Pflegeferien in Dörentrup: Lipperinnen wollen mit neuem Konzept Angehörige entlasten

Kreis Lippe/Dörentrup. Rund vier von fünf pflegebedürftigen Menschen werden laut Statistischem Bundesamt in Deutschland zu Hause versorgt. Meist von Angehörigen. &bdquo;Das kann oft sehr belastend sein“, wie Lena von der Linden als geriatrische Krankenschwester häufig von Betroffenen erfährt. Hinzu komme, dass sich pflegende Familienmitglieder viel zu selten eine Auszeit gönnen würden. Um diesen Menschen Erholung zu bieten und auch den Pflegebedürftigen einen Tapetenwechsel zu ermöglichen, hat sich die 42-Jährige gemeinsam mit sieben Arbeitskolleginnen sowie ihrer Mutter, die als Altenpflegerin arbeitet, ein besonderes Konzept einfallen lassen: Pflegeferien in Dörentrup. Was genau dahinter steckt, haben die Frauen im Gespräch mit der LZ erzählt.

Der Tisch auf der Terrasse ist liebevoll gedeckt, außer ein bisschen Vogelgezwitscher ist kaum etwas zu hören. Der Blick in den weitläufigen Garten mit großen, von Äpfeln behangenen Bäumen und sehr viel Grün drumherum vermittelt direkt einen Hauch von Urlaub. Und genau das ist es, was Lena von der Linden und ihre Arbeitskolleginnen, die alle auf der geriatrischen Station im Klinikum in Lemgo arbeiten, gesucht haben - einen Ort, an dem Menschen zur Ruhe finden. Künftig sollen hier Pflegebedürftige mit oder ohne einen Angehörigen eine Auszeit vom Alltag genießen können. Dafür stehen in dem rund 120 Quadratmeter großen Häuschen in Dörentrup-Spork zwei Pflegezimmer sowie ein Angehörigenzimmer zur Verfügung.

Kaum Zeit für das Wesentliche &bdquo;Wir lieben unseren Beruf“, betonen neben Lena von der Linden auch Katja Teuber (51), Daniela Hübner (53) und Christina Trost (31), die an diesem sonnigen Nachmittag von ihrem Projekt berichten. Doch das System mache ihnen das Berufsleben schwer. Die Krankenschwestern erzählen, dass unter anderem der dauerhafte Personalmangel ein großes Problem darstelle. &bdquo;Was uns aber am meisten ärgert, ist, dass das Wichtigste, nämlich der Patient, total untergeht“, sagt Lena von der Linden. Bei all der Dokumentationspflicht, ob in der Klinik oder in der Pflegeeinrichtung, habe man keine Zeit mehr für das Wesentliche. &bdquo;Es werden daher dringend Alternativen in der Pflege gebraucht. Wir hoffen, dass die Politik das auch einsieht“, sind sich die Frauen einig.

Nach einer solchen Alternative haben die befreundeten Krankenschwestern gesucht und sich verschiedene Konzepte angeschaut. Dabei sind sie etwa auf die Idee des Pflegehotels gestoßen, wie es beispielsweise bereits in Willingen (Sauerland) angeboten wird. Wie es der Name schon verrät, ist dies eine Kombination aus pflegerischer Einrichtung und Hotel. &bdquo;Dies wird jedoch komplett über die Kurzzeitpflege finanziert und damit ist das Pflegehotel eine Einrichtung.“ Und genau das wollen die Lipperinnen nicht. &bdquo;Dann sind wir ja wieder in der Spirale“, erklärt die Brakerin. So haben sie für sich das Konzept der Pflegeferien entwickelt. &bdquo;Wir nehmen die Gäste in den Ferienzimmern auf und übernehmen stundenweise die Pflege“, führt sie die Idee weiter aus.

Finanzierung über die Verhinderungspflege Die Pflege könne ausschließlich über die Verhinderungspflege abgerechnet werden, erklärt Lena von der Linden. Die Verhinderungspflege ist eine Leistung der Pflegeversicherung und steht jedem Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 zu. Sie soll eine vorübergehende Ersatzpflege ermöglichen, wenn die reguläre Pflegeperson wegen Krankheit, Urlaub oder aus anderen Gründen ausfällt. Dafür steht ein gemeinsamer Jahresbetrag von 3539 Euro für Kurzzeit- und Verhinderungspflege zur Verfügung, der flexibel eingesetzt werden kann. Die Verhinderungspflege kann durch eine Ersatzpflegeperson - die keine Fachkraft sein muss - oder in einer Einrichtung in Anspruch genommen werden. &bdquo;Die Verhinderungspflege ist steuerfrei“, erklären die Krankenschwestern, die somit diese Leistung anbieten können, ohne als Einrichtung in Erscheinung treten zu müssen.

Das Team rund um Lena von der Linden, die als Vorsitzende fungieren wird, steckt derzeit in der Gründung des gemeinnützigen Vereins &bdquo;Netzwerk Pflegeferien“. Das Haus in Dörentrup-Spork haben die Frauen gemeinsam mit ihren Familien und Freunden mithilfe von Spendengeldern hübsch hergerichtet. Die Immobilie ist jedoch nicht in ihrem Besitz. Die Ferienzimmer werden über den Eigentümer vermietet, so das Konzept.

&bdquo;Wir sind relativ breit gefächert, wen wir aufnehmen“, sagen die Pflegekräfte. Auch wenn sie alle in der Geriatrie - also in der Altersmedizin - arbeiten würden, könnten auch junge pflegebedürftige Menschen zu ihnen kommen. &bdquo;Unser Ziel ist es, auch noch eine Kinderkrankenschwester in unserem Verein aufzunehmen“, so Lena von der Linden. Die Pflegeferien würden beispielsweise einem Ehepaar ermöglichen, einen gemeinsamen Urlaub zu verbringen, obwohl einer von ihnen auf Pflege angewiesen ist. So könne auch der pflegende Angehörige stundenweise entlastet werden. &bdquo;Wir lernen Angehörige auch gerne an“, sagt Katja Teuber. So könnten die Ferien auch dazu dienen, dass etwa die Bezugsperson lernt, wie sie ihren Pflegebedürftigen wäscht, mobilisiert oder bei bestimmten Krankheiten unterstützt.

Pflege wird nur stundenweise angeboten Der pflegebedürftige Gast könne die Ferien auch allein in Dörentrup-Spork verbringen, sofern er in der Lage sei, die Nacht allein zu verbringen. &bdquo;Wir dürfen die Pflege nur stunden- und nicht tageweise anbieten, sonst wäre das wieder eine andere Abrechnung“, erklärt Lena von der Linden. Für jeden Besucher werde im Vorfeld gemeinsam ein individuelles Pflegekonzept geplant.

Außerdem dürfen Haustiere mitgebracht werden. &bdquo;Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Viele alte Menschen wollen aufgrund ihrer Tiere nicht in eine Einrichtung“, weiß Lena von der Linden auch aus ihrem Berufsalltag im Klinikum. Dem Klinikum bleiben die Krankenschwestern übrigens erhalten. &bdquo;Wir machen das nur als Nebentätigkeit“, erklären sie. Mit ihrer Pflegedienstleitung sei das alles abgesprochen. Für die Krankenschwestern und die Altenpflegerin handelt es sich hierbei um e in Herzensprojekt, wie sie betonen. Gemeinsam mit ihren Familien und Freunden hätten sie bereits viel Arbeit und Zeit darin investiert. &bdquo;Theoretisch kann es jetzt losgehen“, freuen sie sich auf den Startschuss. Erste sporadische Anfragen würde es schon geben.

Auch Dörentrups Bürgermeister Friso Veldink ist von dem Konzept begeistert, wie er auf Anfrage der LZ deutlich macht. &bdquo;Die Möglichkeit aus dem Alltag herauszukommen, ist für pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen eine wichtige Sache“, findet er. Auch für Dörentrup sei es ein positives Signal, daher unterstütze die Stadt das Projekt, etwa mit Werbung auf der Internetseite, sehr gerne.

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