Blutrache-Prozess in Bielefeld: So steht es um die Sicherheit an Gerichten in Lippe

Kreis Lippe/ Bielefeld. Während im Gerichtsgebäude gerade der Mord an einem früheren Profiboxer verhandelt wird, fallen draußen 14 Schüsse auf Angehörige des Angeklagten. Was sich liest, wie die Szene aus einem unrealistischen Actionfilm, ist vor dem Landgericht Bielefeld vor wenigen Monaten tatsächlich passiert. Dass dabei im Februar niemand gestorben ist, grenzt an ein Wunder. Ein ungutes Gefühl bleibt.

Das Landgericht Bielefeld ist seit Kurzem dabei, den aufsehenerregenden Fall im sogenannten Blutrache-Prozess gegen zwei Geschwister des getöteten Boxers Besar Nimani juristisch aufzuarbeiten. Das gesamte Verfahren zu der Ausnahmesituation am Rande eines laufenden Strafverfahrens lässt die Frage nach Sicherheit vor und in Gerichtsgebäuden erneut aufflammen. Wie sehr spielt dieser Aspekt an den kleineren Gerichten hier im Kreis Lippe eine Rolle?

Erhöhte Sicherheitspräsenz auch in Detmold Fakt ist: Auch das Landgericht Detmold setzte zuletzt bei zwei Hauptverhandlungen zu Tötungsdelikten auf eine erhöhte Sicherheitspräsenz der Wachtmeister in und um den Gerichtssaal. Zusätzlich positionierten sich teilweise Streifenwagen der Polizei direkt vor dem Gebäude, um vorbereitet zu sein. Die zusätzlichen Maßnahmen geschahen nicht grundlos.

In einem der Prozesse hatte es im Verlauf der Beweisaufnahme körperliche Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen auf dem Gerichtsflur gegeben. Es wurde hitzig, teils bedrohlich. Ein weiteres Mal soll es im Vorfeld des letzten Sitzungstages zu Bedrohungen gegen einen der Angeklagten und dessen Angehörige gekommen sein, weshalb die hiesige Justiz die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal erhöht hatte.

Es sind aber nicht nur die großen Mord- oder Totschlagsprozesse, die ein erhöhtes Aggressions- oder Emotionsrisiko bergen. Auch der juristische Alltag an den hiesigen Land- und Amtsgerichten kann mitunter unangenehm werden. Nicht umsonst gibt es einen Notfall-Knopf an jeder Richterbank, den Richterinnen und Richter betätigen können, falls es im Saal mal brenzlig wird.

Notfall-Knopf an der Richterbank Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth kommt es in Detmold allerdings häufiger vor, dass die Kolleginnen und Kollegen den Knopf versehentlich drückten. Erst vor Kurzem habe es allerdings einen Fall gegeben, in dem eine Kollegin ihn bewusst genutzt habe. &bdquo;Das war eher vorsorglich, weil sich die Emotionen eines Beteiligten wohl sehr hochgeschaukelt hatten“, erklärt Wormuth. Die hinzugerufenen Wachtmeister hätten nicht eingreifen müssen.

Richter Viktor Friesen, Direktor am Amtsgericht in Blomberg, fühlt sich grundsätzlich in seinem Beruf sicher, verkennt aber auch nicht, dass es ein gewisses Risiko gibt. Die Möglichkeit, eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt oder bei der Kfz-Zulassungsbehörde zu veranlassen, werde daher nicht grundlos genutzt. Problematisch sei auch immer wieder der Kontakt mit Reichsbürgern.

&bdquo;Natürlich gibt es immer Menschen, die zu Dingen bereit sind, wenn etwas nicht nach ihrer Auffassung läuft, die man nicht rational nachvollziehen kann und dessen muss man sich bewusst sein“, erklärt der Amtsgerichtsdirektor. Zwar entwickele man für solche Situationen und Personen ein Gespür, eine hundertprozentige Sicherheit gebe es aber nicht.

Friesen erinnert sich beispielsweise an ein Ordnungswidrigkeitsverfahren, bei dem es zu einer gefährlichen Situation kam. &bdquo;Ein Angeklagter ist von jetzt auf gleich sozusagen durchgedreht und hat die Kollegin über die Richterbank angegriffen“, erklärt Friesen. &bdquo;Glücklichweise saß hinten ein Polizist, der als Zeuge geladen war. Der konnte dann helfen. Aber so etwas kann man nicht vorhersehen.“

Metalldetektor und Röntgen-Scanner im Einsatz Für besseren Schutz gibt es daher seit einigen Jahrzehnten an deutschen Gerichten Sicherheitsschleusen. &bdquo;Das, was absehbar ist, versuchen wir dadurch zu vermeiden“, sagt Friesen. Vorher hatte jede Person, die wollte, einfach frei ins Gericht spazieren können. Beim Blick auf die heutige Lage kaum vorstellbar.

&bdquo;Auch wenn man es nicht glauben mag, die Kolleginnen und Kollegen der Wachtmeisterei haben da durchaus schon eine kleine Sammlung angelegt, an Dingen, die sie Leuten abgenommen haben - auch Waffen.“ Immer wieder versuchten Leute, mit Messer oder dergleichen ins Gericht zu kommen, sagt Friesen.

Zum kürzlichen Prozessauftakt zum Blutrache-Prozess in Bielefeld hatte der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel daher noch von &bdquo;Glück“ gesprochen, dass es die Waffen nicht in den Gerichtssaal geschafft hätten. &bdquo;Das hätte dann ganz anders ausgehen können“, hieß es.

Durch den Einsatz von Metalldetektor und Röntgen-Scanner an den Sicherheitsschleusen ist es laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth allerdings nahezu ausgeschlossen, (Schuss-)Waffen oder Ähnliches auf direktem Weg unbemerkt ins Gerichtsgebäude zu schleusen. &bdquo;Das würde auffallen“, sagt Wormuth. Möglich sei das eher, wenn Dritte - beispielsweise Reinigungspersonal - bestochen werden würde, um entsprechende Pakete zuvor innerhalb des Gerichts zu platzieren.

Lehren aus dem Bombenattentat von Euskirchen Die Sicherheitsschleuse am Landgericht Detmold gibt es inzwischen seit 25 Jahren. Ausschlaggebend sei die Sicherheitsdebatte gewesen, die nach einem Vorfall am Amtsgericht Euskirchen in Gang gesetzt worden war, heißt es. Im Jahr 1994 sprengte sich dort ein 33-Jähriger mit einer selbst gebastelten Bombe in die Luft, nachdem er zuvor sechs Menschen erschossen hatte. Der den Behörden bekannte Mann hatte einen Strafbefehl wegen Körperverletzung nicht zahlen wollen, deshalb sollte es an dem Tag zur mündlichen Verhandlung kommen. Unter den Opfern war auch der zuständige Richter, schreibt das Amtsgericht Euskirchen.

Solche Extremfälle erschütterten die ganze Justiz. Am Amtsgericht Blomberg begannen die Planungen für eine Sicherheitsschleuse im Jahr 2004, Ende 2006 ging sie in Betrieb. Ähnlich lang gibt es die Einlasskontrolle am Amtsgericht Lemgo. Dessen Direktorin Petra Borgschulte erinnert sich noch gut an die Anfänge. &bdquo;Erst gab es nur einen provisorischen Bogen samt Metalldetektor“, sagt Borgschulte. Seit Juni 2005 kommt auch in Lemgo niemand mehr einfach so rein. Dafür ist schon zu viel passiert.

Transparenzhinweis: Der Artikel wurde an einer Stelle überarbeitet, hier lag eine Dopplung vor.

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