezember 2023 angekündigt. Wie viel Geld wurde dafür investiert, bis jetzt ohne sichtbaren Erfolg?

Andreas Kuhlmann: In Sachen Verkaufswagen war zuvor der Bedarf gar nicht erfragt worden. Und die Homepage ist das traurigste Kapitel, welches der in 2024 neu gewählte Vorstand mit mir an der Spitze zu bewältigen hatte und hat.

Sie sind auf der Website jüngst noch als Vorsitzender geführt worden. Deswegen mein Anruf bei Ihnen.

Andreas Kuhlmann: Die ist eben uralt, der Eintrag ist nun geändert. Doch das leidige Kapitel ist längst nicht beendet, sondern Gegenstand einer Auseinandersetzung beim Landgericht in Detmold. Wurden zunächst in 2022 Kosten von ca. 5.000 Euro den Mitgliedern genannt, steigerten sich diese in 2024 auf 30.000 Euro. Allerdings wollte ein Fördergeber, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz , bis zu 15.000 Euro spendieren, wenn die gleiche Summe vom Verein aufgebracht wird.

Das hört sich doch gut an.

Mathias Wernicke: Die Förderung wurde beantragt, im Dezember 2023 ausgezahlt. Die Auftragnehmerin sollte bis Februar 2024 das Produkt zur Abnahme dem Verein und dem Fördergeber präsentieren, was allerdings nicht geschah. Dennoch stellte sie Rechnungen, die vom Ex-Vorstand beglichen wurden. Erst mit Verspätung wurde ein Entwurf vorgelegt. Der Fördergeber sah dann aber so gravierende Mängel, dass er eine &bdquo;grundlegende“ Überarbeitung einforderte – was leider nicht geschah. So mussten Fördergelder zurückgezahlt werden. Es gibt keine neue Homepage, aber der Verein hat bereits fast 25.000 Euro investiert. Die Sache liegt nun bei Gericht.

Und wie soll es nun weitergehen?

Andreas Kuhlmann: Die Mitgliederversammlung wird darüber beraten und entscheiden müssen – gibt es einen Neustart oder versinkt der einst so erfolgreiche Verein ins Nirwana.

Mathias Wernicke: Und dieser Neustart bezieht sich sowohl auf die dringend zu klärenden Inhalte als auch auf die personelle Aufstellung.

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